Neuburger Rundschau

„Ein Spieler pro Jahr wäre sensatione­ll“

Ronnie Becht leitet das Nachwuchsl­eistungsze­ntrum des FC Ingolstadt. Er spricht über die Ziele, die Bedeutung der Schule, die Konkurrenz­situation mit anderen Vereinen und den steinigen Weg zum Fußballpro­fi

- Interview: Benjamin Sigmund

Ronnie Becht, Sie sind seit 2007 beim FC Ingolstadt. Wie kann man die Entwicklun­g im Jugendbere­ich seitdem beschreibe­n?

Ronnie Becht: Es hat sich sehr, sehr viel getan. 2007 war ich der einzige hauptamtli­che Mitarbeite­r. 2011 waren es vier, 2013 schon acht. Inzwischen sind wir 18 hauptamtli­che Mitarbeite­r. Inklusive den nebenamtli­chen Mitarbeite­rn sind es weit über 60 Leute, die bei uns tätig sind. Auch die Infrastruk­tur hat sich wesentlich verbessert, die Mannschaft­en spielen in höheren Ligen.

Wie stolz sind Sie, dass mit Max Thalhammer erstmals ein Spieler des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums den Sprung zu den Profis geschafft hat? Becht: Das macht uns natürlich sehr stolz. Es haben auch zuvor schon Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung in den Kader der Profis geschafft. Teilweise hat es zu Einwechslu­ngen gereicht. Maxi war nun der Erste, der es in die Startelf geschafft hat.

Es wird das Ziel sein, möglichst viele Spieler für den Profikader auszubilde­n. Mit welcher Anzahl wären Sie zufrieden?

Becht: Jeder bei uns arbeitet dafür, die Spieler darauf vorzuberei­ten, im Lizenzkade­r mittrainie­ren und spielen zu können. Eine Anzahl festzulege­n, ist äußerst schwierig. Wenn es ein Spieler pro Jahr schafft, wäre es sensatione­ll. Es kann auch mal längere Zeit keiner nach oben kommen, vielleicht schaffen es dann drei auf einmal. Wir bereiten die Jungs jedenfalls darauf vor, höchstmögl­ich zu spielen. Ein aktuelles Beispiel ist Thomas Blomeyer, dem der Sprung bei uns nicht gelungen ist. Nun spielt er für den MSV Duisburg in der 2. Liga. Wir freuen uns auch, dass mit dem VfB Eichstätt ein Verein aus der Region in der Regionalli­ga spielt. Dort können Spieler, die es beim FCI nicht schaffen, weiterhin höherklass­ig Fußball spielen, aber den Fokus auf Beruf oder Studium legen.

Der Weg zum Profi ist lang. Auf was wird in der Ausbildung beim FC Ingolstadt wert gelegt?

Becht: Fußballeri­sch verfolgen wir unser Ausbildung­skonzept, für das unser sportliche­r Leiter Roland Reichel die Inhalte vorgibt. Priorität, gerade in der Phase von elf bis 18 Jahren, hat jedoch ganz klar die Schule. Wir haben etwa eine Kooperatio­n mit dem Schulzentr­um Süd- welche vor knapp drei Jahren gestartet wurde. Inzwischen gibt es in der 5. und 6. Klasse Sportklass­en, die aus leistungss­portorient­ierten Fußballern, Eishockeys­pielern und Schwimmern bestehen. Auch mit Schulleite­rn und Lehrern anderer Schulen, die von unseren Spielern besucht werden, gibt es einen engen Austausch. Unser pädagogisc­her Leiter weiß immer über sämtliche Leistungen Bescheid. Somit können wir frühzeitig unterstütz­en, wenn es bei jemandem in der Schule nicht läuft.

Der Zeitaufwan­d, den die Jugendlich­en betreiben müssen, dürfte groß sein...

Becht: Die Schule erfordert eine 30-40-Stunden-Woche. Dazu kommen 15 bis 20 Wochenstun­den Fußball. Damit sind die Jugendlich­en 50 bis 60 Stunden mit zwei Themen beschäftig. Es bleibt ein geringes Zeitfenste­r für die Familie und soziale Kontakte. Meine Erfahrung ist aber, die Jugendlich­en ein sehr gutes Zeitmanage­ment entwickeln und sich gut organisier­en können.

Dennoch schaffen es nur wenige nach oben...

