Wie sich Händler gegen Minusgrade wappnen
Zwiebellook, Alpakastrumpf, Heizung oder Tee: Mit diesen Mitteln behaupten sich Standbetreiber auf dem Neuburger Wochenmarkt gegen eisige Temperaturen. Doch nicht nur ihnen setzt die Kälte zu
Neuburg In den Fingerspitzen nistet sich die Kälte am hartnäckigsten ein. „Dort verharrt sie, zieht dann weiter in die Knochen“, weiß Helena Krammbauer aus Donauwörth. Ihres Berufs wegen pendelt die 47-Jährige fast täglich nach Neuburg. Und für gewöhnlich führt sie der Weg vom Bahnhof weiter über den Schrannenplatz, wo an Mittwochvormittagen der Wochenmarkt mit zahlreichen Ausstellern auf sie wartet. Nur heute nicht. Lediglich neun Beschicker haben ihre Pavillons aufgeschlagen, dazwischen klaffen mehr oder weniger große Lücken. Was Wunder – am bisher kältesten Tag der Woche zeigt das Thermometer minus zwölf Grad. Helena Krammbauer huscht über den Platz, die Bürokauffrau wird heute nichts kaufen.
Zu den hart gesottenen Standbetreibern zählt Franz-Josef Wilken, der seinen Ausstelltisch im Windschatten der Markthalle aufgebaut hat. Seit 6.30 Uhr bietet er hier Cremes und Balsam auf Basis von an, ebenso findet sich Honig in seinem Sortiment. Das Wichtigste bei diesen Temperaturen sei, in Bewegung zu bleiben, meint er. Hin und wieder eine Tasse Tee und ein Blick in die Sonne – das halte warm. Außerdem setzt der Imker auf den sogenannten Zwiebellook, bei dem mehrere Kleidungsstücke übereinander getragen werden. Wie viele Schichten es heute sind? „Drei“, bekräftigt Franz-Josef Wilken und reibt sich die Hände. Denn tatsächlich leiden seine Finger am meisten unter der Kälte. „Ich habe Handschuhe dabei, aber das ständige An- und Ausziehen ist unpraktisch.“Gut verpackt sind seine Füße – Alpakasocken sei Dank. „Die sind besonders fein.“
Ebenso kälteerprobt ist Richard Karg aus Vohburg, der seinen Anhänger zehn Meter weiter abgestellt hat. Seit knapp 30 Jahren verkauft er zweimal die Woche Wurst und Fleisch, eisige Tage wie dieser sind ihm des Öfteren untergekommen. Einmal – es war wohl ein Winter um die Jahrtausendwende – seien die Temperaturen unter die Minus20-Grad-Marke gefallen. „Mei“, sagt der Verkäufer. „Da war es ordentlich zapfig.“Inzwischen ist das anders. Grund dafür sind zwei Heizkörper. Sie wärmen den Hänger von innen, während die Auslage bei null Grad gekühlt wird. Wie Karg erläutert, wirke sich die Kälte nicht schädlich auf die Ware aus – nur Hitze. „Ab 35 Grad wird es grenzwertig.“Doch sind die noch lange nicht in Sicht.
„Drei Rippchen, bitte“, bestellt Claudia Eder bei Metzger Karg. Obwohl die Kundin bei ihrem Einkauf auf dem Wochenmarkt Abstriche machen muss, hat sie viel Verständnis für die zuhause gebliebenen Beschicker. „Bei diesem Wetter kommen ohnehin weniger Leute“, sagt sie. Dementsprechend wenig Umsatz könnten die Händler erwarten. Mit diesem Problem sieht sich Richard Karg konfrontiert. „Ich habe ungefähr 40 Prozent von den Kunden heute, die ich üblicherweise habe.“Es klingt nicht vorwurfsvoll, nicht nach Beklagen.
Seit 16 Jahren ist Regina Euringer vom gleichnamigen Biohandel auf dem Schrannenplatz anzutreffen. „Ich verkaufe gerne auf dem WoBienenwachs chenmarkt, weil ich viele nette Kunden habe“, berichtet sie stolz. Ihr Stand ist von Planen umhüllt, auf dem Beistelltisch steht eine große Thermoskanne. Heizen sei wichtig, meint die Beschickerin, sonst gehe das Gemüse kaputt. Um sich warm zu halten, trinkt sie Tee, zieht sich fest an und hat sich Unterwäsche aus Angorawolle gekauft. Für die Verkäuferin ist die Kälte längst kein Grund, zu Hause zu bleiben. „Ich bin hart im Nehmen“, sagt sie – und dennoch hat die Fierantin die Nase voll von den kalten Tagen. Sie freut sich auf den Frühling.
Für den Fischstand von Inge Gutschmidt haben die Temperaturen einen Vorteil: Der Fisch bleibt kühl. Trotzdem muss die Verkäuferin ihre Ware zusätzlich in Eis lagern. So verbringt sie in ihrem Wagen eine besonders eisige Zeit. „Meine Hände sind kalt. Dagegen kann man leider nicht sehr viel machen, außer sich dick und warm anzuziehen, weil man schließlich den ganzen Tag draußen verbringt“, findet die Verkäuferin.
Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung – mit diesem Satz lässt sich wohl der Alltag auf dem Wochenmarkt beschreiben. Mit langen Unterhosen, dicken Strumpfhosen, Wollpullis, Stirnbändern und Mützen geht etwa Familie Koch gegen das Wetter vor. „Der Kopf ist besonders wichtig, sodass die Ohren warm bleiben. Gute Kleidung ist das A und O“, betont eine der beiden Mitarbeiterinnen. Ähnlich dem Stand von Regina Euringer schützen Planen das Gemüse. Das Zelt wird zudem mit fünf Gasöfen beheizt. „Tomaten, Gurken und Paprika vertragen keine Kälte, Kartoffeln zum Beispiel werden süß“, erklären die beiden Frauen. Wärme und Windschutz sollen dem Abhilfe verschaffen.
Indes reibt sich Franz-Josef Wilken weiter die Hände. Bis 12.30 Uhr wird er heute noch bei minus zwölf Grad verkaufen – in der Hoffnung, dass es wieder wärmer wird. „Die Bienen müssen raus“, sagt er. Die Imkersaison beginne im März. Sein Wunsch könnte sich bald erfüllen: Laut Wetterbericht klettern die Temperaturen ab nächster Woche wieder in den Plusbereich. Allerdings soll es dann regnen.