Wer für Neuburg im Landtag saß
Ein Haudegen, Weltenbummler und Gutsbesitzer im Parlament
Der Freistaat Bayern feiert heuer seinen 100. Geburtstag. In einer Serie stellt der Historiker Dr. Markus Nadler, Leiter der Landtagsbibliothek und Ausschussmitglied im Historischen Verein, die Abgeordneten in diesem Zeitraum vor. Den vierten Teil der Serie lesen Sie in der heutigen Ausgabe. München/Neuburg Nach dem Ende der Monarchie in Bayern 1918 fanden bis zur NS-Diktatur fünf Landtagswahlen statt, nämlich 1919, 1920, 1924, 1928 und 1932. Gewählt wurde zwar auch in dieser Zeit getrennt nach Stimmkreisen mit je einer Stimme für einen Kandidaten, aber die Mandate wurden dann in den Regierungsbezirken nach Verhältniswahlrecht vergeben. Dies führte dazu, dass in manchen Stimmkreisen mehrere Kandidaten ein Landtagsmandat erhielten, während es in anderen Kreisen gar kein Bewerber ins Parlament schaffte.
Von 1922 bis 1933 und damit in politisch instabilen und turbulenten Zeiten war der Vertreter Neuburgs im Bayerischen Landtag Johann Merkl (*1870, †1962). Er kam zunächst als Nachrücker der Bayeri- Volkspartei (BVP) ins Hohe Haus und wurde dann drei Mal wiedergewählt.
Merkl hatte einen abenteuerlichen Lebenslauf und brachte es auf ungewöhnliche, ja makabre Weise zu einer gewissen internationalen Berühmtheit. Geboren 1870 in einem kleinbäuerlichen Anwesen in Stepperg, verpflichtete er sich nach dem Militärdienst freiwillig zunächst bei der bayerischen Armee und dann 1893 bei der kaiserlichen Schutztruppe der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, dem heuti- gen Tansania. Dort war ein Aufstand gegen die deutsche Kolonialmacht ausgebrochen und Merkl bekämpfte jahrelang die Rebellen und insbesondere deren Anführer, Häuptling oder Sultan Mkwawa. Verfolgt und in aussichtsloser Lage beging dieser schließlich Selbstmord und Feldwebel Merkl, der Mkwawa als Erster weitab von Siedlungen fand, überbrachte der Kolonialverwaltung zum Beweis für den Tod des Hauptfeindes dessen Schädel. Der Aufstand war damit beendet und Merkl wurde für seinen Einsatz nicht nur ausgezeichnet, sondern er erhielt sogar eine stattliche Belohnung. Sie war der Grundstock für sein erfolgreiches Wirken als Farmer und Kaufmann in Marangu am Kilimandscharo von 1896 bis 1906.
Er betrieb Kaffee- und Baumwollanbau, Vieh- und Straußenzucht und er ging auf Reisen in Afrika sowie nach Mittelamerika und Indien. Als vermögender Mann kehrte er dann in seine Neuburger Heimat zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg fanden die Folgen seiner Tat sogar Aufnahme in den Versailler Friedensvertrag. In Artikel 246, dem wohl skurrilsten dieses Vertrages, forderten die Siegermächte von Deutschland die Überschen gabe des präparierten Kopfes von Sultan Mkwawa an die Briten. Es folgte eine jahrzehntelange Diplomatenposse, von der Merkl weitgehend unbehelligt blieb. Er hatte sich inzwischen in Laisacker angesiedelt, 1911 das Auschlösschen gekauft und lebte nun als Landwirt bzw. als Gutsbesitzer von seinem Vermögen. Er engagierte sich in der Politik und war bald neben Martin Loibl der maßgebliche Politiker der BVP in Neuburg, die hier wie in ganz Bayern den weitaus größten Wählerzuspruch in der damals jungen Demokratie verzeichnen konnte. Die BVP stellte Merkl 1920 als Landtagskandidat für den Stimmkreis NeuburgMonheim auf und als Nachrücker kam er 1922 zum Zug. Bei den Wahlen 1924 (Stimmkreis Neuburg-Nördlingen), 1928 und 1932 (jeweils Stimmkreis Neuburg) wurde er bestätigt. Merkl war fast seine gesamte Abgeordnetenzeit Mitglied des Wirtschaftsausschusses und zeitweise auch Mitglied des Haushaltsund des Verfassungsausschusses sowie des Ausschusses für Besoldungsordnung. 1932 bis 1933 gehörte er als Schriftführer sogar zum Landtagspräsidium. Seine Zeit im Landtag endete wie die vieler anderer Abgeordneter mit der 1933 von den Nationalsozialisten erzwungenen Neuzusammensetzung des Parlaments („gleichgeschalteter Landtag“). Johann Merkl lebte noch fast 30 Jahre, bis 1948 im Auschlösschen und dann in Neuburg. Er starb hier nach einem bewegten Leben am 27. März 1962.