Ein Sympathievogel
Ein wissenschaftlich begleitetes Auswilderungsprojekt untersucht die Chancen für die Wiederansiedlung des Birkhuhns. Die Art steht in Bayern auf der Roten Liste ganz oben
Ein wissenschaftlich begleitetes Auswilderungsprojekt untersucht die Chancen für die Wiederansiedlung des Birkhuhns im Donaumoos. »
Karlshuld Kleinhohenried Manchmal, erzählt Johann Wild, sitzt der Hahn einfach auf dem Dach des Hochsitzes am Wisentgehege. „Das ist sein Ausguck, da hat der den idealen Überblick.“Birkhühner suchen eigentlich nicht die unmittelbare Nähe des Menschen, ganz im Gegenteil. Doch das ausgewilderte Pärchen ist dem Haus im Moos treu geblieben. Das rund 150 Hektar große Außenareal gleicht wieder einer typischen, extensiv bewirtschafteten Mooslandschaft. Nach historischen Quellen war das Birkwild noch Anfang des 20. Jahrhunderts im ganzen Donaumoos heimisch, Johann Wild weiß von letzten Sichtungen Ende der 50er Jahre. Einst war das Donaumoos ein Paradies für diese Hühnervögel, das Moor war ein idealer Lebensraum. Doch mit der Entwässerung, der einhergehenden Intensivierung der Landwirtschaft und dem steigenden Siedlungsdruck ging der Lebensraum verloren. Der DonaumoosZweckverband möchte mit einem Auswilderungsprogramm diese landschaftstypische Art nun wieder heimisch machen. Der Veterinär Florian Tyroller begleitet das Birkwildprojekt wissenschaftlich. Er promoviert an der Ludwig-MaximiliansUniversität München über Möglichkeiten und Sinn einer Auswilderung. Fünf Vögel wurden am Mittwoch zu diesem Zweck mit Telemetriesendern ausgestattet, um sie im Gelände zu orten. „Damit können wir uns ein Bild machen, wohin die Tiere wandern“, erklärt DZV-Projekbetreuer Michael Hafner.
Hans Wild aus Karlshuld ist Jäger und Züchter und für das Wohl von Hähnen und Hennen in der Aufzuchtstation zuständig, die der DZV mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde Karlshuld 2013 samt einer 400 Quadratmeter großer Auswilderungsvoliere unweit des Wisentgeheges errichtet hat. In das mit einem Elektrozaun gegen Beutegreifer gesicherte Gehege kommen die Federtiere für die nächsten beiden Wochen, ehe Johann Wild ein Stück Zaun öffnet, damit die Birkhühner hinaus ins Donaumoos fliegen.
Doch zunächst mussten gestern er, Florian Tyroller und Torsten Kirchner die Sender „scharf“machen. Der Diplombiologe ist Gebietsbetreuer der Wildlandstiftung im Naturschutzgebiet „Lange Rhön“und Experte für Birkwild. Im äußersten Norden Bayerns existiert eines der letzten, außeralpinen Vorkommen in Deutschland. Rund 25 bis 30 Vögel haben sich dort gehalten, Zukunft ungewiss. Eine überlebensfähige Population sollte mindesten 100 Individuen umfassen, schätzt Kirchner. „In Deutschland gibt es zwei oder drei Leute, die Erfahrung mit dem Besendern von Birkhühnern haben“, ist Michael Hafner froh über Kirchners Hilfe. Der Versuch bedarf eines Experten und einer tierschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung der Regierung von Oberbayern. Rein juristisch handle es sich bei der Besenderung nämlich um einen Tierversuch, erklärt Hafner.
In den vergangenen fünf Jahren gab es bereits Auswilderungen im Moos, zuletzt wurden vergangenes Frühjahr und im Herbst je zehn Vögel freigelassen. Doch deren Verbleib ist ungewiss. Hafner vermutet einige in den Wäldern um Hohenried, weil es dort mehr Deckung als im offenen Gelände gibt. Der Druck der Fressfeinde – Fuchs, Marder, Habicht, Schwarzwild – ist nämlich groß. Das natürliche Gleichgewicht im Donaumoos ist längst aus den Fugen. Ein Hahn ist im Herbst bei Fruchtheim gesehen worden und Johann Wild selbst hat einmal ein Gesperre, eine Henne mit drei Küken, in der Nähe beobachtet. Für eine wissenschaftliche Studie freilich sind diese keine brauchbaren Nachweise. Insgesamt 40 Vögel werden deshalb im Rahmen des Artenschutzprojektes besendert. Florian Tyroller fängt die Signale per Antenne ein. Mit am besten funktioniert das vom Kalvarienberg in seinem Heimatort Pobenhausen, hat er festgestellt. Die Sender wiegen zwischen zehn und 14 Gramm und sollen die empfindlichen Tiere nicht behindern oder ihr Verhalten verfälschen. Die Kunst ist es, die Vögel zu orten, sie aber nicht unnötig zu beunruhigen.
In der Rhön, erzählt Torsten Kirchner, wurde die Jagd auf die Fressfeinde intensiviert, um die Restpopulation zu schützen. Nach drei Jahren, so lange läuft Florian Tyrollers Untersuchung, wird man sagen können, ob eine Wiederansiedlung im Donaumoos geglückt und sinnvoll ist. Michael Hafner hegt an der Sinnhaftigkeit keine Zweifel, für ihn ist dieser Vogel ein echter Sympathieträger. Und das Birkhuhn ist übrigens nicht nur eine Zeigerart für das Donaumoos. Es ist eng in der bajuwarischen Identität verwurzelt. So finden sich an Trachtenhüten nicht nur Gamsbart, sondern auch Spielhahnfedern aus dem leierförmig gegabelten Schwanz der Birkhähne.