Neuburger Rundschau

„Die Zukunft des deutschen Leistungss­ports steht auf dem Spiel“

Die Südkoreane­r lieben Pokern, Zocken und Tricksen. Deshalb haben wir DOSB-Präsident Alfons Hörmann zu einem Gespräch ins Casino gebeten. Es geht um die Erfolge des „Team D“, gute Sportstätt­en und russisches Roulette

- VON THOMAS WEISS UND JOCHEN KLINGOVSKY ARD ZDF Warum? Und die Atmosphäre?

Pyeongchan­g Alfons Hörmann ist kein Zocker. Er wettet nicht, kann sich nicht mal fürs Schafkopfe­n begeistern. Und trotzdem hat der DOSB-Chef einem Interview im Casino zugestimmt. Weil es passt. Zu den südkoreani­schen OlympiaGas­tgebern, die sich gerne an einen Spielautom­aten oder RouletteTi­sch setzen. Aber auch räumlich: Das Casino befindet sich im Erdgeschos­s des Vier-Sterne-Hotels mitten im Alpensia Ski Resort, in dem Hörmann während der zweieinhal­b Wochen in Pyeongchan­g wohnt. Also lässt er sich ein auf ein besonderes Spielchen. Mit Worten.

Herr Hörmann, hat der deutsche Sport diesmal bei Olympia den großen Wurf gelandet?

Alfons Hörmann: Ich würde eher sagen, wir haben an vielen Stellen auf die richtige Zahl gesetzt. Wir haben zwischen Sotschi und Pyeongchan­g die Zeit in etlichen Bereichen sehr zielgerich­tet genutzt, mit den Verbänden gemeinsam am Erfolg gebastelt. Das Musterbeis­piel sind für mich die Bobfahrer, bei denen sich 2014 teilweise chaotische Szenarien abgespielt haben. Da haben wir mit vielen Gesprächen, dem Aufbau von Strukturen, neuen Leuten und einer intensiven Materialfo­rschung so viel bewegt, dass wir uns jetzt wieder über Medaillen freuen durften. Das könnte man auch auf einige andere Sportarten übertragen, weshalb wir schon sagen können, dass vieles richtig gemacht wurde.

Was bedeutet es, nun mit vollen Taschen heimzugehe­n?

Hörmann: Es ist eine wunderschö­ne Bestätigun­g und ein tolles Erfolgserl­ebnis für alle Athleten, Trainer und Techniker, was im deutschen Haus ja auch gebührend gefeiert worden ist. Diese Erfolge sind eine tolle Bestätigun­g für die Heimatvere­ine, auch für die Heimatgeme­inden. Nehmen wir Oberstdorf: So viele Olympiamed­aillengewi­nner in mehreren Diszipline­n hat es noch nie gegeben. Der deutsche Winterspor­t hat gezeigt, dass er internatio­nal wettbewerb­sfähig ist.

Werden die Verbände von den Erfolgen profitiere­n?

Hörmann: Das, was bei Olympia passiert ist, wird natürlich dazu führen, dass sie mit den besten Karten in die anstehende­n Sponsoreng­espräche gehen. und freuen sich über Traumquote­n, da wäre es unlogisch, sich nicht weiter um Übertragun­gsrechte zu bemühen. Auch von Bundespoli­zei, Bundeswehr und Zoll, die unsere Sportler unterstütz­en und ausbilden, kommt das klare Signal: Weniger wird es auf keinen Fall.

Bleibt also die entscheide­nde Frage: Was ist mit dem künftigen Bundesinne­nminister möglich?

Hörmann: Der deutsche Sport wird von ihm fordern, den Einsatz zu erhöhen. Anders können wir die auf den Weg gebrachte Leistungss­portreform nicht konsequent umsetzen.

Welche Summe steht auf dem Spiel? Hörmann: Es geht um eine Aufstockun­g zwischen 60 und 120 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren – in einer Art Rampenmode­ll. Aber da sind auch 20 Millionen Euro für Infrastruk­tur dabei, zum Beispiel für die Stadien, unter anderem auch die der Nordischen Ski-WM 2021 in Oberstdorf.

Pause. Hörmann greift zu den Hustenbonb­ons, die er mitgebrach­t und auf den Spieltisch gelegt hat. Seine Stimme ist angekratzt, doch krank darf er nicht werden. Weil zwar die Sportler bei Olympia im Mittelpunk­t stehen, aber auch der Chef gefragt ist. Als Repräsenta­nt, Taktgeber, Motivator, Verhandlun­gspartner. Und weil es für Hör- mann auch während der Winterspie­le berufliche Pflichten gibt. Anfang der Woche musste der Vorstandsv­orsitzende eines Bauzuliefe­rers für zwei Tage zurück nach Deutschlan­d zu einer höchst wichtigen Kundenvera­nstaltung. Und am Freitag ging es um 7 Uhr morgens raus zu einer Messe nach Seoul. Kein Wunder, dass unter Hörmanns Augen der eine oder andere olympische Ring sichtbar zu werden scheint.

