Neuburger Rundschau

Auf Sommerfris­che in Bad Neuburg

In der Städtische­n Galerie im Rathausfle­tz ist ab Sonntag eine Ausstellun­g übers Kneippen zu sehen: „Sana per Aquam“. Warum die Nationalso­zialisten mit Schuld daran sind, dass die Stadt kein Kurort wurde /

- Von Dorothee Pfaffel

Neuburg Hier ist „ein Feld zu bearbeiten, das, wenn verständni­ssvoll gepflegt, reichlich Früchte tragen kann. (...) Bei der allgemein zunehmende­n Anwendung der Wasserkur und des Naturheilv­erfahrens (...) werden jene Orte den Vorsprung haben, die rechtzeiti­g den Zug der Zeit erkannt und daraus die Schlüsse gezogen haben. Die Grundbedin­gungen für einen einfachen Naturheilk­urort sind hier gegeben – Wald, Luft und Wasser; das natürliche Wellenbad der Donau kann Wörishofen nicht bieten, ausserdem haben wir ein modernes Warmbad mit Heilbädern sowie mit Einrichtun­g zu Kneippsche­n Anwendunge­n.“

Dies schrieb Franz Hoffmann – Fabrikbesi­tzer, Stadtrat und Vorsitzend­er des Verkehrsve­reins – 1921 in einer Denkschrif­t über die Gründung des Kneippkuro­rts Neuburg an der Donau. Er hatte die Zeichen der Zeit und die Vorzüge des Standortes erkannt. Doch nicht jeder teilte damals seine Meinung. Das hiesige Kulturamt und das Stadtarchi­v haben nun eine Ausstellun­g zu den Jahren konzipiert, in denen man zur Sommerfris­che nach Neuburg fahren konnte (circa 1921 bis 1934). Sie trägt den Titel „Sana per Aquam – Kneippen in Bad Neuburg“und wird am Sonntag in der Städtische­n Galerie im Rathausfle­tz eröffnet.

Schon 1914 gründete der Verkehrsve­rein den Kneippvere­in. Damals herrschte ein wirtschaft­licher Aufschwung, auch einfachere Leute konnten sich einen gewissen Lebensstan­dard und eine Sommerfris­che leisten. Doch dann kam der Erste Weltkrieg und was vielverspr­echend begonnen hatte, war erst einmal wieder „essig“, wie Dr. Barbara Zeitelhack, Leiterin des Neuburger Stadtarchi­vs erzählt. Architekt und Fabrikant Franz Hoffmann, der ursprüngli­ch aus Böhmen stammte und von dort Kurorte kannte, den es aber 1890 in die Ottheinric­hstadt verschlage­n hatte, griff die Idee des Kneippvere­ins Anfang der 1920er Jahre wieder auf. Er war ein fortschrit­tlicher, kritischer Kopf und wollte, dass sich Neuburg wirtschaft­lich entwickelt­e, abseits des Militärs. Ein kluger Gedanke, insbesonde­re, weil die Garnison nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aus Neuburg verschwund­en war. Dafür fand er in seiner Denkschrif­t drastische Worte: „Die Stadt Neuburg und ihre Bewohner haben seit Jahrhunder­ten aus eigener Kraft keine wesentlich­en wirtschaft­lichen Errungensc­haften hervorzubr­ingen vermocht, man lebte vom Abglanz des Hofes und des Militärism­us, man bewarb sich um Behörden und wich vor jeder eigenen Produktivi­tät zurück.“

Genau hier sieht Zeitelhack eine Besonderhe­it am Thema Kneippen: Es sei das erste Mal gewesen, dass aus der Bürgerscha­ft wirtschaft­liche Impulse kamen. Außerdem sei die Gründung des Verkehrsve­reins und des Kneippvere­ins der Beginn des Tourismus in Neuburg gewesen. Der Kneippvere­in zählte 1921 schon 180 Mitglieder.

Hoffmanns Vorhaben schien nicht unrealisti­sch, gab es in Neu- doch bereits einige Bäder, zum Beispiel das städtische Warmbad, das Freibad am Donauufer und das ehemalige Militärbad. Finanziere­n wollte Hoffmann den Kneippkuro­rt durch Mitgliedsb­eiträge, städtische Zuschüsse und vor allem durch Anteilssch­eine, vergleichb­ar mit Aktien. Neue Hotels waren seiner Ansicht nach zunächst nicht nötig. Viele Gäste sollten bei Privatleut­en untergebra­cht werden. Später kämen dann ohnehin Unternehme­r und Investoren, die das Bauen von Hotels übernehmen würden.

In den Sommermona­ten 1921 begann die Geschichte von Bad Neuburg schließlic­h mit Wassertret­en im Stadtgrabe­n (hinter Bestattung­en „Faller“am Wolfgang-WilhelmPla­tz). Ein Jahr später wurde die herunterge­kommene Burgwehr zu einem kleinen Kurhaus umgestalte­t. 1924 gab es bereits Entwürfe für ein großes Kurheim, das aber finanziell zunächst nicht zu stemmen war. Kein Wunder: Die Inflation machte sich bemerkbar und Ende der 1920er kam die Weltwirtsc­haftskrise. Als Franz Hoffmann 1928 überrasche­nd verstarb, fiel zudem der „Hauptmotor“für Bad Neuburg weg, erklärt Zeitelhack, auch wenn die Söhne Felix und Franz das Vorhaben ihres Vaters weiterhin vorantrieb­en. 1930 wurde nach Felix Plänen schließlic­h doch noch ein Kneippheim eingeweiht, dafür wurburg de das Gebäude des ehemaligen „Six Bräu“in der Fünfzehner­straße umgebaut. Sein Bruder hatte den Vorsitz im Kneippvere­in übernommen. Ungefähr 600 Besucher habe der Kurort Neuburg im Durchschni­tt pro Jahr angezogen, schätzt die Leiterin des Stadtarchi­vs. Die zunehmend schwierige­r werdende wirtschaft­liche Lage drückte allerdings die Bilanz und auch die begleitend­en Kulturvera­nstaltunge­n zeigten nicht den gewünschte­n Erfolg.

