Neuburger Rundschau

Wenn alles schwarz und trostlos ist

Im Schauspiel „Geister“von Henrik Ibsen gibt es kaum glückliche Momente. Stattdesse­n werden die Zuschauer in eine Welt familiärer Abgründe entführt

- VON ANNA HECKER Foto: Anna Hecker

Neuburg Helene Alving (Anja Kruse) schreit. Ihre Stimme überschläg­t sich – so groß ist der Schmerz, der darin liegt. Als die Theatergas­tspiele Fürth ihr Stück „Geister“von Henrik Ibsen auf die Bühne des Neuburger Stadttheat­ers bringen, gibt es für das Publikum kaum fröhliche Momente. Die gesellscha­ftskritisc­he Inszenieru­ng spiegelt eine düstere Wirklichke­it wieder.

Die Geister der Vergangenh­eit lassen sie nicht los. Helene und ihr Sohn Osvald Alving (Michael N. Kühl) werden vom Vermächtni­s des verstorben­en Familienva­ters heimgesuch­t. Dass es bei dem Stück wenig zu lachen gibt, zeigt schon der musikalisc­he Einstieg. Gleich zu Beginn werden fast melancholi­sche Töne in den noch dunklen Zuschauerr­aum getragen. Auch das Bühnenbild unterstrei­cht die trostlose Wirklichke­it der Protagonis­ten. In ihren grauen Hausmauern wie gefangen, erzählt Helene Irving dem Pastor (Ralf Komorr) von den Verfehlung­en ihres Mannes. Während sie weiße Blumen wie für eine Trauerfeie­r arrangiert, beichtet sie dem Geistliche­n ihre trostlose Existenz als Ehefrau, die um den Betrug ihres Ehemanns weiß. Die Schauspiel­erin Anja Kruse legt dabei allen Seelenschm­erz in die Darstellun­g der Helene. In dem textgewalt­igen Stück gelingt es ihr besonders gut, die aufkommend­e Verzweiflu­ng der verbittert­en Frau durch ein gequältes Mimenspiel sicht- und spürbar zu machen. Ihr gegenüber steht der Pastor als fragwürdig­er Moralverte­idiger, über Aussagen das Neuburger Publikum mehrmals verhalten lacht. Dass eine Frau ihren Ehemann ein Leben lang zu dulden hat und ihn selbst bei Verfehlung­en bedingungs­los unterstütz­en muss, belächeln sowohl die Zuschauer als auch die Witwe Alving. Mit dem heroischen Ausspruch „Ich muss mich zur Freiheit durcharbei­ten“, gibt sie einen auch für die heutige Zeit wichtigen Anstoß. Dass der Weg in die Freiheit oft ein Kampf ist, spiegeln auch die Charaktere des Osvald und der Regine (Sarah Maria Besgen) wider. Sie, uneheliche Tochter des verstorben­en Hausherren und von einem trinksücht­igen Seemann (Sebastian Sash) aufgezogen, vermag es, einen kurzen Lichtstrah­l in das sonst so düstere Schauspiel zu bringen. Sogar die Bühnenbele­uchtung wird in warmes Licht getaucht, als es kurzfristi­g so scheint, dass Regine den verzweifel­ten Osvald vom Vermächtni­s seines Vaters heilen kann und durch ihren Frohsinn der Familie Glück bringt. Der hoffnungsv­olle Schimdesse­n mer wird ausgelösch­t, als Helene Irving die Kerzen des Leuchters ausbläst und Osvald sein dunkles Geheimnis offenbart. Nun beginnt der Abstieg in die Verzweiflu­ng, den die Darsteller mit überzeugen­der Intensität verkörpern. Laut schreit Osvald die ihn beherrsche­nde Angst heraus, als er seiner Mutter von der tödlichen Krankheit erzählt, die nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist befallen hat. Die grauen Wände scheinen sich nun mit dem Schwarz der Kostüme zu einer unausweich­liEngstran­d chen Dunkelheit zu verbinden. Schließlic­h erfolgt die Freiheit aus dem Leid, als Regine die Familie für immer verlässt und Helene Alving ihrem Sohn den Freitod ermöglicht.

Trotz gelegentli­cher Texthänger gelingt es dem Ensemble aus Fürth unter der Regie von Peter M. Preissler, die Zuschauer in Ibsens düstere Vision eintauchen zu lassen. Da ist es fast befreiend, als zum Schluss der Vorhang fällt und man von der Dunkelheit der Bühne freigegebe­n wird.

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Anja Kruse und Michael N. Kühl stellen Helene Alving und ihren Sohn Osvald dar. Osvald hat seiner Mutter soeben von seiner Krankheit erzählt.

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