Willy Brandt verlässt die SPD
Seitenwechsel Wie ein 24-Jähriger die Partei in ihrer Seele trifft
Wenn in der SPD gar nichts mehr geht – und das passiert in letzter Zeit ja öfter –, dann beruft sich irgendeiner auf Willy Brandt und zumindest für einen Moment scheint alles wieder gut zu sein. Die bloße Erwähnung der Polit-Ikone wirkt auf viele Genossen wie ein Abend am Lagerfeuer. Man rückt zusammen, wärmt sich gegenseitig, man summt die Internationale und erzählt Geschichten von damals, als die Sozis noch eine Volkspartei waren – und der Willy Kanzler. So kann man sich gut vorstellen, wie hart folgende Nachricht die sozialdemokratische Seele trifft: Willy Brandt verlässt die SPD und läuft auch noch zur Konkurrenz über. Am Mittwoch überreicht ihm Linken-Chef Bernd Riexinger in Nürnberg mit großem Popanz sein neues Parteibuch – samt roter Fahne.
Willy Brandt ist 24 Jahre alt, macht eine Ausbildung zum Erzieher und arbeitet nebenher für einen Lieferdienst. Der junge Vater trägt gerne Kapuzenpulli und Turnschuhe. Erst im September folgte der Bayer seinem berühmten Namensvetter und wurde SPD-Mitglied. Es sollte eine kurze Episode bleiben. Als sich die Partei für die Große Koalition entschied, hatte Willy Brandt genug. „Die SPD hat mich auf ganzer Linie enttäuscht“, begründet er seinen Austritt. Von der Linken erhofft er sich nun einen anderen Politikstil: „Mehr Arm in Arm als Ellenbogengesellschaft.“
Und die SPD? Die kann sich zumindest damit trösten, dass ihr auch das „Original“einst eine Zeit lang den Rücken gekehrt hatte und dann doch zurückkehrte. Bis es so weit ist, können die Genossen ja ein Lagerfeuer anzünden und in WillyErinnerungen schwelgen.