„Geschmacklos – aber nicht antisemitisch“
Wie weit geht künstlerische Freiheit? Rapper Kollegah und Farid Bang werden nicht ausgeschlossen
Berlin Bei der diesjährigen Verleihung des Musikpreises „Echo“könnte die Frage nach den Grenzen künstlerischer Freiheit im Mittelpunkt stehen. Trotz heftiger Kritik an einem ihrer Texte und Antisemitismusvorwürfen bleiben die Rapper Kollegah und Farid Bang für die Verleihung an diesem Donnerstag in zwei Kategorien nominiert. Es handele sich um einen „absoluten Grenzfall“, erklärte der unabhängige Ethik-Beirat des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), der die Preise auch in diesem Jahr in Berlin vergibt, nach seiner Entscheidung. Die künstlerische Freiheit sei in dem Text „nicht so wesentlich übertreten“, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.
Durch das große Medieninteresse an dem Fall rückten die geplanten Auftritte von Stars wie Kylie Minogue, Rita Ora und Helene Fischer vorerst in den Hintergrund. Doch auch nach der Entscheidung des Beirats dürfte die Diskussion nicht beendet sein. Die Debatte werde „voraussichtlich auch ein Thema in der Sendung sein“, erklärte EchoGeschäftsführerin Rebecka Heinz. In welcher Form, sei noch unklar. Nach einem Jahr Pause wird die 27. Verleihung des Musikpreises wieder live im Fernsehen übertragen (Vox, 20.15 Uhr). Zuletzt war 2013 die Band Frei.Wild nachträglich von der Nominierungsliste gestrichen worden. Ihr wurde eine Nähe zur rechten Szene vorgeworfen.
Im Zentrum der Vorwürfe gegen Kollegah und Farid Bang steht die Textzeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“aus dem Song „0815“der beiden Musiker. Nach einem Bericht der Bild-Zeitung
und Kritik von AuschwitzÜberlebenden hatte der Beirat seine Untersuchung begonnen. Farid Bang entschuldigte sich auf seiner Facebookseite für mögliche Verletzungen und betonte, Kollegah und er würden sich von „jeglicher Form des Antisemitismus oder Hass gegen Minderheiten“distanzieren. Der jüdische Rapper Spongebozz ist neben Kollegah und Farid Bang in der Kategorie Hip-Hop/Urban National nominiert. Er findet die Entscheidung des Beirates nach eigenen Worten richtig.
Die kritisierte Zeile sei „geschmacklos – aber nicht antisemitisch“, sagte der Musiker, der auch unter dem Namen Sun Diego bekannt ist. „Deswegen muss ich als Rapper sagen, dass ein Ausschluss Zensur wäre“, erklärte er. Spongebozz hatte sich vor einiger Zeit zu seinem jüdischen Glauben bekannt. Er sieht ein gesamtgesellschaftliches Antisemitismus-Problem, das nicht auf die Rap-Szene beschränkt sei. Forderungen nach einer generellen Veränderung der Auswahl der Nominierten, um ähnliche Vorfälle künftig zu vermeiden, sieht Rebecka Heinz skeptisch. „Der Echo ist seit seiner Entstehung ein Publikumspreis, bei dem abgebildet wird, welche Künstler im vergangenen Jahr am erfolgreichsten waren.“Diese Anforderungen erfüllen die beiden Rapper mit ihrem gemeinsamen Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“genauso wie alle anderen Nominierten. Darunter ist in diesem Jahr auch wieder Schlagerstar Helene Fischer, die 2017 nicht an der Verleihung teilnahm. Der Echo wird in 22 Kategorien mit jeweils 5 Nominierten vergeben.