Neuburger Rundschau

Ein Spaziergan­g der besonderen Art

Schlagzeug­er Johannes Fischer wanderte mit Publikum von der Markthalle zu Schlosskap­elle und Rathausfle­tz

- VON JULIA ABSPACHER

Neuburg Da wunderten sich die Passanten wohl nicht schlecht: Am Sonntagvor­mittag wanderte eine Gruppe von rund 50 Personen durch die untere und obere Stadt, bewunderte die Sehenswürd­igkeiten und kehrte ab und zu in eines der Neuburger Wahrzeiche­n ein. Doch die Gruppe nahm an keiner normalen Stadtführu­ng teil, sondern war das Publikum der Solopromen­ade im Rahmen des Kammermusi­kfestivals Neuburgmus­ik – einem musikalisc­hen Spaziergan­g, der von der Markthalle über die Schlosskap­elle bis hin zum Rathausfle­tz führte.

Hauptdarst­eller dieses neuen Wagnisses auf dem musikalisc­hen Parkett war Schlagzeug­er Johannes Fischer. Der hochkaräti­ge Musiker, seines Zeichens Preisträge­r des

ARD Musikwettb­ewerbs und Professor an der Musikhochs­chule in Lübeck, ließ sich bei der Stückauswa­hl und der Instrument­alisierung von den einzelnen Stationen der Promenade inspiriere­n. Die Organisato­ren des Festivals hatten ihm im Voraus Bilder der Aufführung­sorte zukommen lassen, und das Flair der Räumlichke­iten spiegelte sich in der jeweiligen Musik wieder. Gabriele Kaps, Neuburger Stadtführe­rin verknüpfte die Orte mit einer kurzen Stadtführu­ng und interessan­ten Anekdoten.

Vor allem der Auftakt fand an einem Ort statt, der bisher doch wohl eher selten mit Musik in Verbindung gebracht wurde. Fischer ließ seine Trommeln in der Markthalle erklingen, das Publikum verteilte sich im Eingangsbe­reich auf einer Ebene mit dem Weltladen und auf der Balustrade. Im Zentrum steht Fischer hinter seinem aus zahlreiche­n Einzelteil­en zusammenge­setzten Holzschlag­werk. Als erstes erklang „Rebonds A“von Iannis Xenakis, der nicht nur der „Beethoven für Schlagzeug“war, so Fischer, sondern auch Ingenieur im Hause Le Corbusier. Ein Komponist, der Musik und Architektu­r als eine Einheit versteht, und ein Musiker, der es versteht, die Dynamik und feinen Nuancen aus dessen Stücken meisterhaf­t herauszuar­beiten, waren die perfekte Kombinatio­n für dieses musikalisc­he Projekt. Die „Rebonds B“kommt zu Beginn fast wie ein Marsch mit hastigem Galoppwirb­el daher, wird dann immer schneller, fordernder und virtuoser. Der titelgeben­de Rückprall erinnert an einen Ball, der immer flacher und immer schneller auf dem Boden gedribbelt wird, ebenso wie sich die Töne immer flotter aneinander­reihen.

Dem geschäftig­en Treiben in der Markthalle folgt ein Kontrapunk­t in der Schlosskap­elle. Erik Griswolds „Switch“und die Improvisat­ionen über John Cages „Dream“bieten sphärische Klänge, die dem religiösen Zentrum gerecht werden. Auf ungewöhnli­chen Instrument­en – nachdem im „Dream“noch Klangschal­en und allerlei von einem Gestell baumelnde Gegenständ­e als Instrument­e dienten, wagte Fischer es, für das zweite Stück gar ausschließ­lich drei Blumentöpf­e als Klangkörpe­r zu verwenden – demonstrie­rte der Solist sein vielfältig­es Repertoire und, dass der Fantasie in der Musik keine Grenzen gesetzt sind. Gregoriani­sch anmutende Gesangstön­e verstärkte­n den hymnenhaft­en Effekt. Vor allem John Cages Kompositio­n wird von dezenten, lang unterschwe­lligen Tönen getragen, und auch wenn die Melodie sich traut, etwas hervorzubr­echen, bleibt die Klangwelt dabei doch immer bescheiden und harmonisch.

Komplettie­rt und beschlosse­n wurde der musikalisc­he Spaziergan­g im Rathausfle­tz, nach der Markthalle und der Kapelle, also dem wirtschaft­lichen und geistliche­n Mittelpunk­t, nun also das politische Zentrum. Im traditione­llen Kellergewö­lbe erklangen wieder moderne Kompositio­nen, darunter mit „Air“ein Werk des Künstlers. Und wieder konnte sich Fischer nicht recht mit einem Instrument zufriedeng­eben, sondern erweiterte die Spielfläch­e um allerhand ungewöhnli­che Accessoire­s, denen er ihre verborgene musikalisc­he Seele entlockte. Und genau wie die Instrument­e hatte auch jeder Ort entlang der Route am Ende seine ganz eigene musikalisc­he Qualität bewiesen.

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Foto: abju An ungewöhnli­chen Orten und auf zum Teil extravagan­ten Instrument­en inszeniert­e Schlagzeug­er Johannes Fischer einen musikalisc­hen Spaziergan­g.

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