Ein kreatives Geschäftsmodell
Mit gefälschten Dokumenten erschlichen sich drei Männer Autos und verkauften sie weiter. Wer wusste wie viel?
Neuburg Ganze zwanzig Minuten dauerte es, bis der Staatsanwalt die Anklageschrift gegen die drei Männer auf der Anklagebank verlesen hatte. Ihnen wurde vorgeworfen, sich mit gefälschten Urkunden Kredite für die Finanzierung von Autos erschlichen zu haben – als Einnahmequelle, denn die Autos wurden danach weiterverkauft, die Kredite nicht getilgt. Organisierte Kriminalität also. Doch stellte sich vor dem Neuburger Amtsgericht auch schnell heraus, dass nur einer von den drei Angeklagten wirklich von den Taten profitiert hatte: der 33-Jährige aus München.
Er spielte von Anfang an mit offenen Karten und gab zu, dass alle Punkte der Anklage stimmten. Seit 2016 habe er 13 Mal bei Autohäusern von München über Wolnzach bis Ludwigsburg Autos gekauft oder es zumindest versucht. Seine Strategie: Der Hauptangeklagte engagierte den ebenfalls angeklagten Buchhalter aus Puchheim, um Gehaltsabrechnungen oder betriebswirtschaftliche Auswertungen zu fälschen. Diese wurden auf Personen ausgestellt, die ihm ein Partner vermittelt hatte. Mit den gefälschten Dokumenten und den wechselnden Strohmännern ging er zu einem Autohaus, gab den Strohmann zum Beispiel als seinen Vater aus und ließ ihn sämtliche Verträge und Kreditanträge unterschreiben. Oft klappte es, drei Mal flogen die Ungereimtheiten in den Dokumenten auf, bevor das Auto den Besitzer wechselte.
Einer der Strohmänner, ein 54-jähriger Mann, war mitangeklagt und konnte scheinbar selbst nicht ganz glauben, in welchen Schlamassel er hineingeraten war. Mithilfe seiner Dolmetscherin sagte er aus, dass ein Bekannter – der flüchtige Partner des 33-Jährigen – ihn dafür angeworben hätte, nach Deutschland zu reisen, um Dokumente für einen Autokauf zu unterschreiben. Sobald er zurück in der Heimat wäre, würde er für den Dienst bezahlt werden. Der gelernte Klempner, der eine Invalidenrente von umgerechnet 80 Euro pro Monat erhält, nahm das Angebot aus finanzieller Not heraus an.
Doch bevor er zurück nach Hause reisen konnte, wurde er festgenommen – und saß gestern in sich zusammengesunken vor dem Schöffengericht. Alles, was bisher für ihn herausgesprungen ist, waren acht Monate Untersuchungshaft.
Auch der dritte Angeklagte, der 57-jährige Buchhalter aus Puchheim, wollte sich nicht als Teil einer größeren Betrugsmasche sehen. Er habe zwar übers Handy Fotos von Ausweisen bekommen und auf die Namen der Personen entsprechende Nachweise erstellt, doch dass damit Autohäuser im großen Stil betrogen werden sollten, sei ihm nicht bewusst gewesen. Immer wieder schüttelte er den Kopf, vor allem, als der Strippenzieher der Betrügereien ihm widersprach: „Er wusste, dass das für die Banken ist, das habe ich ihm klar und deutlich gesagt.“
Erst die Ingolstädter Kriminalpolizei konnte dem Gespann das Handwerk legen, nachdem der betrogene Autohändler aus Wolnzach im vergangenen Jahr Anzeige erstattet hatte. Der vermeintliche „Sohn“hatte bei den Händlern seine Handynummer als Kontakt hinterlassen, darüber konnten sie ihn ermitteln und festnehmen. „Ich war erleichtert, als ich erwischt wurde“, sagte der Angeklagte aus. Spielschulden hätten ihn zu den Taten getrieben, jetzt wolle er die Haft absitzen und danach ein geläutertes Leben anfangen. Zeit genug, um nachzudenken, wird er haben: Denn der einschlägig vorbestrafte Mann muss erst noch eine ausstehende Haftstrafe von über zwei Jahren absitzen. Zusätzlich verurteilte das Schöffengericht ihn wegen Urkundenfälschung, Betrug und versuchtem Betrug zu drei Jahren und vier Monaten Haft. Außerdem muss er Wertersatz leisten: Obwohl etwa die Hälfte der erschlichenen Autos wieder zurückgegeben werden konnten, sind andere verschollen – und ein Schaden von 164621 Euro noch ausstehend.
Die beiden anderen Angeklagten kamen mit einem blauen Auge davon. Der Strohmann wurde wegen Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, der Buchhalter wegen Urkundenfälschung zu einem Jahr und zehn Monaten, zusätzlich muss er 1000 Euro Strafe zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.