Näher zur Schale
Am Ende einer langen und wechselvollen Trainersuche geht alles ganz schnell. Die Münchner unterbreiten Niko Kovac am Donnerstag ein Angebot, das der 46-Jährige annimmt. Danach schlagen in Frankfurt die Wellen hoch
München Als der Spieler Niko Kovac 2001 zum FC Bayern kam, war er 30. Eine bis dahin ordentliche, wenn auch nicht glamouröse BundesligaKarriere erreichte einen späten Gipfel. Kovac war aus Hamburg gekommen, wo er in 55 Spielen zwölfmal getroffen hatte. Für einen Mittelfeldspieler eine respektable Bilanz, die den damaligen BayernManager Uli Hoeneß zum Zugreifen veranlasste. Die Bayern hatten gerade gegen den FC Valencia die Champions League gewonnen. Ein glänzend bestücktes Ensemble, in dem die Alphatiere Kahn und Effenberg den Ton angaben und Defensivkräfte wie Kuffour, Lizarazu, Sagnol und der Kovac-Bruder Robert verteidigten. Das mit Jeremies, Salihamidzic, dem nach München gezogenen Engländer Hargreaves und dem Edeltechniker Scholl derart üppig besetzt war, dass man sich fragen konnte, wo hier ein eher unauffälliger Ballverteiler wie Niko Kovac Platz finden könnte.
Der gebürtige Berliner war einer dieser Transfers, die sich der FC Bayern immer wieder gerne leistet, um einer explosiven Mischung im Kader noch ein stabilisierendes Element beizufügen. Nach zwei unauffälligen Jahren, in denen die Bayern die Meisterschaft einmal Borussia Dortmund überlassen mussten, kehrte Kovac nach Berlin zurück, wo er Anfang der 90er Jahre gespielt hatte. Dass Kovac jemals wieder nach München zurückkehren würde, war nicht zu erwarten gewesen. Schon gar nicht als Trainer.
Genau das wird nun nächste Saison passieren. Was und bereits Donnerstagnacht wussten, dass Kovac am Saisonende Nachfolger von Jupp Heynckes werden würde, bestätigte der Rekordmeister anderntags. Damit hat eine für Bayernverhältnisse wechselvolle Trainersuche ein plötzliches Ende gefunden. „Ich habe am Donnerstag einen Anruf und ein Vertragsangebot bekommen. Das habe ich angenommen“, bestätigte Niko Kovac am Freitag in Frankfurt.
Zuvor hatte Uli Hoeneß lange darauf gehofft, Jupp Heynckes werde sein Pensionärsdasein für eine weitere Saison unterbrechen. Der 72-Jährige aber blieb standhaft. Thomas Tuchel, der gebürtige Krumbacher und ehemalige Dortmunder Coach, sagte dem Rekordmeister ab. Ein Affront für den deutschen Primus. Jürgen Klopp, den man sich ebenfalls gut in München vorstellen konnte, fühlt sich in Liverpool wohl und ist mit den Reds gerade ins Halbfinale der Champions League eingezogen.
Blieben noch der Leipziger Ralph Hasenhüttl und Frankfurts Niko Kovac als Kandidaten. Beide erfüllten das Anforderungsprofil deutschsprachig, erfolgreich und zudem mit Münchner Stallgeruch behaftet. Beide aber waren bis 2019 gebunden. In solchen Fällen entwickelt sich das Werben zum öffentlichen Eiertanz. „Mein Vertrag in Frankfurt läuft bis 2019. Und wenn nichts dazwischenkommt, werde ich bis 2019 hier arbeiten“, hatte der Eintracht-Coach auf Fragen nach einem möglichen Bayern-Engagement geantwortet und bekräftigt: „Es gibt Grund daran zu zweifeln, dass ich im nächsten Jahr hier Trainer bin.“Andererseits wisse er nicht, was morgen passiert. Was er wusste: Dass er sich eine Ausstiegsklausel in seinen Vertrag hatte
„Niko Kovac ist der perfekte Trainer für uns.“Bayern Sportdirektor Hasan Salihamidzic
schreiben lassen, die ihm für eine Ablöse von 2,2 Millionen Euro einen vorzeitigen Abschied erlaubt. Am Main können die 2,2 Millionen allerdings den Schmerz über Kovacs Abgang nicht lindern. Im Gegenteil: Die Frankfurter sind aufgebracht und verärgert über die Vorgehensweise des FC Bayern. „Wir haben viele wichtige Spiele in den nächsten Wochen“, befürchtet Sportvorstand Fredi Bobic nach Bekanntwerden der Personalie nun Unruhe in der Mannschaft. „Dass Informationen so durchsickern, ist sehr ärgerlich, sehr unprofessionell und sehr respektlos.“Das seien Dinge, die er „so unter Kollegen in der Bundesliga noch nicht erlebt habe“, schimpfte Bobic, der seinen Erfolgstrainer gerne behalten hätte.
Schließlich hat der 83-fache kroatische Nationalspieler, der 2016 als Nachfolger des Augsburgers Armin Veh die Eintracht übernommen hat, ein mittelmäßig ausgestattetes Team zu einem Europa-League-Kandidaten geformt. „90 Prozent unseres Erkeinen
folgs ist Niko Kovac. Er macht jeden Spieler besser“, sagt Kevin-Prince Boateng, der unter dem Kroaten einen zweiten Frühling erlebt.
2016 hat Kovac die Hessen in zwei Relegationsspielen gegen den 1. FC Nürnberg vor dem Abstieg gerettet. Nun könnte er sie zum zweiten Mal nacheinander ins DFB-Pokalfinale führen. Möglicher Gegner dort wäre sein zukünftiger Arbeitgeber, der traditionell am liebsten ehemalige Spieler in seinem Unternehmen beschäftigt. Kovac wird im Sommer auf seine ehemaligen Mitspieler Willy Sagnol (Trainer-Assistent) und Hasan Salihamidzic treffen. Mit dem bosnischen Sportdirektor ist Kovac gut befreundet.
„Niko Kovac ist der perfekte Trainer für uns. Er arbeitet sehr akribisch und sehr fleißig. Das ist das, was wir brauchen“, sagte Salihamidzic. Was dem Neuen allerdings fehlt, ist internationale Erfahrung mit einer Klub-Mannschaft. Kovac hat als Trainer noch kein Champions-League-Spiel bestritten und erst recht keinen Titel gewonnen. Genau daran aber wird er sich messen lassen müssen.