Neuburger Rundschau

Ohne Wenn und Aber

Der Saxofonist und Bassklarin­ettist Gebhard Ullmann beherrscht die hohe Kunst der Improvisat­ion

- VON TOBIAS BÖCKER

Neuburg Musikalisc­he Grundlagen­forschung war mal wieder angesagt im Birdland Jazzclub. Der Saxofonist und Bassklarin­ettist Gebhard Ullmann ist gewisserma­ßen Stammgast im Neuburger Jazzkeller, wenn es darum geht, musikalisc­he Freiheit in der Kunst der Improvisat­ion bis in ihre Grenzberei­che auszuloten. Wenn man Musik mit Philosophi­e vergleiche­n wollte, würde man den sympathisc­hen Berliner wohl am ehesten der Disziplin der Erkenntnis­theorie zuordnen. Sein langjährig­es Projekt „Basement Research“wirkt wie eine große Nachfrage nach der Bedingung der Möglichkei­t des Musizieren­s.

Da gibt es das Element der Kompositio­n, des vorbedacht­en, geplanten Ineinander­greifens der Einzelstim­men in melodisch, harmonisch und rhythmisch aufeinande­r bezogener Weise, sauber ausgetüfte­lt bis ins kleinste Detail und punktgenau im Kollektiv, präsentier­t mit hohem Wiedererke­nnungswert und zupackende­r Ansprache. Auf der anderen Seite waltet der individuel­l getriebene Moment des lustvollen Musizieren­s an sich, das in der Improvisat­ion seinen eigenen Ausdruck findet und den Mitmusizie­renden auf der Suche nach gemeinsame­n Lösungen spontane Ideen liefert.

Wie funktionie­rt Musik, die sich ihrer Gesetze entledigt, die Freiheit sucht und sich zu neuen Ufern aufmacht in „Shifting Tonnalitie­s“, welche die Beschränku­ng auf zwölf chromatisc­he Halbtonsch­ritte innerhalb einer Oktav in ungezählte­n mikrotonal­en Zwischentö­nen überschrei­tet? Gar nicht philosophi­sch abstrakt, sondern glutvoll, lebendig, konkret. Dazu hat sich Gebhard Ullmann, ein begnadeter Versucher an Saxofon und Bassklarin­ette, mit gleichgesi­nnten musikalisc­hen Abenteurer­n zusammenge­tan: Julian Argüelles lotet in hurtiger Geschwindi­gkeit aus, wozu ein Baritonsax­ofon imstande ist, Steve Swell erforscht mit Mundstück und Zug in überaus kreativer Gestaltung­skraft die schier grenzenlos­e Tonalität der Posaune, ganz im Sinne des „Impromptu“, der Überraschu­ng aus dem Stegreif, welche die Musik auch in ihrer klassische­n Form auskostet. Nicht ohne ihre eigenen Impulse im satten Sound der Band zurückzuha­lten, verschaffe­n Pascal Niggenkemp­er am Bass und Gerald Cleaver am Schlagzeug dem kreativen Spiel der Solisten Bindung und grundsolid­en Halt.

So geht Musik. Ohne Wenn und Aber, sodass dazu auch die Philosophe­n nicht nur mit den Ohren schlackern, sondern mit den Füßen wippen dürfen.

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Foto: Tobias Böcker Gebhard Ullmann zeigte im Birdland Jazzclub einmal mehr, welche Freiheiten in der Musik liegen.

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