Neuburger Rundschau

Der Stolz des Dorfes

Als sein Maibaum vor zwei Jahren zum schönsten der Region gekürt wurde, freute sich ganz Sinning. Auch in dieser Saison soll eine Fichte zum Ortsmittel­punkt werden. Wie viel Arbeit hinter der Tradition steckt

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Oberhausen Sinning 32,70 Meter über dem Sinninger Dorfplatz gipfelt die Fichte in diesem Jahr. Der Maibaum, ein Prachtexem­plar. Entgegen der breiten Meinung erfordert nicht nur das Hochziehen des Baums eine ordentlich­e Portion Muskelkraf­t. Nein, die Anstrengun­g beginnt früher.

Schon seit dem Mittelalte­r kultiviert die Gemeinde den altbayeris­chen Brauch um das Aufstellen eines Maibaums. Wie die meisten anderen Orte hat auch Sinning über die Jahre spezifisch­e Eigenheite­n entwickelt. So befindet sich etwa eine neue Methode am 30. April 2018, dem Tag des Baumfällen­s, in einer Pilotphase. „Das ist eine Premiere“, sagt Thomas Ruf, der heuer das Maibaumauf­stellen koordinier­t.

Eskortiert von einer Armada aus Feuerwehrf­ahrzeugen und Traktoren machen sich gut zehn Mann an diesem verregnete­n Montagmorg­en auf an den Waldrand des Unterhause­r Forsts. Hier steht die auserwählt­e Fichte – zum Fällen bereit. Schön gewachsen soll sie sein, da sind sich die Feuerwehrl­eute einig. Gerader Stamm, buschige Krone, ein Fest fürs Auge. „Der Baum soll etwas hermachen“, bekräftigt auch Ruf. Oberstes Ziel beim Fällen sei immer die Sicherheit der Beteiligte­n, betont die Mannschaft. Keiner soll sich verletzen oder gar zu Schaden kommen. Nächsthöhe­res Ziel: Die Krone des Baums, die Spitze, darf nicht brechen. Dementspre­chend behutsam gehen die Männer vor und machen sich an einen ersten, unverbindl­ichen Versuch. Dazu hat Rainer Bienert, der sich wie jedes Jahr in der Funktion des Schnittmei­sters wiederfind­et, zusammen mit den anderen erstmals eine Art Scharnier entworfen und konstruier­t. Die Vorrichtun­g soll die Wucht des Baumfalls abmildern – und ihn zugleich in eine bestimmte Richtung korrigiere­n. Nun gut, so recht klappen will es beim ersten Mal nicht. Die Spitze bricht. Die Männer nehmen es mit Humor. „Davon lassen wir uns nicht abbringen“, sagt Ruf.

Hier, im Oberhausen­er Ortsteil Sinning, stellen die Vereine alle zwei Jahre einen Baum auf. Wie Thomas Ruf erklärt, reiche die Tradition lange zurück. Zur Zeit des Nationalso­zialismus habe es sogar zwei Maibäume in der Gemeinde gegeben: Der eine befand sich in der Dorfmitte, daneben hätten weniger regimetreu­e Bürger einen zweiten in St. Wolfgang errichtet. Im Gegensatz zu anderen Ortschafte­n verzichten die Sinninger auf die Bearbeitun­g ihres Baumstamms. Die Rinde wird weder geschält noch geschnitzt oder bemalt. „Bei uns bleibt der Stamm natur“, sagt Ruf. Lediglich mit Bändern, Kränzen und Tafeln werde dekoriert. Letztere, erklärt der Koordinato­r weiter, seien wie ein Blick in die Vergangenh­eit. „Die Tafeln erinnern an Betriebe, Zünfte und Vereine von damals.“

Die Vorbereitu­ngen für einen solchen Maibaum beginnen viele Tage vor dem Fällen. Bereits dann, wenn Silvia Herrnberge­r und Annemarie Eder vom Gartenbauv­erein das Binden der Kränze organisier­en. Zwei Tage lang wickeln die beiden Frauen mit vielen Freiwillig­en aus dem Ort rund fünf Kubikmeter Äste und Zweige um sechs Ketten, drei Reifen und eine lange Girlande. Ebenfalls Aufgabe von Silvia Herrnberge­r ist es, sechs Fahnen zu nähen – traditions­gemäß in den bayerische­n Farben Weiß und Blau. „Die müssen für jedes Aufstellen neu gefertigt werden“, sagt die Vereinsvor­sitzende. Auch sie sollen den Baum später schmücken.

Der Aufwand um einen Maibaum sei groß, räumt Silvia Herrnberge­r ein. Doch scheint er sich zu lohnen: Erst im Jahr 2016 wurde die ortseigene Fichte in einer Ehrenkateg­orie zur schönsten der Region gewählt. „Das ganze Dorf war stolz, hat sich gefreut, war glücklich“, erzählt sie. Ob der Baum auch in diesem Jahr Chancen hat, lasse sich nicht voraussage­n. Der Wettbewerb, den die Brauerei Unterbaar für fünf Landkreise der Region ausrichtet, läuft im Übrigen noch bis Mitte Mai.

Inzwischen sind auch Thomas Ruf und sein Team im Unterhause­r Forst erfolgreic­h. Der Baum fällt, die Spitze steht. 32,70 Meter reicht die Fichte hoch – weit über das Mindestmaß von 29 Metern. Nach zweistündi­gen Strapazen des Aufstellen­s am 1. Mai ist sie nun für viele Monate der Ortsmittel­punkt in Sinning. Schicken Sie uns ein Foto Ihres Maibaums! Einsendesc­hluss ist Don nerstag, 3. Mai, um 12 Uhr. Das Bild mit einer Größe von mindestens 800 kB sowie einen kurzen Text senden Sie bitte per E Mail an redaktion@neuburger rundschau.de.

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Fotos: Elisa Glöckner In Sinning helfen die Vereine zusammen: Alle zwei Jahre stellen sie sich eine Fichte ins Dorf, um ein großes Maifest zu zelebriere­n. Doch nicht nur das Fällen und Aufstellen des Baums erfordert viele Mühen. Im Übrigen stammt er aus dem Wald von...
 ??  ?? Silvia Herrnberge­r und Annemarie Eder organisier­en das Binden der Kränze und Ketten, ehe der Baum von Feuerwehrl­euten wie Thomas Schinagl gefällt wird. Am 1. Mai wird der Stolz des Dorfes schließlic­h in die Lüfte gezogen.
Silvia Herrnberge­r und Annemarie Eder organisier­en das Binden der Kränze und Ketten, ehe der Baum von Feuerwehrl­euten wie Thomas Schinagl gefällt wird. Am 1. Mai wird der Stolz des Dorfes schließlic­h in die Lüfte gezogen.
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