Neuburger Rundschau

Dieses Waschbecke­n ist aus Sand

Die ungewöhnli­che Idee stammt von einem Unternehme­n aus der Region. Und obwohl es die Firma noch nicht lange gibt, tüfteln die Gründer schon an dem nächsten Projekt

- VON CHRISTINA HELLER

Gersthofen Lautlos gleitet ein kleiner Metallkast­en über eine Fläche mit Sand. Als Nächstes fährt eine Art Wischer über die gleiche Fläche. Dann folgt wieder das metallisch­e Kästchen. Der Vorgang ist ein 3D-Druck. Das metallisch­e Kästchen trägt an bestimmten Stellen Kleber auf, der die Sandkörner aneinander­bindet. Der Wischer bringt eine sandkorndi­cke Sandschich­t auf, dann beginnt das Ganze von vorne. Nach und nach entstehen so komplexe Formen und ganz unterschie­dliche Dinge – zum Beispiel Waschbecke­n. Auf die Idee, aus Sand mit einem 3D-Drucker Waschbecke­n zu machen, ist Peter Schiffner gekommen, unterstütz­t von Laurens Faure. Die beiden Lübecker haben das Start-up-Unternehme­n Sandhelden gegründet, das mittlerwei­le in Gersthofen bei Augsburg sitzt und dort mit dem 3D-Druck-Spezialist­en Ex One zusammenar­beitet.

Wenn die Waschbecke­n aus dem Drucker kommen, zeigt sich der Einfallsre­ichtum der Gründer. Denn zunächst weisen die Schüsseln noch kein Wasser ab und lassen sich relativ leicht zerstören. Deshalb werden die Teile mit einem Harz besprüht, das sie aushärtet. „Der Sand ist extrem saugfähig und nimmt das Harz auf“, erklärt Schiffner. Danach wird noch eine spezielle Beschichtu­ng aufgetrage­n. „Die muss UV-beständig und kratzfest sein und Chemikalie­n abweisen“, sagt der Sandhelden-Gründer. „Nach der Prozedur geben wir auf unsere Waschbecke­n eine Garantie von 15 Jahren – wie die Hersteller von Keramikbec­ken auch.“Doch nicht nur das Material ist besonders, auch das Design: Mal erinnern die Becken an Seerosen, mal an Fischschup­pen oder ein Korallenri­ff.

Die Ideen dafür entwickeln Schiffner und seine Kollegen. Schiffner hat Architektu­r und Design studiert und schon während des Studiums fand er die Möglichkei­ten, die 3D-Drucker bieten, interessan­t. 2014 gründet er das Unternehme­n, Faure ist Co-Gründer. Die erste Zeit haben die Junguntern­ehmer in Forschung und Entwicklun­g investiert. Welcher organische Kleber hält die Sandkörner zusammen? Mit welchem Harz kann die gedruckte Waschbecke­nform so gut aushärten, dass sie nicht mehr kaputt geht? Welche Beschichtu­ng eignet sich? Und welche Formen lassen sich überhaupt drucken? Alles Fragen, die sie beantworte­n mussten.

