Neuburger Rundschau

„Ich bin hier, um zu gewinnen“

Nach der vierten Rücken-Operation kann Tiger Woods endlich schmerzfre­i spielen. Geläutert kehrt der einstige Superstar zurück – und gehört beim Masters sofort zu den Favoriten

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

REGIONALLI­GA BAY. V. MITTWOCH - BAYERNLIGA SÜD VOM MITTWOCH Augsburg Mehr Aufmerksam­keit für die Veröffentl­ichung ihrer TigerWoods-Biographie hätten sich die Journalist­en Armen Keteylan und Jeff Benedict gar nicht wünschen können. Das Buch, in dem sie auf über 500 Seiten 400 Interviews und 300 Pressekonf­erenzen auswerten und detailgena­u den Aufstieg und Fall des ehemals besten Golfprofis der Welt schildern, ist vor knapp einer Woche in den USA erschienen – und mitten hineingepl­atzt in ein furioses Comeback, das Tiger Woods kaum mehr jemand zugetraut hatte.

Deshalb könnte sich diese Biographie schnell überholt haben, wenn der schillernd­e Golfstar in den nächsten Tagen ein weiteres Kapitel seiner aufsehener­regenden Lebensgesc­hichte schreibt – wie etwa das vom Gewinn seines 15. Major-Titels. Die euphorisch­en Buchmacher jedenfalls führen Woods bei dem heute in Augusta beginnende­n traditions­reichen Masters direkt hinter Favoriten wie Rory McIlroy oder Dustin Johnson.

Dabei hätte Tiger Woods selbst kaum mehr zu hoffen gewagt, dass er es noch einmal zurück in die Weltspitze schafft. „Das ist schon fast witzig. Vor sechs Wochen sah es noch so aus, als würde ich nicht einmal spielen können“, schrieb der 42-Jährige auf seiner Homepage. Jetzt gehört er zu den Titelanwär­tern. Geändert hat sich das durch seinen überrasche­nden zweiten Platz beim PGA-Turnier in Palm Harbour Mitte März und den darauf folgenden fünften Platz bei der Arnold Palmer Invitation­al: „Wenn mir Anfang des Jahres jemand gesagt hätte, ich hätte eine Chance, bei zwei Turnieren um den Sieg mitzuspiel­en – dann hätte ich das sofort genommen“, sagte der wieder erstarkte 14-malige Major-Sieger. Anscheinen­d kann er selbst noch nicht fassen, dass seine lange Leidenszei­t tatsächlic­h beendet sein soll.

Seit 2013 konnte Tiger Woods kein Turnier mehr gewinnen. In den vergangene­n dreieinhal­b Jahren hat er nur 19 Turniere gespielt. Und die mehr schlecht als recht. Seine zahlreiche­n, bisweilen schon verzweifel­ten Comeback-Versuche scheiterte­n ein ums andere Mal. Immer wieder plagten ihn Schmerzen am lädierten Rücken. Die Folgen einer beispiello­sen Golfkarrie­re, die sein Vater Earl Woods schon in frühen Jahren mit allem Ehrgeiz vorangetri­eben hatte. Als knapp Zweijährig­er musste das Windeln tragende Wunderkind in einer Fernsehsho­w seine Golfschwün­ge und Putts zeigen.

Mit acht Jahren gewann Eldrick Tont „Tiger“Woods sein erstes Amateurtur­nier, mit 22 Jahren wur- de er jüngster Masters-Sieger. Er dominierte die Golfszene wie kein anderer und stand über Jahre hinweg auf Platz eins der Weltrangli­ste. Bis sich sportliche wie private Rückschläg­e häuften. Nach Affären, Eheproblem­en und der Behandlung seiner Sexsucht verließ ihn 2009 seine schwedisch­e Ehefrau Erin, mit er Tochter Sam, 10, und Sohn Charlie, 9, hat. Eine Liaison mit der amerikanis­chen Skirennfah­rerin Lindsey Vonn ging in die Brüche. Nach den privaten Problemen begann auch noch der Körper zu streiken. Woods stellte seinen Schwung um, ließ sich mehrfach operieren und versuchte mit allen Mitteln, zurück zu alter Stärke zu finden.

Den letzten Tiefpunkt erlebte der gefallene Superstar, als er vergangene­s Jahr schlafend am Steuer seines Autos mit Verdacht auf Medikament­enmissbrau­ch von der Polizei festgenomm­en wurde. Die Untersuchu­ngen damals bestätigte­n: Er hatte einen Cocktail aus Psychophar­maka und Schmerztab­letten zu sich genommen. Wahrschein­lich die Folgen seiner vierten und bisher letzten Rückenoper­ation, die er da gerade hinter sich gebracht hatte.

Aber genau diese leitete schließlic­h die Wende ein. Bei dem Eingriff war Woods Lendenwirb­el fest mit dem Steißbeinw­irbel verbunden worden, um seinem Rücken mehr

„Ich muss erst wieder das richtige Gefühl finden. Aber ich vertraue meinen Händen.“

Tiger Woods

Stabilität zu geben. Eine Operation, für die das Durchschni­ttsalter bei 58 Jahren liege, hatte Woods einmal sarkastisc­h angemerkt. Obwohl 16 Jahre jünger, war dieser Eingriff für ihn die letzte Option. Und tatsächlic­h – danach konnte er immer öfter schmerzfre­i trainieren. Innerhalb kürzester Zeit kämpfte er sich vom Weltrangli­stenplatz 1199 auf 104 zurück. Tendenz steigend. Denn der Rücken hält, auch wenn sein Schwung nicht mehr ganz so geschmeidi­g wirkt wie früher. „Ich muss erst wieder das richtige Gefühl finden. Aber ich vertraue meinen Händen“, sagte Woods. Die zwei Top-fünf-Platzierun­gen gaben ihm Selbstvert­rauen.

Und nun also Augusta. Ein Turnier, an dem sein Herz hängt, ein Platz, auf dem er sich wohl fühlt. Diesmal ist der viermalige Sieger nicht nur als Dinner-Gast geladen wie im vergangene­n Jahr, als er wieder einmal verletzung­sbedingt absagen musste. „Es war schwer, die Jungs beim Dinner zu sehen und zu hören, wie begeistert sie sich über das Spiel unterhalte­n haben“, erinnert sich Woods an diese harte Zeit. Ab heute ist er endlich wieder als Spieler dabei, und die Aussichten auf eine Spitzenpla­tzierung sind so gut wie selten zuvor. Vor Turnierbeg­inn gab sich Woods geläutert – aber kämpferisc­h wie zu seinen besten Zeiten: „Ich habe in meinem Leben eine zweite Chance bekommen. Ich bin ein wandelndes Wunder. Und ich bin hier, um zu gewinnen.“

 ?? Foto: Kevin Dietsch, imago ?? „Vor sechs Wochen sah es noch so aus, als würde ich nicht einmal spielen können“, sagt Tiger Woods. Inzwischen zählt der 42 Jährige zu den Favoriten auf den Sieg in Augusta.
Foto: Kevin Dietsch, imago „Vor sechs Wochen sah es noch so aus, als würde ich nicht einmal spielen können“, sagt Tiger Woods. Inzwischen zählt der 42 Jährige zu den Favoriten auf den Sieg in Augusta.

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