Dumme Ansicht oder frohe Aussicht?

Henri Nouwen, ein holländischer Psychologe und Priester, erzählt folgende fiktive Geschichte: Ein Zwillingspärchen unterhält sich vor der Geburt im Leib der Mutter. Die Schwester sagt zum Bruder: „Ich glaube an ein Leben nach der Geburt!“Der antwortet: „Nein, das hier ist alles. Hier ist es schön warm, und wir halten uns an die Nabelschnur. Darüber hinaus gibt es nichts.“Nach längerem Schweigen sagt die Schwester: „Ich glaube noch mehr, ich glaube, dass wir eine Mutter haben.“Jetzt wird der Bruder wütend: „Eine Mutter, eine Mutter, was für dummes Zeug redest du! Ich habe noch nie eine Mutter gesehen und du auch nicht. Wer hat dir das bloß in den Kopf gesetzt? Hier ist es doch gar nicht übel. Wir haben alles, was wir brauchen“. Die Schwester ist ziemlich erschlagen und verstummt. Doch dann fängt sie noch mal an: „Spürst du nicht auch manchmal diesen Druck? Das tut richtig weh. Weißt du, ich glaube, dass uns dieser Schmerz auf einen anderen Ort vorbereitet, wo es schön ist, wo Licht ist und Raum, wo wir laufen werden und unsere Mutter von Angesicht zu Angesicht sehen werden.“Der Bruder gibt keine Antwort mehr, er hat genug von den dummen Ansichten seiner Schwester…

Bruder oder Schwester – bei wem finden Sie sich wieder? Oder kennen Sie beide Stimmen in sich? Die nüchterne Stimme der Erfahrung – Was soll es über dieses Leben hinaus noch geben? – und die erwartungsvolle Stimme der Hoffnung: Ich werde ins Licht kommen und sehen! Vermutlich kennen Sie beide Stimmen in den unterschiedlichen Situationen und Gezeiten Ihres Lebens. Wir beide kennen sie auch. Das Osterfest, das Christen an diesem Sonntag wieder feiern, ist eine große Einladung, der „Stimme des Lebens“Raum zu geben und ihr zu vertrauen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen frohe Ostern,

Ihre Pfarrer Herbert Kohler und Steffen Schiller