Im Casino kommt es auf das richtige Blatt an. War der Teamgeist das Ass im Ärmel der deutschen Athleten? Hörmann: Ich würde sogar vom ganz großen Wurf sprechen. Uns ist es gelungen, die Idee vom Team D umzusetzen, das Deutsche Haus komplett umzukrempe­ln und dafür zu sorgen, dass sich die Athleten, deren Familien und Betreuer hier richtig wohlfühlen. Wenn mich jemand nach meinem persönlich größten Erfolg fragt, dann war es sicher die Neukonzept­ion des Deutschen Hauses. Die Kosten betragen zwar zwischen drei und vier Millionen Euro, werden aber zum Großteil von Sponsoren und Partnern getragen. Was wir vom Sport zuschießen, ist bestinvest­iertes Geld. Anders bekommt man einen solchen Mannschaft­sgeist, der uns zu den Erfolgen getragen hat, nicht hin.

Wie oft schauen Sie auf den Medaillens­piegel?

Hörmann: Ich bin kein Freund des Medaillens­piegels, eines zeigt er aber schon: Wie schwer es ist, aufs Podium zu kommen. Auch diesmal sind viele Favoriten gescheiter­t.

Sie haben vor den Spielen gesagt, Rang eins in der Fair Play-Wertung sei Ihnen wichtiger als Rang eins im Medaillens­piegel.

Hörmann: Stimmt. Die Botschafte­rrolle für die Werte des Sports, die das Team übernommen hat, ist mindestens so wichtig wie die Frage von ein paar Medaillen mehr oder weniger. Die Athleten geben Deutschlan­d nach außen ein Gesicht.

Was auffällt ist, dass es in den Trendsport­arten keinen Podestplat­z gegeben hat. Ist der Einsatz an dieser Stelle nicht hoch genug?

Hörmann: Klar und eindeutig ja. Ohne eine sportfachl­iche Konzeption kommt man in diesen Diszipline­n nicht voran. In Deutschlan­d gibt es zum Beispiel nach wie vor keine Halfpipe, obwohl wir seit einem Jahrzehnt darüber diskutiere­n. Wie viel Geld künftig in die Trendsport­arten fließen kann, darüber müssen wir jetzt mit dem Bundesinne­nministeri­um verhandeln.

Norwegen ist ein Gewinner dieser Spiele. Was läuft dort besonders gut? Hörmann: Der Langlauf ist in Norwegen so populär wie bei uns der Fußball. Das ist eine andere Liga – mit perfektem Mitteleins­atz und dem strategisc­hen Vorteil, dass man sich dort auf zentrale Trainingse­inrichtung­en fokussiert. Wenn ich auf uns schaue, macht es mir schon Sorgen, was im Vergleich zu zehn, fünfzehn Jahren noch aus Thüringen und Sachsen zu unserer Medaillena­usbeute geliefert wird. Es konzentrie­rt sich mehr und mehr auf Bayern und Baden-Württember­g.

Hörmann schaut auf die Uhr. Eine halbe Stunde ist es noch bis zum Staffel-Start der Kombiniere­r. Olympische Spiele fordern ihn. Aber er sieht den Stress positiv, er belastet ihn nicht. Eher sorgt er sich darum, womöglich einen sporthisto­rischen Moment zu verpassen. So wie das Gold für das Eiskunstla­ufpaar Savchenko/ Massot (da war er beim Abfahrtsla­uf) oder den Dreifach-Erfolg der Kombiniere­r beim Wettbewerb von der Großschanz­e (als er beruflich in Deutschlan­d weilte). Umso glückliche­r war der DOSB-Chef, bei den triumphale­n Siegen der EishockeyN­ationalman­nschaft gegen Schweden und gegen Kanada zwei große olympische Momente erlebt zu haben. Weil mehr Spannung kaum geht. Und mehr Emotion auch nicht.

Immer wieder gab es Kritik an der fehlenden Atmosphäre bei den Wettkämpfe­n. Hat sich das IOC mit der Vergabe der Spiele nach Südkorea verzockt? Hörmann: Nein, überhaupt nicht. Ich bin überzeugt, dass die Spiele in Pyeongchan­g als hoch erfolgreic­he in die Geschichte eingehen werden.

Hörmann: Weil die gesamte sportfachl­iche Konzeption gepasst hat, bis auf ein, zwei kleine Ausnahmen beim Freestyle, wo die Strecken wohl zu schwer waren. Unterbring­ung und Verpflegun­g bekommen von den Athleten herausrage­nde Bewertunge­n, die Organisati­on hat – mit Ausnahme von kleinen Transportp­roblemen – am Anfang sehr gut funktionie­rt. Die Koreaner waren absolut dienstleis­tungsorien­tiert und sehr freundlich. Das war schlichtwe­g vorbildlic­h.

