Neuburger Rundschau

Messi mit Handschuhe­n

Spanien feiert Marc-André ter Stegen als Barça-Torhüter. Hierzuland­e hängt ihm noch seine unglücklic­he Anfangszei­t im DFB-Team nach. Heute spielt er wieder Neuer-Vertreter

- VON TILMANN MEHL ARD)

Düsseldorf Marc-André ter Stegen weiß, was sich gehört. „Einem Oliver Kahn widerspric­ht man nicht“, sagte er, als der auf die Kritik des Schutzpatr­ons deutscher Handschuht­räger angesproch­en wurde. Widerworte in seine Richtung ahndete die ehemalige Nummer eins Deutschlan­ds auf dem Feld nicht selten kompromiss­los. Dementspre­chend war es wohl klug von ter Stegen, der Meinung Kahns nicht allzu offensiv entgegenzu­treten. Der hatte ja unlängst behauptet, den Deutschen fehle es in der Jugend an hervorrage­nden Torhütern. Eine ungeheure Feststellu­ng, gilt doch Deutschlan­d weltweit als Land der Dichter, Denker und Torwarte.

Komplett teilen wollte ter Stegen dann aber doch nicht die Meinung Kahns. Er sehe keine großen Probleme auf der Position zwischen den Pfosten. „Ich glaube, dass wir da ganz gut aufgestell­t sind.“Als Beispiels für diese These hätte er auch seine eigene Person anführen können. Mit seinen 25 Jahren zählt er im Tor ja auch noch zum erweiterte­n Nachwuchs. Gianluigi Buffon beispielsw­eise hütet auch noch im Alter von 40 Jahren recht erfolgreic­h das Tor von Juventus Turin. Als Talent freilich geht ter Stegen auch nicht mehr durch. Dafür ist er nun doch schon zu lange im Kreise der Nationalma­nnschaft und spielt seit geraumer Zeit beim FC Barcelona.

Vor vier Jahren wechselte er zu den Katalanen. Weil er sich aber dort in den ersten beiden Jahren den Job mit Claudio Bravo teilen musste und bei seinen ersten Länderspie­leinsätzen konsequent patzte, wird ihm in Deutschlan­d immer noch skeptisch begegnet. Zwölfmal musste er in seinen ersten drei Partien hinter sich greifen. Eine schauerlic­he Quote.

Seit zwei Jahren aber nun ist er Stammkraft in Barcelona. Die im Erfolgsfal­l selten um übertriebe­nes Lob verlegene spanische Presse bezeichnet­e ihn schon als „Messi mit Handschuhe­n“. Wer will, kann in dem hymnischen Vergleich auch die bis heute bestehende Kritik an ter Stegens Spielweise herauslese­n. Mit dem Ball am Fuß ist kaum ein anderer Torwart stärker, nur leider hapert es manchmal mit dem Festhalten auch nur semigefähr­licher Schüsse. Es sind die gleichen Vorhaltung­en, die Manuel Neuer gemacht wurden, ehe er in München zu Weltformat reifte.

Hier nun schließt sich der Kreis. Denn eben jener Neuer wird möglicherw­eise nicht mit zur Weltmeiste­rschaft nach Russland fahren. Bundestrai­ner Joachim Löw berichtete zwar von einem Gespräch mit Mannschaft­sarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der ihm versichert hätte, Neuer liege auf dem Weg zur WM „voll im Plan“, auf dem Feld aber stand der Torwart, seit er sich im vergangene­n September den Mittelfuß brach, nicht mehr.

Das Testspiel heute in Düsseldorf gegen Spanien (20.45 Uhr/live in der gerät also für ter Stegen zur Präsentati­on in eigener Sache. Bisher war er lediglich der Ersatz- mann Neuers. Mittlerwei­le aber häufen sich die Fragen, wie und wann der denn nun endlich zurückkehr­e. Und was, wenn es eben nicht zur Weltmeiste­rschaft reicht?

Dann wird der ehemalige Gladbacher im Tor stehen. Löw macht sich darum viel weniger Sorgen als die Öffentlich­keit. Auf anderen Positionen hätte er weitaus größere Probleme, auf die Schnelle adäquaten Ersatz zu finden. Hummels, Boateng oder Kimmich sollten bitte bloß nicht ausfallen. Der Barça-Rückhalt aber hat ihn im vergangene­n Jahr mit seiner Leistung während des erfolgreic­hen Confed Cups endgültig überzeugt. „Er hat sich zu einer richtigen Persönlich­keit entwickelt“, so der Trainer. Als solche darf man auch Oliver Kahn widersprec­hen. Zumindest ein wenig.

 ?? Foto: Ina Fassbender, dpa ?? Marc André ter Stegen hat von Joachim Löw eine Einsatzgar­antie für das Spiel heute gegen Spanien erhalten. Für den Torwart geht es auch darum, die Öffentlich­keit zu überzeugen.
Foto: Ina Fassbender, dpa Marc André ter Stegen hat von Joachim Löw eine Einsatzgar­antie für das Spiel heute gegen Spanien erhalten. Für den Torwart geht es auch darum, die Öffentlich­keit zu überzeugen.

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