„Wir brauchen eine harte Abschiebepolitik“
Rechtsfreie Räume? Islamistische Gefährder? Der Streit um den Familiennachzug? Als Innenminister von Baden-Württemberg und stellvertretender CDU-Chef setzt Thomas Strobl auf einen Kurs der Konsequenz
Es ist eine Stadt der Gegensätze, auf die Thomas Strobl aus seinem Büro gerade blickt. Links die Großbaustelle am Bahnhof, rechts der Schlossgarten, eine grüne Oase mitten in Stuttgart. Seit knapp zwei Jahren ist Strobl jetzt Innenminister der grün-schwarzen Koalition – als CDU-Vize aber nach wie vor ein Mann mit Einfluss in Berlin. Der 58-Jährige, der mit der ältesten Tochter von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble verheiratet ist, gehört zu den profiliertesten Innenpolitikern der Union und hat auch den Koalitionsvertrag mit der SPD mit ausgehandelt. Sein Leitmotiv als Minister beschreibt er in nur drei Worten: Herz – und Härte.
Herr Strobl. Der neue Innenminister Horst Seehofer will abgelehnte Asylbewerber konsequenter abschieben. Im vergangenen Jahr sind 21 000 Abschiebungen gescheitert, weil die Leute nicht auffindbar waren, weil Ärzte Atteste geschrieben oder Piloten sich geweigert haben, Menschen zu transportieren. Ist Seehofer der Sisyphos der Großen Koalition? Ein Mann mit einer unlösbaren Aufgabe?
Strobl: Nach Albert Camus muss man sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen … Im Ernst: Abschiebungen sind ein hartes Geschäft. Es ist absolut normal, dass ein gewisser Anteil der geplanten Rückführungen nicht durchgeführt werden kann. Ich weiß, wovon ich rede. Es gibt hinreichend viele Personen und Organisationen, die den Vollzug der Ausreisepflicht hintertreiben. Deshalb ist bemerkenswert, wie gut es uns in Baden-Württemberg und bei Ihnen in Bayern gelingt, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Horst Seehofer liegt mit seinem Kurs genau richtig.
Mehr als 60 000 Menschen in Deutschland haben nicht einmal eine Duldung und wären eigentlich sofort ausreisepflichtig. Im vergangenen Jahr allerdings ist die Zahl der Abschiebungen sogar gesunken. Was läuft da schief? Strobl: Wir dürfen keine falschen Signale in die Herkunftsländer senden, deshalb brauchen wir eine harte und konsequente Abschiebepolitik. Die gibt es in Bayern, die gibt es bei uns in Baden-Württemberg. Die gibt es aber nicht überall. Es gibt nach wie vor Länder, denen hier die nötige Konsequenz fehlt. Ich erwarte deshalb, dass auch alle von der SPD regierten Bundesländer das geltende Recht durchsetzen. Das ist zwingend erforderlich. In Deutschland leben mehr als 1500 islamistische Gefährder, denen die Behörden schwere Straftaten zutrauen. Viele haben Asyl beantragt und teilweise auch bekommen. Nicht einmal ein Dutzend wurde abgeschoben. Geht unser Staat zu milde mit ihnen um? Strobl: In Baden-Württemberg packen wir solche Problemfälle ganz gezielt an. In meinem Haus haben wir deshalb Anfang des Jahres den „Sonderstab Gefährliche Ausländer“eingerichtet, der sich gerade um die kümmert, die großen Schaden anrichten: Mehrfachstraftäter, Ausländer, die die Sicherheit unseres Landes gefährden, oder hartnäckige Integrationsverweigerer. Das ist freilich kein Massengeschäft. Doch in den wenigen Wochen seines Bestehens haben wir bereits 15 gefährliche Ausländer abgeschoben oder ihre Einreise verhindert. zum Beispiel bei der Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen inzwischen eine Trendwende geschafft. Aber über viele Jahre gab es gerade dort, wo es die Menschen ganz unmittelbar und persönlich betrifft, einen massiven Anstieg. Ganz klar ist: In Ländern wie Bayern oder BadenWürttemberg können die Menschen nicht nur sicher leben, sondern sich auch sicher fühlen. Unsere Polizei leistet hervorragende Arbeit.
Ihr Parteifreund Jens Spahn behauptet, in den sozialen Brennpunkten einiger Großstädte habe der Rechtsstaat inzwischen kapituliert. Ist das nicht ein bitterer Befund für eine Partei wie die CDU, die für Recht, Sicherheit und Ordnung stehen will? Strobl: bern und Flüchtlingen im letzten Jahr bei uns in Baden-Württemberg um fünf Prozent auf rund 61 000 zurückgegangen. Dabei haben sich die Straftaten aber weg von den Flüchtlingsunterkünften stärker in den öffentlichen Raum verlagert. Das belastet natürlich das Sicherheitsempfinden der Menschen. Deshalb fokussieren wir darauf einen Handlungsschwerpunkt unserer Polizeiarbeit.
