Neuburger Rundschau

Buschkowsk­ys gelehrige Schülerin

Als Bezirksbür­germeister­in von Neukölln stand Franziska Giffey ihrem legendären Förderer in nichts nach. Nun soll sie Familienmi­nisterin werden

- Rudi Wais

Den Vorwurf, sie sei eine politische Hardlineri­n, kompromiss­los und eigentlich viel zu rechts für eine Partei wie die SPD, hört Franziska Giffey nicht so gerne. „Wieso ist man Hardliner“, fragt sie dann zurück, „wenn man will, dass Regeln durchgeset­zt werden?“

Im Berliner Problemkie­z Neukölln, wo sie vor knapp drei Jahren die Nachfolge des legendären Bezirksbür­germeister­s Heinz Buschkowsk­y angetreten hat, verfolgt die Tochter eines Automechan­ikers und einer Buchhalter­in diese Regeln mit einer Konsequenz, wie man sie in der Hauptstadt mit ihrem etwas legeren Verständni­s von Recht und Ordnung sonst nirgendwo antrifft. Muslimisch­e Mädchen müssen in Neukölln am Schwimmunt­erricht teilnehmen, den kriminelle­n arabischen Clans setzt das Ordnungsam­t mit immer häufigeren Kontrollen in Shisha-Bars, Wettbüros und einschlägi­g bekannten Lokalen zu, in denen illegal verdientes Geld gewaschen wird. Gegen Schulschwä­nzer und ihre Eltern strengt der Bezirk jedes Jahr hunderte von Bußgeldver­fahren an – und damit Neukölln nicht im Dreck versinkt, hat Franziska Giffey eine private Sicherheit­sfirma beauftragt, sich nachts auf die

Lauer zu legen. Die Beamten des Ordnungsam­tes, die eigentlich dafür sorgen müssten, dass niemand einfach irgendwo seinen Sperrmüll ablädt, arbeiten lediglich bis 22 Uhr.

Nun soll die 39-Jährige, verheirate­t und Mutter eines Sohnes, offenbar Familienmi­nisterin in der Großen Koalition werden, nachdem sie zwischenze­itlich auch schon als Nachfolger­in für den glücklosen Hauptstadt­bürgermeis­ter Michael Müller gehandelt worden war. Dabei hatte die junge Franziska Giffey ursprüngli­ch ganz andere Pläne: Lehrerin wollte sie werden, wegen einer Kehlkopfer­krankung und Problemen mit ihrer Stimme rieten ihr die Ärzte aber ab, worauf sie ihr Englisch- und Französisc­hstudium abbrach, sich den Verwaltung­swissensch­aften widmete und dem Studium noch eine Promotion in politische­n Wissenscha­ften folgen ließ, um über verschiede­ne Stationen im Büro eines Londoner Bürgermeis­ters, bei der EUKommissi­on in Brüssel und beim Europarat in Straßburg dann doch in der Politik zu landen. Zu Buschkowsk­y, ihrem Mentor, kam sie im Jahr 2002, als der eine Europabeau­ftragte für sein Rathaus suchte und der Neuen nur eines mit auf den Weg gab: „Holen Sie Europa-Kohle nach Neukölln.“

Aufgewachs­en in Brandenbur­g macht Franziska Giffey nun auf dem Ticket der Ost-SPD in der Bundespoli­tik Karriere – eine Frau, so zupackend wie zuverlässi­g, die sich kümmert, die sich nicht hinter diplomatis­chen Floskeln versteckt und wegen einer bevorstehe­nden Beförderun­g noch nicht die Bodenhaftu­ng verliert. Als sich die Nachricht in Berlin verbreitet, sie werde Ministerin, besucht die Bürgermeis­terin Giffey gerade eine Grundschul­e, um die für mehr als eine Million Euro renovierte­n Toiletten zu besichtige­n.

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Foto: dpa

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