„Ich hab nichts gegen Komplimente“
Schauspielerin Senta Berger weiß selbst nicht genau, warum sie so populär ist. Dagegen kann sie erklären, warum sie das Älterwerden für eine Zumutung hält
Frau Berger, als Kriminalrätin EvaMaria Prohacek ermitteln Sie diesmal im Bundeswehrmilieu. Was ist denn der Knackpunkt dieser Geschichte? Senta Berger: Es kommen bei einigen Manövern Waffen zum Einsatz, deren Gebrauch bei uns verboten ist, wie zum Beispiel Streuminen. Um aber die Wirkung und die Verteidigungsstrategien zu testen, werden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen auch Streuminen ausprobiert. Das ist hart am Rande der Legalität. Ein junger Soldat kommt bei einem solchen Einsatz zu Tode. Sein Fall soll vertuscht werden.
Wie wichtig ist Ihnen die Rolle als Kriminalrätin und wodurch hebt sich dieser Krimi Ihrer Meinung nach aus all den anderen heraus, die jede Woche gezeigt werden?
Berger: „Unter Verdacht“greift gesellschaftspolitische Themen heraus, die wir zumeist von den Titelblättern oder von der Seite drei der großen Tageszeitungen kennen. Wir erzählen sie mit den spannenden Mitteln des klassischen Krimis. Meine Figur, also die Eva Prohacek, verkörpert das Gerechtigkeitsgefühl, das wir alle haben, oder besser die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, die wir alle in uns tragen. Mein Gegenspieler, Dr. Claus Reiter wiederum, ist der klassische Opportunist, der es sich in jeder Situation „richtet“. Und auch davon haben wir alle etwas, auch dafür haben wir mehr oder weniger Verständnis.
Warum sehen die Deutschen eigentlich so gerne Krimis? Ist es denen sonst zu langweilig?
Berger: Wieso nur „die Deutschen“? Ist es bei den Franzosen, Engländern oder Italienern anders? Nein. In meiner Kindheit haben die Leute in der Straßenbahn in kleinen Krimiheftchen gelesen, „Tom Mix“und „Jerry Cotton“und wie sie alle hießen. Sich bei spannender Lektüre zu entspannen, war immer schon ein Vergnügen. Ich glaube nicht, dass das mit Langeweile zu tun hat.
Ich weiß, mit Frauen sollte man nicht übers Alter sprechen. Darf ich es trotzdem tun? In einem Interview haben Sie gesagt, das Älterwerden sei eine Zumutung. Was stört Sie daran am meisten? Berger: Dass die Jahre überschaubar werden. Wie viele Frühlinge noch, wie viele Sommer?
Wird man mit zunehmendem Alter gelassener, wie manche sagen?
Berger: Die Prioritäten werden anders. Keine Zeit vergeuden. Keine Rechthabereien. Kein „Dabeisein- wollen“. In vielen Dingen bin ich toleranter, als ich es früher war, weil ich heute mehr von Menschen und Gegebenheiten verstehe. Gelassen bin ich aber leider noch lange nicht, sondern immer noch sehr spontan und leidenschaftlich, wenn ich eine Ansicht verteidige, die mir wichtig ist. Zu meinem Wertesystem gehört ein respektvolles Miteinander in der Gesellschaft, gehört Hinsehen, gehört die Hand reichen. Das hört sich altmodisch an und ist es wahrscheinlich auch, aber ich muss nicht „in“sein.
Sie werden im Mai 77 Jahre. Wie wählen Sie heute im Vergleich zu früher Filmangebote aus? Was muss Sie an Projekten reizen, dass Sie zusagen? Berger: Die Geschichte, die ich miterzählen kann. Die Qualität des Autors, des Regisseurs. Ein Buch, das mich neugierig macht.
So manche Schauspielerkollegen(-innen) klagen, dass es schwieriger wird, in der Branche langfristig zu bestehen. Was hat sich verändert in den vergangenen Jahren?
