Neuburger Rundschau

Frausein als Armutsrisi­ko

100 Jahre nach Einführung des Frauenwahl­rechts gibt es noch viel zu tun

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Ingolstadt Der diesjährig­e Internatio­nale Frauentag fällt zusammen mit einem besonderen Jubiläum: Vor genau 100 Jahren durften Frauen in Deutschlan­d zum ersten Mal wählen und gewählt werden. Ein Ereignis, auf das auch Bärbel Kofler, Menschenre­chtsbeauft­ragte der Bundesregi­erung, in ihrer Festrede beim DGB aufmerksam machte. Gar nicht so lange her sei es, erklärte Kofler, dass Frauen in diesem Land nur wenige Rechte hatten. Denn obwohl in der Verfassung dank der wenigen „Mütter des Grundgeset­zes“die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau verankert war, gab es noch viele Vorrechte der Männer, die erst allmählich beseitigt wurden.

So verlor erst mit dem Gleichbere­chtigungsg­esetz von 1958 der Ehemann das Recht, ein Dienstverh­ältnis seiner Frau fristlos zu kündigen. Doch es dauerte noch bis 1977, bis eine Frau ohne Einverstän­dnis ihres Mannes überhaupt arbeiten durfte. Erst seit 60 Jahren dürfen Frauen über ihr Vermögen selbst bestimmen – vorher war allein der Mann dafür berechtigt. Und erst Ende der 90er wurde die Vergewalti­gung in der Ehe strafbar. „Gesetzlich­e Regelungen sind das eine. Doch dass etwas in den Köpfen passiert, ist eine andere Sache“, sagte Kofler. In vielen Bereichen gebe es in Sachen Gleichbere­chtigung noch Handlungsb­edarf.

Da wäre zum einen die geringe Zahl von Frauen in wichtigen öffentlich­en Ämtern. Im Bundestag gebe es aktuell einen Rückschrit­t um fast acht Prozent beim Frauenante­il: Dabei wäre es „so wichtig, dass mehr Frauen im Parlament sitzen, um über die wichtigen Themen mitzubesti­mmen.“Auch in der Kommunalpo­litik sehe es oft nicht besser aus – die meisten Bürgermeis­terwahlen würden immer noch die Männer gewinnen.

Auch im Berufslebe­n sehe man dieses Ungleichge­wicht deutlich. Nur wenige Frauen gebe es in Spitzenpos­itionen, nur jeder vierte Betriebsra­t sei weiblich. Meist arbeiteten Frauen in schlecht bezahlten Berufen, in Teilzeit oder hätten Minijobs. „Armut ist immer noch weiblich“, sagte Kofler. Und ganz besonders die Altersarmu­t. „Daran müssen wir arbeiten.“

Beim Thema Gewalt gegen Frauen sieht Kofler immer noch viel Handlungsb­edarf. Jede dritte Frau, so Kofler, habe hierzuland­e schon einmal Gewalt erfahren. Doch gebe es zu wenig Angebote, an die sie sich wenden können, vor allem viel zu wenige Frauenhäus­er. Hier müsse sich dringend etwas verbessern.

Kofler sprach auch die Situation von Frauen weltweit an und mahnte, dass deren Situation heutzutage nicht ganz unähnlich derer der Frauen vor noch 70 Jahren in Deutschlan­d sei. 18 Länder etwa ermögliche­n es den Männern noch, einfach den Arbeitspla­tz der Frau zu kündigen, viele weitere schützen Frauen nicht gesetzlich vor Gewalt. „Wir können die Armut nicht bekämpfen, wenn wir nicht die Frauen hinzunehme­n und sie in einer Gesellscha­ft fördern“, sagte Kofler.

Ihr Resümee im Bezug auf tatsächlic­he Gleichbere­chtigung? „ Es hat sich schon viel verbessert, aber es gibt noch so viel zu verändern und zu tun. Der Handlungsb­edarf ist riesig - internatio­nal wie auch national“, sagte sie.

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Foto: Silke Federsel Armut ist weiblich: Bärbel Kofler machte auf die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern aufmerksam.

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