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD sich auf den Ausbau der Videoüberwachung und 15 000 zusätzliche Stellen bei der Polizei geeinigt. Reicht das aus?
Strobl: In Baden-Württemberg läuft gerade die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte unserer Polizei. Die Polizeischulen platzen aus allen Nähten. Polizisten finden Sie nicht auf dem Arbeitsamt, sie brauchen eine qualifizierte Ausbildung.
In der Südwest-CDU läuft es im Moment nicht wirklich rund. Personalquerelen, jede Menge Kritik auch an Ihnen. Haben Sie es eigentlich schon bereut, dass Sie vor zwei Jahren nach Stuttgart gewechselt sind. Sie könnten jetzt auch Minister in Berlin sein. Strobl: Jedenfalls habe ich 18 Jahre lang sehr gerne im Deutschen Bundestag Politik gemacht. Jetzt sage ich klar und deutlich: Ich habe eine Aufgabe in Baden-Württemberg, für die ich mich bewusst entschieden habe und die mich sehr erfüllt. Ich trage eine Verantwortung für BadenWürttemberg und für die grünschwarze Landesregierung: Und das tue ich sehr gerne.
Führen Sie die CDU eigentlich als Spitzenkandidat in die nächste Landtagswahl? Als Landesvorsitzender hätten Sie das erste Zugriffsrecht. Strobl: Da will ich Ihnen mit Pablo Picasso antworten. Der hat auf die Frage, was eigentlich „Kunst“sei, gesagt: Wenn ich es wüsste, würde ich es für mich behalten.
Die Große Koalition ist ziemlich holprig gestartet: Der Streit um Hartz IV, um den Familiennachzug oder Seehofers Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Geht das vier Jahre gut? Strobl: Offen gesagt, kann ich keinen holprigen Start erkennen. Es hat – zugegebenermaßen – seit September lange gedauert, bis wir eine Bundesregierung bekommen haben. Umso wichtiger ist, dass jetzt auch regiert wird. Ich verspüre bei den Kollegen in Berlin einen großen Tatendrang, sie krempeln die Ärmel hoch und stellen sich den Herausforderungen.
Die SPD will nach zwei Jahren eine Art Zwischenbilanz ziehen, ob sich die umstrittene Regierungsbeteiligung für sie ausgezahlt hat. Ist das die Sollbruchstelle der Großen Koalition? Strobl: Die SPD ist nicht mein Thema, ich muss ihr keinen Rat geben. Aber sie ist in gewisser Hinsicht eine sehr spezielle Partei. Sie krankt oft daran, dass sie sich im Nachhinein selbst von ihren guten und wichtigen Beiträgen für das Land distanziert, sich von ihnen verabschiedet, sie infrage stellt und diskreditiert. Denken Sie an die Agenda 2010, denken Sie an den letzten Wahlkampf, der sich zum Teil gegen die eigene Arbeit in der vorherigen Koalition richtete. Es wäre kein guter Plan, das Land jetzt zwei Jahre nach vorne zu bringen und sich dann vom Acker zu machen.
In der Bundestagsfraktion der Union regt sich heftige Kritik an Ihrem Landsmann Volker Kauder, dem Fraktionschef. Gilt die indirekt nicht auch der Kanzlerin, zu deren engsten Vertrauten er gehört. Oder, anders gefragt: Wie angekratzt ist die Autorität von Angela Merkel nach dem Scheitern von Jamaika und den vielen Zugeständnissen an SPD und CSU? Strobl: Kritik gibt es immer, das kenne ich selber auch, das ist nichts Ungewöhnliches. Als Bundestagsabgeordneter habe ich Volker Kauder über viele Jahre als erfolgreichen und unumstrittenen Fraktionsvorsitzenden erlebt und bestens mit ihm zusammengearbeitet. In einer Demokratie sind 50 Prozent plus eine Stimme eine Mehrheit. Alles andere fällt in die Rubrik Schönheitswettbewerb. Und was Angela Merkel angeht: Sie ist eine sehr erfolgreiche Kanzlerin und genießt in Europa und der ganzen Welt nach wie vor allerhöchsten Respekt. ● Thomas Strobl ist seit Mai 2016 Innenminister und stellvertreten der Ministerpräsident der grün schwarzen Koalition unter Winfried Kretschmann in Baden Württem berg. Der Anwalt aus Heilbronn trat bereits mit 16 in die Junge Union ein. Er war Generalsekretär der Landespartei und 18 Jahre Bundes tagsabgeordneter. Heute ist der 58 Jährige Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzen der der CDU.