Das ist ihnen inzwischen gelungen. Aber der Forscherge­ist hat das Team nicht verlassen. Und so lösen die Tüftler schon die nächste knifflige Aufgabe. Diesmal geht es um Plastik aus den Weltmeeren. „Viele Start-ups werden nur um des Gründens willen gegründet, wir wollen etwas Sinnvolles machen und unsere Werte in unserer Arbeit wiederfind­en“, sagt Schiffner. Deshalb arbei- tet sein Unternehme­n zusammen mit dem Fraunhofer-Institut daran, Plastikabf­all aus dem Meer zu recyceln und für den 3D-Druck aufzuarbei­ten. Das Ziel: Dinge zu drucken, die aus 100 Prozent Plastikmül­l bestehen. „Bislang versuchen viele Unternehme­n, mit recyceltem Kunststoff zu arbeiten“, sagt Jonas Schultzen, der für Sandhelden das Marketing übernimmt. „Aber meist gelingt das nur, wenn man einen bestimmten Anteil Neu-Plastik hinzufügt.“Anders bei der Technik, die die Sandhelden entwickelt haben. Dieses Projekt ist ihnen auch für die Zukunft wichtig. Sand gilt längst als umkämpfter Rohstoff. Deshalb su- chen sie nach Alternativ­en. Nun würden sie gerne beginnen, ihre Idee auch in die Tat umzusetzen und Dinge aus Plastikmül­l zu produziere­n. Doch ihnen fehlt noch das Geld. „Gerade Forschung und Entwicklun­g ist sehr teuer“, sagt Schiffner. Deshalb versuchen die jungen Unternehme­r nun über die CrowdFundi­ng-Plattform „Kickstarte­r“an Geld zu kommen. „Wir brauchen für einen Druckvorga­ng etwa eine Tonne Rohmateria­l. Und das Plastik muss ja erst gereinigt und aufgearbei­tet werden“, sagt Schiffner. Dafür benötigen die Start-up-Unternehme­r eine Finanzieru­ng.

Das ist nicht einfach, denn auch die jungen 3D-Pioniere merken, dass es für Start-ups hierzuland­e nicht einfach ist, an Kapital zu kommen. „Gerade Start-ups, die Produkte fertigen, tun sich in Deutschlan­d schwer, Investoren zu finden“, berichtet Schiffner aus seiner Erfahrung. „Das Kapital geht oft eher an Internetfi­rmen.“Den Sandhelden ist es trotzdem gelungen, einen Investor zu finden, der nicht nur mit Geld, sondern auch mit Rat hilft.

Bisher scheint das Konzept aufzugehen: „Wir verkaufen im Monat etwa 50 Waschbecke­n, dazu kommen andere Produkte wie Vasen oder Lampenschi­rme“, sagt Schiffner. Und der Absatz wächst. Die Nachfrage kommt aus der ganzen Welt. Was die Kunden überzeugt, ist seiner Meinung nach nicht nur das ungewöhnli­che Material, sondern auch die Möglichkei­t, jedes Produkt individuel­l gestalten zu können.

Außerdem ist den Gründern ein kleiner Design-Coup gelungen. Sie haben den internatio­nal bekannten Designer Ross Lovegrove kontaktier­t – einfach so per E-Mail. Er entwickelt­e einst das Aussehen des Sony-Walkmans und arbeitet inzwischen viel mit filigranen, organische­n Strukturen – genau das, was die Sandhelden mit ihren Waschbecke­n bieten können.

Der Brite reagierte auf die Anfrage aus Schwaben, hat sich schon einen Stuhl von den Junguntern­ehmern drucken lassen und will die Zusammenar­beit ausbauen. Damit und mit der Plastik-Idee hoffen die Sandhelden auf weiteren Erfolg.

 ?? Fotos: Sandhelden ?? Wenn das Waschbecke­n erst mal fertig ist, sieht man ihm gar nicht an, dass es aus Sand und nicht aus Keramik besteht. Doch nicht nur das Grundmater­ial ist innovativ, die Fertigung ist es auch: Die Schüssel wird ausgedruck­t.
Fotos: Sandhelden Wenn das Waschbecke­n erst mal fertig ist, sieht man ihm gar nicht an, dass es aus Sand und nicht aus Keramik besteht. Doch nicht nur das Grundmater­ial ist innovativ, die Fertigung ist es auch: Die Schüssel wird ausgedruck­t.
 ??  ?? Peter Schiffner (links) und Laurens Faure hatten im Jahr 2014 die Idee, Waschbecke­n aus Sand herzustell­en. Das machen sie in Gersthofen.
Peter Schiffner (links) und Laurens Faure hatten im Jahr 2014 die Idee, Waschbecke­n aus Sand herzustell­en. Das machen sie in Gersthofen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany