Das plant der neue Schulminister
Bernd Sibler hat an Bayerns Schulen ab sofort das Sagen. Wie er den Lehrermangel bekämpfen und Flüchtlingskinder integrieren will
Herr Sibler, bis Mittwoch war Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) ihr Chef. Jetzt ist er raus aus dem Kabinett und Sie sind Bayerns neuer Kultusminister. Hat Sie das selbst überrascht?
Bernd Sibler: Ich habe erst am Dienstagabend davon erfahren. Einige Anzeichen gab es vorher schon, ich habe gespürt, dass es etwas werden könnte. Als gelernter Lehrer ist das wirklich ein Traum für mich. Ich befasse mich ja als Abgeordneter seit 20 Jahren mit Bildungspolitik.
Ihr Vorgänger war nicht nur für Schulen, sondern auch für Wissenschaft und Kunst zuständig. Jetzt sind beide Ministerien getrennt. Ist das sinnvoll? Sibler: Im Grunde meines Herzens habe ich die Vorteile für ein vereinigtes Haus gespürt. Es gibt so viele Überschneidungspunkte zwischen den beiden Ministerien, etwa in der Lehrerausbildung an den Universitäten. Aber in der Summe ist es sinnvoll, die beiden Häuser zu trennen. Aufgrund der Vielzahl an Aufgaben ist es kaum möglich, jedem und allem gerecht zu werden. Die Menschen erwarten, dass man als Kultusminister an den Schulen ist und sich anhört, was Schüler, Lehrer und Eltern bewegt. Und dafür braucht man Zeit.
Heißt das, dass Spaenle als Minister für beide Bereiche dem Amt gar nicht gerecht werden konnte?
Sibler: Es ist der Ansatz jedes Kultusministers, möglichst viel und oft mit allen Beteiligten in Kontakt zu kommen. Aber es gibt faktisch nun einmal zeitliche Grenzen. Für einen Minister ist das einfach zu viel.
Anders als Spaenle haben Sie selbst als Gymnasiallehrer gearbeitet. Wie wichtig ist es für einen Kultusminister, dass er die Gegebenheiten an den Schulen aus eigener Erfahrung kennt? Sibler: Das halte ich für sehr, sehr wichtig. Ich kann mich gut in die Lehrer hineinversetzen und weiß, wie an den Schulen gearbeitet wird. Und: Ich habe nicht nur immer die Verbindung zu Lehrerkollegen gehalten, sondern alle Kontakte bis in den Kindergartenbereich hinein gepflegt – einfach, um zu wissen, welche Bedürfnisse es vor Ort in der Bildung und Erziehung unserer Kinder gibt. Außerdem kenne ich die Elternperspektive, meine beiden Söhne sind 13 und 17 Jahre alt.
Viele Menschen wissen noch nicht, wofür Sie stehen. Wofür also?
Sibler: Es gibt im Freistaat rund 155 000 Lehrer und knapp 1,7 Millionen Schüler. Mein Motto ist: Hinter jeder dieser Zahlen steht ein Gesicht, ein Individuum. Es wird eine zentrale Aufgabe von meiner Staats- sekretärin Carolina Trautner und mir sein, unsere Schulen zu besuchen und uns anzuhören, was die Menschen dort bewegt – und wir werden sicher auch manchmal erklären müssen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Denn: Wir haben in Bayern ein sehr gutes Bildungssystem. Die Basis stimmt. Trotzdem wollen wir immer besser werden.
Ein großes Problem ist die Unterrichtsversorgung an Grund- und Mittelschulen. Was sagen Sie Schulleitern, die jeden Tag jonglieren müssen, um den Stundenplan zu halten? Sibler: Dass wir uns kümmern, und zwar intensiv. Schon jetzt haben wir 300 Lehrer in einer Zweitqualifikation für diese Schularten ausgebildet, weitere 1300 sind gerade dabei. Mit dem bayerischen Bildungspaket werden wir zusätzlich 2000 Lehrerstellen in den nächsten Jahren schaffen. Außerdem, das kann ich jetzt schon sagen, möchten wir an den Universitäten die Kapazitäten für das Lehramt Grundschule dauerhaft erhöhen, sodass mehr Abiturienten diesen Studiengang wählen können.
Der Lehrerbedarf ist auch deshalb so hoch, weil 60 000 Schüler hier lernen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Eltern im Freistaat befürchten, dass ihre eigenen Kinder benachteiligt werden. Was sagen Sie diesen Eltern? Sibler: Ich kann die Furcht der Eltern verstehen. Aber wir tun viel dafür, um die Flüchtlingskinder zu integrieren und allen Schülern die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Wir haben in den vergangenen Jahren rund 2000 Lehrkräfte neu eingestellt, um diese Herausforderung zu meistern. Und man muss festhalten, dass zwei Drittel der jungen Menschen im berufsschulpflichtigen Alter sind und nicht in den allgemeinbildenden Schulen lernen.
Was wird Sie sonst noch beschäftigen? Sibler: Grundsätzlich ist mir wichtig, dass Schule nicht nur Wissen und Können vermittelt, sondern auch Herz und Charakter bildet und Werte lebt. Das hilft jungen Menschen im Zeitalter von Fake News und Stimmungsmache. Lehrer sind Vorbilder, das wollen wir ihnen schon in der Ausbildung vermitteln. Neben Demokratiebildung ist die Digitalisierung für mich ein wichtiges Thema. Und natürlich steht die Gymnasialreform auf meiner Agenda. Wir sind hier auf einem guten Weg.
Bernd Sibler, 47, war seit 2013 Staatssekretär im Kultusministerium. Der ge bürtige Straubinger ist ver heiratet und hat zwei Söhne.