Vermisst: Schaukastenbestücker
In einer Welt, in der Kriege nicht enden, Spione vergiftet, Strafzölle erhoben, der HSV und Köln fast aufgegeben und in Berlin Wackelstarts hingelegt werden, ist die Frage, wie es um die Schaukasten-Kultur bestellt ist, naturgemäß nachrangig. Aber interessant. Mit Schaukasten ist hier nicht der Fernseher gemeint. Sondern jene Vitrinen, die von Vereinen, Parteien, Kommunen, Gaststätten und Geschäften auf der Straße, im öffentlichen Raum, betrieben werden.
Zum Glück gelten für Schaukästen andere Intervalle der Aktualisierung als für Tweets auf Twitter. Da darf schon einmal Dauer hinter Glas sein und ein Aushang zart angilben, während im kleinen Schneewittchensarg eine tote Fliege mumifiziert. Doch fragt sich der Passant, der Schaukästen schätzt, ob es denn keine Schaukastenbestücker und Schaukastenbeauftragte mehr gibt. Da ist jener schöne Kasten der SPD, der seit Monaten leer steht – nur einige Reißzwecken, schief wie taumelnde Kreisel eingedrückt auf fleckigem Braun. Gibt es nichts mitzuteilen? Oder hat der Ortsverein Sorge, dass in diesen Zeiten, da die Partei ihr Spitzenpersonal in verwirrender Taktung rotieren, verschwinden und auftauchen lässt, schnell Ungültiges, Überholtes aushängt – und also besser nichts? Die CSU hingegen wünscht, wogegen nichts zu sagen ist, aus einem ihrer Zaun-Auftritte frohe Weihnachten – Mitte März. Die Vernachlässigung der Schaukästen wundert, gibt es doch andererseits noch immer genügend Plakatkleber in den Parteien. Glaubt man nicht mehr an das Medium Schaukasten? Das wäre fatal. Neulich wieder einmal in Murnau gewesen. Dort gibt es zentral eine lange Mauer, an der ein Dutzend Schaukästen dicht nebeneinander hängen. Von Alpenverein bis VdK. Keine Ausstellung von Magneten und Reißzwecken, sondern: bestückt wie ein guter Marktstand.