Neuburger Rundschau

Wer für Neuburg im Landtag saß

Ein Haudegen, Weltenbumm­ler und Gutsbesitz­er im Parlament

- VON DR. MARKUS NADLER Foto: © Bildarchiv Bayerische­r Landtag Handbuch 1923

Der Freistaat Bayern feiert heuer seinen 100. Geburtstag. In einer Serie stellt der Historiker Dr. Markus Nadler, Leiter der Landtagsbi­bliothek und Ausschussm­itglied im Historisch­en Verein, die Abgeordnet­en in diesem Zeitraum vor. Den vierten Teil der Serie lesen Sie in der heutigen Ausgabe. München/Neuburg Nach dem Ende der Monarchie in Bayern 1918 fanden bis zur NS-Diktatur fünf Landtagswa­hlen statt, nämlich 1919, 1920, 1924, 1928 und 1932. Gewählt wurde zwar auch in dieser Zeit getrennt nach Stimmkreis­en mit je einer Stimme für einen Kandidaten, aber die Mandate wurden dann in den Regierungs­bezirken nach Verhältnis­wahlrecht vergeben. Dies führte dazu, dass in manchen Stimmkreis­en mehrere Kandidaten ein Landtagsma­ndat erhielten, während es in anderen Kreisen gar kein Bewerber ins Parlament schaffte.

Von 1922 bis 1933 und damit in politisch instabilen und turbulente­n Zeiten war der Vertreter Neuburgs im Bayerische­n Landtag Johann Merkl (*1870, †1962). Er kam zunächst als Nachrücker der Bayeri- Volksparte­i (BVP) ins Hohe Haus und wurde dann drei Mal wiedergewä­hlt.

Merkl hatte einen abenteuerl­ichen Lebenslauf und brachte es auf ungewöhnli­che, ja makabre Weise zu einer gewissen internatio­nalen Berühmthei­t. Geboren 1870 in einem kleinbäuer­lichen Anwesen in Stepperg, verpflicht­ete er sich nach dem Militärdie­nst freiwillig zunächst bei der bayerische­n Armee und dann 1893 bei der kaiserlich­en Schutztrup­pe der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, dem heuti- gen Tansania. Dort war ein Aufstand gegen die deutsche Kolonialma­cht ausgebroch­en und Merkl bekämpfte jahrelang die Rebellen und insbesonde­re deren Anführer, Häuptling oder Sultan Mkwawa. Verfolgt und in aussichtsl­oser Lage beging dieser schließlic­h Selbstmord und Feldwebel Merkl, der Mkwawa als Erster weitab von Siedlungen fand, überbracht­e der Kolonialve­rwaltung zum Beweis für den Tod des Hauptfeind­es dessen Schädel. Der Aufstand war damit beendet und Merkl wurde für seinen Einsatz nicht nur ausgezeich­net, sondern er erhielt sogar eine stattliche Belohnung. Sie war der Grundstock für sein erfolgreic­hes Wirken als Farmer und Kaufmann in Marangu am Kilimandsc­haro von 1896 bis 1906.

Er betrieb Kaffee- und Baumwollan­bau, Vieh- und Straußenzu­cht und er ging auf Reisen in Afrika sowie nach Mittelamer­ika und Indien. Als vermögende­r Mann kehrte er dann in seine Neuburger Heimat zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg fanden die Folgen seiner Tat sogar Aufnahme in den Versailler Friedensve­rtrag. In Artikel 246, dem wohl skurrilste­n dieses Vertrages, forderten die Siegermäch­te von Deutschlan­d die Überschen gabe des präpariert­en Kopfes von Sultan Mkwawa an die Briten. Es folgte eine jahrzehnte­lange Diplomaten­posse, von der Merkl weitgehend unbehellig­t blieb. Er hatte sich inzwischen in Laisacker angesiedel­t, 1911 das Auschlössc­hen gekauft und lebte nun als Landwirt bzw. als Gutsbesitz­er von seinem Vermögen. Er engagierte sich in der Politik und war bald neben Martin Loibl der maßgeblich­e Politiker der BVP in Neuburg, die hier wie in ganz Bayern den weitaus größten Wählerzusp­ruch in der damals jungen Demokratie verzeichne­n konnte. Die BVP stellte Merkl 1920 als Landtagska­ndidat für den Stimmkreis NeuburgMon­heim auf und als Nachrücker kam er 1922 zum Zug. Bei den Wahlen 1924 (Stimmkreis Neuburg-Nördlingen), 1928 und 1932 (jeweils Stimmkreis Neuburg) wurde er bestätigt. Merkl war fast seine gesamte Abgeordnet­enzeit Mitglied des Wirtschaft­sausschuss­es und zeitweise auch Mitglied des Haushaltsu­nd des Verfassung­sausschuss­es sowie des Ausschusse­s für Besoldungs­ordnung. 1932 bis 1933 gehörte er als Schriftfüh­rer sogar zum Landtagspr­äsidium. Seine Zeit im Landtag endete wie die vieler anderer Abgeordnet­er mit der 1933 von den Nationalso­zialisten erzwungene­n Neuzusamme­nsetzung des Parlaments („gleichgesc­halteter Landtag“). Johann Merkl lebte noch fast 30 Jahre, bis 1948 im Auschlössc­hen und dann in Neuburg. Er starb hier nach einem bewegten Leben am 27. März 1962.

 ??  ?? Johann Merkl
Johann Merkl

Newspapers in German

Newspapers from Germany