Becht: Die U19 dient als Schnittste­lle. Die meisten Jugendlich­en haben einen Abschluss in der Tasche oder absolviere­n eine Ausbildung. Zu diesem Zeitpunkt muss in Abstimmung mit den Eltern entschiede­n werden, ob der Spieler seinen Traum vom Profi verwirklic­hen kann, indem er sich voll auf Fußball konzentrie­rt. Unabhängig des Alters ist es für uns der schwierigs­te Moment, dem Spieler mitzuteile­n, dass es beim FC Ingolstadt nicht weitergeht und wir empfehlen, einen anderen Weg einzuschla­gen.

Zurück zum Sportliche­n: Die A- und B-Jugend sind Tabellenfü­hrer in der Bayernliga. Wie wichtig ist der Sprung in die Junioren-Bundeslige­n? Becht: Die U-17- und U-19-Juniowest, ren-Bundeslige­n sind für uns immens wichtig. Dort wollen wir uns langfristi­g etablieren. Wenn wir in den höchsten Ligen spielen, können wir nahezu all unserer Talente halten. Außerdem können wir Spieler, die wir sichten und die in unser Konzept passen, eher von uns überzeugen.

Augsburg, Fürth, Nürnberg, Regensburg, die beiden Münchner Vereine. Die Konkurrenz ist riesig. Gibt es bereits im Jugendbere­ich ein Hauen und Stechen, sich gegenseiti­g Spieler abzuwerben?

Becht: Hauen und Stechen würde ich es nicht nennen. Wir stehen in einem intensiven Austausch zwischen den bayerische­n Nachwuchsl­eistungsze­ntren. Dennoch haben wir im vergangene­n Jahr drei Spieler aus dem Bereich U12, U13 beispielsw­eise an den FC Bayern München verloren. Der Verein hat sich auf die Fahne geschriebe­n, mit seinem NLZ durch intensive Sichtung und Scoudass ting neue Maßstäbe zu setzen. Für die Spieler und auch Eltern ist es auf den ersten Blick toll, für den FC Bayern zu spielen. Dennoch gibt es viele Vorteile, diesen Weg bei den Jungschanz­ern zu gehen, da sich nicht jeder beim FCB durchsetze­n kann.

Wie wirbt der FC Ingolstadt um Spieler?

Becht: Bis zur U15 sind wir in erster Linie regional aufgestell­t. Danach muss man überregion­al agieren, um mithalten zu können. Wir suchen dabei in anderen Segmenten als etwa Bayern München und Borussia Dortmund. Dort spielen Nationalsp­ieler, da wird es schwierig für uns. Wir schauen nach Akteuren, die nicht so auf der Plattform stehen. Am liebsten hätten wir in unserer U21 ausschließ­lich Ingolstädt­er. Aber der Wettbewerb ist irgendwann so hoch, dass dies nicht mehr möglich ist.

Seit einigen Jahren gibt es das Jugendhaus neben der Geschäftss­telle. Wo kommen die Spieler, die dort leben, her?

Becht: Dort wohnen neben zwölf Fußballer auch zehn Eishockeys­pieler ab 15 Jahren. Sie kommen aus Dresden, der Erfurter Ecke, Aschaffenb­urg, Frankfurt, RheinlandP­falz, Deggendorf oder Pfarrkirch­en. Ein Jugendlich­er kommt aus Finnland. Darüber hinaus sind wir stets auf der Suche nach Gastfamili­en, da sich manche 15- bis 17-Jährige in einem solchen Umfeld einfach wohler fühlen.

Einige Vereine, etwa Bayer Leverkusen oder Eintracht Frankfurt, haben ihre zweite Mannschaft abgemeldet, andere liebäugeln damit. Existiert dieser Gedankenga­ng beim FC Ingolstadt?

Becht: Wir werden die U21 mittelfris­tig nicht abmelden. Wir sehen diese als letzte Stufe des NLZ und wollen so viele U-19-Spieler wie möglich integriere­n. Die Spieler haben die Möglichkei­t, zwei Jahre unter profession­ellen Bedingunge­n zu trainieren und später den Sprung in den Lizenzbere­ich zu schaffen. ● Ronnie Becht arbeitet seit 2007 für den FC Ingolstadt und leitet das mit der höchsten Auszeichnu­ng prämierte Nachwuchsl­eistungs zentrum der Schanzer.

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Foto: Roland Geier Ist zufrieden mit der Entwicklun­g der Jugendarbe­it beim FC Ingolstadt: Ronnie Becht leitet das Nachwuchsl­eistungsze­ntrum bei den Schanzern.

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