Hörmann: Jedes Land, jeder Kontinent hat gewachsene Traditione­n. Da muss man fair sein und es in Kauf nehmen, dass die Stimmung mal nicht so ausfällt, wie wir es gewohnt sind. Und es steht dem asiatische­n Kontinent auch zu, eigene Akzente zu setzen.

Kurz vor dem Ende der Spiele stellt sich die Frage: Was passiert mit den Russen bei der Schlussfei­er? Hörmann: Ich war von Anfang an kein großer Freund davon, sie nach dem Dopingskan­dal zu früh zu rehabiliti­eren – und jetzt kamen ja während der Spiele noch zwei Dopingfäll­e dazu. Wenn ich es entscheide­n müsste, würde ich noch bis Tokio 2020 warten und zu den Russen sagen: Jetzt beweist die nächsten zwei Jahre, dass die Dinge bei euch ordentlich und sauber laufen. Zumal deren Anerkennun­g dessen, was passiert ist, ja bis heute fehlt. Sie haben erklärt, die deutschen Olympia-Athleten für sauber zu halten. Spielen Sie mit einer solchen Aussage nicht russisches Roulette?

Hörmann: Ich bin fest davon überzeugt und habe keinerlei Zweifel, dass wir hier mit einem in jeder Hinsicht sauberen Team angetreten sind. Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, wäre ich nicht hier. Oder anders gesagt: Wenn ich den pessimisti­schen Stimmen Glauben schenken würde, dass in jeder Mannschaft 30 bis 40 Prozent der Athleten manipulier­en, dann wüsste ich mit meiner Freizeit ein paar bessere Dinge anzufangen, als Verbandspr­äsident zu sein.

Eine letzte Auszeit. Hörmann sieht aus, als könnte er ein paar Häppchen gut vertragen. Er mag asiatische­s Essen, kam aber in Korea nur einmal in den Genuss. In einem kleinen Fischresta­urant am Strand von Gangneung, gemeinsam mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier. Mit Koreanern gab es nur selten Kontakt, für Kultur blieb gar keine Zeit. Hörmann erlebt die Spiele unter einer Art TeamD-Glocke. Zwischen Wettkämpfe­n und Weißwürste­n im Deutschen Haus, zwischen Goldfeiern und Gesprächen mit Ministern und Staatssekr­etären.

Es mehren sich die Stimmen, die sich für eine neuerliche deutsche OlympiaBew­erbung ausspreche­n. Sollten Sport und Politik alles auf eine Karte setzen? Hörmann: Es müssen noch viele, viele zusätzlich­e Stimmen kommen – auch außerhalb des Zeitraums Olympische­r Spiele, bis es Sinn macht, dieses Thema wieder aktiv anzupacken. Aber dann herzlich gerne. Aktuell sage ich dazu: Solange sich die Rahmenbedi­ngungen auf internatio­naler Ebene durch das IOC nicht noch weiter verbessern, wird es unter meiner Führung keinen neuen Vorstoß des DOSB geben.

Würden Sie die Wette wagen, dass Peking 2022 für den deutschen Winterspor­t ähnlich erfolgreic­h wird wie Pyeongchan­g 2018?

Hörmann: Derzeit sicher nicht. Denn wenn wir nicht die Strukturen anpassen und nicht nennenswer­t mehr Mittel fließen, dann wird das Niveau von Pyeongchan­g schlichtwe­g nicht zu halten sein. In den Verhandlun­gen mit dem Bund steht somit nicht weniger als die Zukunft des deutschen Leistungss­ports auf dem Spiel.

 ?? Foto: Sven Simon ?? Ein Bild mit Symbolkraf­t: Bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g gehört Deutschlan­d zu den dominieren­den Nationen. Das ist aber nur eine Momentaufn­ahme. Der DOSB Präsident Alfons Hörmann warnt davor, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.
Foto: Sven Simon Ein Bild mit Symbolkraf­t: Bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g gehört Deutschlan­d zu den dominieren­den Nationen. Das ist aber nur eine Momentaufn­ahme. Der DOSB Präsident Alfons Hörmann warnt davor, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.
 ?? Foto: Thomas Weiß ?? Sonst kein Spielertyp. Für das Interview mit unserer Zeitung trafen wir DOSB Präsi dent Alfons Hörmann aber dennoch im Casino.
Foto: Thomas Weiß Sonst kein Spielertyp. Für das Interview mit unserer Zeitung trafen wir DOSB Präsi dent Alfons Hörmann aber dennoch im Casino.

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