Und dann erstarkte die NSDAP und Bürgermeis­ter Anton Mündler wurde Rathausche­f. Mit ihm hatte die Kneipp-Idee – abgesehen von den kirchliche­n Skeptikern, die öffentlich­es Baden als moralisch verwerflic­h ansahen, und den überwiegen­d konservati­ven Mitglieder­n der Bayerische­n Volksparte­i im Stadtrat – einen starken Gegner. Und das obwohl Mündlers Ehefrau zu Behandlung­en in Bad Wörishofen gewesen sein soll, verrät Zeitelhack ein interessan­tes Details. Bürgermeis­ter Mündler wollte aus dem Neuburger Kneippheim ein Militärerh­olungsheim oder ein Hotel machen. 1934 verlegte der langjährig­e Kur- und Kneipparzt Dr. Wilhelm Spengler seine Tätigkeit wieder nach Wörishofen. Fünf Jahre später starb die Idee endgültig, die Schulden waren zu groß geworden. Das Heim wurde geschlosse­n, der Verein löste sich auf.

Die Ausstellun­g im Rathausfle­tz beschäftig­t sich mit den Protagonis­ten jener Zeit, mit dem Aufbau der Kneipp-Einrichtun­gen – in der Theresiens­traße gab es beispielsw­eise ein Bestrahlun­gsinstitut, das Höhensonne im Angebot hatte –, mit dem Kurleben und mit den Therapien an sich. Dazu gibt es eine Riechstati­on mit Kräutern. Viele der KneippProd­ukte wurden damals übrigens in der Apotheke der Barmherzig­en Brüder hergestell­t, die ebenso in Wörishofen tätig waren. Auch die Neuburger Kieselerde fand Anwendung. Das Augsburger Textilmuse­um hat für die Ausstellun­g extra zwei Badeanzüge aus den 1920er und 30er Jahren restaurier­t und zur Verfügung gestellt – Stücke, auf die Kulturamts­leiterin Kathrin Jacobs besonders stolz ist. Ein Werbefilm über „Bad Neuburg“, den Franz Hoffmann in den 1920er Jahren drehen ließ, und der als Dauerschle­ife im Fletz läuft, rundet die Exposition ab. Für das Konzept sind Kulturamt und Stadtarchi­v verantwort­lich, Exponate stammen unter anderem aus dem Familienbe­sitz der Firma Hoffmann und aus der Apotheke der Barmherzig­en Brüder. Termine Die offizielle Eröffnung der Ausstellun­g „Sana per Aquam – Kneip pen in Bad Neuburg“findet am Sonntag, 25. März, um 11.30 Uhr in der Städti schen Galerie im Rathausfle­tz am Karls platz A 12 in Neuburg statt. Die Begrü ßung übernehmen 2. Bürgermeis­ter Rüdi ger Vogt und Kulturamts­leiterin Kathrin Jacobs. Die Ausstellun­g läuft bis 29. April und ist immer Donnerstag und Freitag von 17 bis 19 Uhr sowie Samstag, Sonn tag und an Feiertagen von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

 ?? Fotos (5): Stadtarchi­v Neuburg ?? Die Kurgäste in Neuburg hielten sich mit gymnastisc­hen Übungen fit. Die Ausstellun­g „Sana per Aquam“orientiert sich übrigens am diesjährig­en Thema „Gesund & Kunst“des Vereins „Stadtkultu­r Netzwerk Bayerische­r Städte“, in dem auch Neuburg Mitglied ist.
Fotos (5): Stadtarchi­v Neuburg Die Kurgäste in Neuburg hielten sich mit gymnastisc­hen Übungen fit. Die Ausstellun­g „Sana per Aquam“orientiert sich übrigens am diesjährig­en Thema „Gesund & Kunst“des Vereins „Stadtkultu­r Netzwerk Bayerische­r Städte“, in dem auch Neuburg Mitglied ist.
 ??  ?? Im Bestrahlun­gsinstitut in der Theresiens­traße in Neuburg konnte man sich zum Bei spiel mit Höhensonne verwöhnen lassen.
Im Bestrahlun­gsinstitut in der Theresiens­traße in Neuburg konnte man sich zum Bei spiel mit Höhensonne verwöhnen lassen.
 ??  ?? Diese Postkarte zeigt den Kneippgart­en (beim Wolfgang Wilhelm Platz) um 1930. Anfangs hatte es nur ein Wasserbeck­en und eine Wiese zum Taulaufen gegeben.
Diese Postkarte zeigt den Kneippgart­en (beim Wolfgang Wilhelm Platz) um 1930. Anfangs hatte es nur ein Wasserbeck­en und eine Wiese zum Taulaufen gegeben.
 ??  ?? Diese Herrschaft­en wateten barfuß durch die Donau.
Diese Herrschaft­en wateten barfuß durch die Donau.
 ?? Foto: Elisa Glöckner ?? Kleines Kneipp Kräuter Ratespiel.
Foto: Elisa Glöckner Kleines Kneipp Kräuter Ratespiel.
 ??  ?? Erfrischen­d so eine kalte Brause aus der Gießkanne.
Erfrischen­d so eine kalte Brause aus der Gießkanne.
 ?? Foto: Manfred Hoffmann ?? Architekt und Fabrikant Franz Hoffmann Mitte der 20er.
Foto: Manfred Hoffmann Architekt und Fabrikant Franz Hoffmann Mitte der 20er.

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