Auf Sommerfrische in Bad Neuburg
In der Städtischen Galerie im Rathausfletz ist ab Sonntag eine Ausstellung übers Kneippen zu sehen: „Sana per Aquam“. Warum die Nationalsozialisten mit Schuld daran sind, dass die Stadt kein Kurort wurde /
Neuburg Hier ist „ein Feld zu bearbeiten, das, wenn verständnissvoll gepflegt, reichlich Früchte tragen kann. (...) Bei der allgemein zunehmenden Anwendung der Wasserkur und des Naturheilverfahrens (...) werden jene Orte den Vorsprung haben, die rechtzeitig den Zug der Zeit erkannt und daraus die Schlüsse gezogen haben. Die Grundbedingungen für einen einfachen Naturheilkurort sind hier gegeben – Wald, Luft und Wasser; das natürliche Wellenbad der Donau kann Wörishofen nicht bieten, ausserdem haben wir ein modernes Warmbad mit Heilbädern sowie mit Einrichtung zu Kneippschen Anwendungen.“
Dies schrieb Franz Hoffmann – Fabrikbesitzer, Stadtrat und Vorsitzender des Verkehrsvereins – 1921 in einer Denkschrift über die Gründung des Kneippkurorts Neuburg an der Donau. Er hatte die Zeichen der Zeit und die Vorzüge des Standortes erkannt. Doch nicht jeder teilte damals seine Meinung. Das hiesige Kulturamt und das Stadtarchiv haben nun eine Ausstellung zu den Jahren konzipiert, in denen man zur Sommerfrische nach Neuburg fahren konnte (circa 1921 bis 1934). Sie trägt den Titel „Sana per Aquam – Kneippen in Bad Neuburg“und wird am Sonntag in der Städtischen Galerie im Rathausfletz eröffnet.
Schon 1914 gründete der Verkehrsverein den Kneippverein. Damals herrschte ein wirtschaftlicher Aufschwung, auch einfachere Leute konnten sich einen gewissen Lebensstandard und eine Sommerfrische leisten. Doch dann kam der Erste Weltkrieg und was vielversprechend begonnen hatte, war erst einmal wieder „essig“, wie Dr. Barbara Zeitelhack, Leiterin des Neuburger Stadtarchivs erzählt. Architekt und Fabrikant Franz Hoffmann, der ursprünglich aus Böhmen stammte und von dort Kurorte kannte, den es aber 1890 in die Ottheinrichstadt verschlagen hatte, griff die Idee des Kneippvereins Anfang der 1920er Jahre wieder auf. Er war ein fortschrittlicher, kritischer Kopf und wollte, dass sich Neuburg wirtschaftlich entwickelte, abseits des Militärs. Ein kluger Gedanke, insbesondere, weil die Garnison nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aus Neuburg verschwunden war. Dafür fand er in seiner Denkschrift drastische Worte: „Die Stadt Neuburg und ihre Bewohner haben seit Jahrhunderten aus eigener Kraft keine wesentlichen wirtschaftlichen Errungenschaften hervorzubringen vermocht, man lebte vom Abglanz des Hofes und des Militärismus, man bewarb sich um Behörden und wich vor jeder eigenen Produktivität zurück.“
Genau hier sieht Zeitelhack eine Besonderheit am Thema Kneippen: Es sei das erste Mal gewesen, dass aus der Bürgerschaft wirtschaftliche Impulse kamen. Außerdem sei die Gründung des Verkehrsvereins und des Kneippvereins der Beginn des Tourismus in Neuburg gewesen. Der Kneippverein zählte 1921 schon 180 Mitglieder.
Hoffmanns Vorhaben schien nicht unrealistisch, gab es in Neu- doch bereits einige Bäder, zum Beispiel das städtische Warmbad, das Freibad am Donauufer und das ehemalige Militärbad. Finanzieren wollte Hoffmann den Kneippkurort durch Mitgliedsbeiträge, städtische Zuschüsse und vor allem durch Anteilsscheine, vergleichbar mit Aktien. Neue Hotels waren seiner Ansicht nach zunächst nicht nötig. Viele Gäste sollten bei Privatleuten untergebracht werden. Später kämen dann ohnehin Unternehmer und Investoren, die das Bauen von Hotels übernehmen würden.
