Neuburger Rundschau

Die Literatur, die Blogger und der Sexismus

In Leipzig diskutiert die Branche nicht nur über Neuerschei­nungen der Verlage

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Leipzig Natürlich stehen die Autoren und die Neuerschei­nungen der Verlage im Mittelpunk­t des Interesses auf der Leipziger Buchmesse. Aber auch Debatten rund um die Literatur erfahren in diesem Jahr viel Aufmerksam­keit, und keineswegs nur die Äußerungen des Schriftste­llers Uwe Tellkamp oder die Anwesenhei­t rechter Verlage auf der Messe. Zu den in Leipzig intensiv diskutiert­en Themen gehört in diesem Jahr etwa auch die Frage, wie die Buchbranch­e neue Zielgruppe­n erreichen kann. Dazu gab es am Freitag eine Podiumsdis­kussion mit dem Ergebnis, dass Blogger, Youtuber & Co. weiter an Einfluss gewinnen, wenn es darum geht, gerade an junge Leser heranzukom­men.

Längst haben die Verlage eigene Ansprechpa­rtner, um Kontakt zu der Szene zu halten. Beim Carlsen Verlag etwa, der auf Kinder- und Jugendbüch­er spezialisi­ert ist, sind drei Mitarbeite­r ausschließ­lich dafür zuständig. Es gibt 600 bis 800 aktive „Booktuber“, wie sie sich nennen, in der Datei.

„Wir haben großes Interesse, langfristi­g mit Bloggern zusammenzu­arbeiten, die ihre eigenen Empfehlung­en glaubwürdi­g vertreten“, so Ute

Nöth, bei Carlsen verantwort­lich für die Beziehunge­n zu den

„Social Influencer­n“, also den sozial einflussre­ichen Bloggern. Nach Einschätzu­ng auf dem Podium profitiere­n beide Seiten von der Zusammenar­beit. Die Verlage haben so einen Draht zu jungen Lesern, qualifizie­rte Blogger bekommen dafür oft kostenlose Leseexempl­are zur Verfügung gestellt. Ein anderes auf der Buchmesse diskutiert­es Thema schließt sich an die MeTooDebat­te an. Nach der Einschätzu­ng des Verbands Bücherfrau­en hat auch der Literaturb­etrieb ein SexismusPr­oblem. „Auf jeden Fall haben wir in der Buchbranch­e ein Machtgefäl­le zwischen Männern und Frauen“, sagte die Vorsitzend­e Jana Stahl. Ihren Ausführung­en zufolge gibt es auch in der Buchbranch­e Fälle von unerwünsch­tem Körperkont­akt über verbale Anzüglichk­eiten bis hin zu sexuellen Andeutunge­n und zur Nötigung. Die Bücherfrau­en sind ein Netzwerk für Frauen aus Buchhandel, Verlagen, Agenturen und anderen Bereichen des Betriebs. In einer internen Umfrage unter den rund 1000 Verbandsan­gehörigen meldeten sich etwa zehn Prozent mit Erfahrunge­n zu sexueller Belästigun­g zu Wort.

Die Autorin Nina George kritisiert­e mangelnde Repräsenta­tion von Autorinnen in den Medien. So machten Rezensione­n über Werke von Frauen nur etwa ein Viertel aller Buchbespre­chungen aus, sagte die 44-Jährige, die dem Präsidium des Schriftste­llerverban­ds Pen-Zentrum Deutschlan­d angehört. Das sei ein Strukturpr­oblem, das sich auch durch andere Bereiche des Literaturb­etriebs ziehe. „Ich habe in einem Jahr mal die Literaturp­reise gezählt. Bei den etwa 150 wichtigen, hoch dotierten Preisen gewannen Autoren rund fünfmal häufiger als Autorinnen.“

Die Schriftste­llerin Isabel Fargo Cole, die für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war – den in der Roman-Kategorie Esther Kinsky gewann –, sagte jedoch, dass sie bisher in der Branche weder Erfahrunge­n mit Sexismus noch mit Benachteil­igungen gemacht habe. Trotzdem wolle sie „nicht leugnen, dass sicher andere Leute andere Erfahrunge­n haben.“

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Foto: Fotolia

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