Berger: Die Film- und Fernsehbranche spiegelt unsere Gesellschaft wider. Wir leben im Medienzeitalter. Reizüberflutung in diesem Ausmaß hat meine Generation noch nicht gekannt. Auch in sogenannten bürgerlichen Berufen gibt es kaum mehr langfristige Beschäftigungsverhältnisse. Theater haben im Gegensatz zu früher kaum mehr ein festes Ensemble. Im Film setzt man in dieser schnelllebigen Zeit gerne auf neue Gesichter. Wobei „das Neue“nicht unbedingt besser sein muss.
Viele Schauspielerinnen klagen, dass im Alter die Rollen knapp werden. Wie haben Sie es geschafft, dass Sie nach wie vor so gefragt sind?
Berger: Jede Erklärung ist ein Versuch und fängt mit „vielleicht“an. Vielleicht, weil ich durch meine Erfahrungen in Hollywood und später in Italien gelernt habe, offen zu sein für andere Lebensweisen, andere Arbeitsmethoden, neue Sprachen, Rollen, in denen ich mich weiterentwickeln wollte? Vielleicht, weil ich immer ein zeitloser Typ war, der nicht an ein bestimmtes Aussehen gebunden war? Vielleicht, weil ich versucht habe, Filme zu machen, die mir wichtig waren? Vielleicht, weil ich meine Arbeit gut mache? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.
In vielen Interviews werden Sie darauf angesprochen, wie gut Sie „immer noch“aussehen. Geht Ihnen solche Fragerei auf den Keks oder fühlen Sie sich da eher geschmeichelt?
Berger: Das „immer noch“habe ich schon mit 30 Jahren mir gedacht. Wenn man mir Komplimente macht, hab ich nichts dagegen. Find ich schön. Ist ja auch alles relativ.
Sie gelten in der Branche als disziplinierte Schauspielerin, die so leicht nichts aus der Ruhe bringt. Was kann Sie so richtig aus der Contenance bringen? Berger: Respektlosigkeit.
Was würden Sie heute einen Schauspieler-Einsteiger raten, um erfolgreich Fuß zu fassen?
Berger: Ich kann niemandem Ratschläge geben. Die Zeit hat sich so gewandelt. Die Situation der Freiberuflichen ist völlig verändert. Mich hat meine Arbeit am Theater am allermeisten gefordert und also nach vorne gebracht. Ich habe dort Sprache und Körpersprache gelernt. Ich habe am Theater Mut gelernt, den Mut zu springen, auch wenn man nicht weiß, wo man landen wird.
Sie lebten in Hollywood, haben die USA aber nach einigen Jahren wieder verlassen. War das die richtige Entscheidung?
Berger: Ja, durchaus. Die Zeiten, in denen für ausländische Schauspielerinnen, wie zum Beispiel Ingrid Bergman, noch Stoffe entwickelt und Bücher geschrieben worden sind, waren in den 60er Jahren vorbei. Mein europäischer Akzent begrenzte meine Rollenangebote. Mein Mann und ich haben eine Filmfirma in Deutschland gegründet, die „Sentana“-Filmproduktion, mit der wir Geschichten erzählt haben, die wir selbst im Kino sehen wollten, wie zum Beispiel „Die Weiße Rose“. Zuletzt haben wir „Willkommen bei den Hartmanns“coproduziert. Das alles wäre mir in Hollywood nicht möglich gewesen. Gut, das konnte ich bei meinem Weggang damals nicht wissen, aber ich wusste, das Stillsitzen und Warten auf die richtige Rolle, das Nichtstun – und sei es auch im größten Luxus – ist nichts für mich.
OKrimi Eine neue Folge der Krimireihe „Unter Verdacht“zeigt das ZDF am Samstag, 14. April 2018, um 20.15 Uhr.
● Senta Berger, 76, ist eine der be kanntesten deutschen Schauspie lerinnen. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Regisseur Michael Verhoe ven, in Grünwald bei München.