In den Sommermonaten 1921 begann die Geschichte von Bad Neuburg schließlich mit Wassertreten im Stadtgraben (hinter Bestattungen „Faller“am Wolfgang-WilhelmPlatz). Ein Jahr später wurde die heruntergekommene Burgwehr zu einem kleinen Kurhaus umgestaltet. 1924 gab es bereits Entwürfe für ein großes Kurheim, das aber finanziell zunächst nicht zu stemmen war. Kein Wunder: Die Inflation machte sich bemerkbar und Ende der 1920er kam die Weltwirtschaftskrise. Als Franz Hoffmann 1928 überraschend verstarb, fiel zudem der „Hauptmotor“für Bad Neuburg weg, erklärt Zeitelhack, auch wenn die Söhne Felix und Franz das Vorhaben ihres Vaters weiterhin vorantrieben. 1930 wurde nach Felix Plänen schließlich doch noch ein Kneippheim eingeweiht, dafür wurburg de das Gebäude des ehemaligen „Six Bräu“in der Fünfzehnerstraße umgebaut. Sein Bruder hatte den Vorsitz im Kneippverein übernommen. Ungefähr 600 Besucher habe der Kurort Neuburg im Durchschnitt pro Jahr angezogen, schätzt die Leiterin des Stadtarchivs. Die zunehmend schwieriger werdende wirtschaftliche Lage drückte allerdings die Bilanz und auch die begleitenden Kulturveranstaltungen zeigten nicht den gewünschten Erfolg.
Und dann erstarkte die NSDAP und Bürgermeister Anton Mündler wurde Rathauschef. Mit ihm hatte die Kneipp-Idee – abgesehen von den kirchlichen Skeptikern, die öffentliches Baden als moralisch verwerflich ansahen, und den überwiegend konservativen Mitgliedern der Bayerischen Volkspartei im Stadtrat – einen starken Gegner. Und das obwohl Mündlers Ehefrau zu Behandlungen in Bad Wörishofen gewesen sein soll, verrät Zeitelhack ein interessantes Details. Bürgermeister Mündler wollte aus dem Neuburger Kneippheim ein Militärerholungsheim oder ein Hotel machen. 1934 verlegte der langjährige Kur- und Kneipparzt Dr. Wilhelm Spengler seine Tätigkeit wieder nach Wörishofen. Fünf Jahre später starb die Idee endgültig, die Schulden waren zu groß geworden. Das Heim wurde geschlossen, der Verein löste sich auf.
Die Ausstellung im Rathausfletz beschäftigt sich mit den Protagonisten jener Zeit, mit dem Aufbau der Kneipp-Einrichtungen – in der Theresienstraße gab es beispielsweise ein Bestrahlungsinstitut, das Höhensonne im Angebot hatte –, mit dem Kurleben und mit den Therapien an sich. Dazu gibt es eine Riechstation mit Kräutern. Viele der KneippProdukte wurden damals übrigens in der Apotheke der Barmherzigen Brüder hergestellt, die ebenso in Wörishofen tätig waren. Auch die Neuburger Kieselerde fand Anwendung. Das Augsburger Textilmuseum hat für die Ausstellung extra zwei Badeanzüge aus den 1920er und 30er Jahren restauriert und zur Verfügung gestellt – Stücke, auf die Kulturamtsleiterin Kathrin Jacobs besonders stolz ist. Ein Werbefilm über „Bad Neuburg“, den Franz Hoffmann in den 1920er Jahren drehen ließ, und der als Dauerschleife im Fletz läuft, rundet die Exposition ab. Für das Konzept sind Kulturamt und Stadtarchiv verantwortlich, Exponate stammen unter anderem aus dem Familienbesitz der Firma Hoffmann und aus der Apotheke der Barmherzigen Brüder. Termine Die offizielle Eröffnung der Ausstellung „Sana per Aquam – Kneip pen in Bad Neuburg“findet am Sonntag, 25. März, um 11.30 Uhr in der Städti schen Galerie im Rathausfletz am Karls platz A 12 in Neuburg statt. Die Begrü ßung übernehmen 2. Bürgermeister Rüdi ger Vogt und Kulturamtsleiterin Kathrin Jacobs. Die Ausstellung läuft bis 29. April und ist immer Donnerstag und Freitag von 17 bis 19 Uhr sowie Samstag, Sonn tag und an Feiertagen von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.