Fragwürdige Rolle des öffentlichen Gesundheitswesens
Johannes Donhauser wird für seine schonungslose Aufarbeitung der Nazi-Zeit geehrt
Osnabrück/Neuburg Große Ehre für Dr. Johannes Donhauser. Der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamtes Neuburg-Schrobenhausen wurde für seine besonderen Verdienste um das öffentliche Gesundheitswesen mit der Johann-PeterFrank-Medaille ausgezeichnet. Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) überreichte diesen Ehrenpreis auf seinem 68. wissenschaftlichen Kongress in Osnabrück.
Der ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende, Thomas Menn, bezeichnet den Preisträger in seiner Laudatio als „nahezu einzigen Protagonisten für die Aufarbeitung der Tätigkeiten des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) zur Zeit des Nationalsozialismus in den Jahren 1933-1945“. Menn betont auch Donhausers exzellente Kenntnis über die Rolle handelnder Personen aus dieser Zeit im westlichen Nachkriegsdeutschland bis in die frühen 1960er Jahre.
Johannes Donhauser setzt sich seit mehr als 20 Jahren dafür ein, die Rolle des ÖGD in der Nazi-Zeit aufzuklären. Er hält hierzu Veröffentlichungen und Vorträge; das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit mehr als 120000 Euro finanzierte Forschungsprojekt zu diesem Thema wurde von ihm wesentlich mitgestaltet und begleitet.
Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst des Freistaates begann Donhauser mit seinen Recherchen zur Umsetzung der sogenannten Erbgesundheitspflege und den rassehygienischen Ideologien der Nationalsozialisten durch die Gesundheitsämter und die dort tätigen Amtsärzte.
Donhauser stellte fest, dass bis Mitte der 1990er Jahre die Rolle des öffentlichen Gesundheitsdienstes unter der nationalsozialistischen Gesetzgebung nur bruchstückhaft aufgearbeitet worden war. Die amtsärztliche Zustimmung zu Zwangssterilisationen und später in den frühen 1940er Jahren zur Kinder-Euthanasie wurde durch die Gesundheitsämter als zuständige Behörde in den damals geltenden formalen rechtlichen Rahmen gestellt. Donhauser stellte anhand noch vorhandener Archiv-Akten fest, wie Ärzte sich damals der Ideologie der Rassenhygiene und Erbgesundheitspflege anpassten und die menschenverachtenden Vorgaben der damaligen Ideologie im Sinne des Staates umsetzten.
Er konstatierte, dass auch nach 1945 bis in die frühen 1960er Jahre eine Reihe von Ärzten, die die nationalsozialistische Ideologie unterstützt hatten, in Bereichen des öffentlichen Gesundheitswesens führende Positionen einnahmen und sogar teilweise versuchten, ihre Vorstellungen in der jungen Bundesrepublik Deutschland umzusetzen.
2007 veröffentlichte der Thieme Verlag in der Fachzeitschrift „Das öffentliche Gesundheitswesen“ein Sonderheft mit den Forschungsergebnissen von Donhauser zur Rolle der Gesundheitsämter in den Jahren 1933-1945. Diese ehrenamtlichen, außerhalb seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit durchgeführten Forschungen haben in den vergangenen 20 Jahren eine kritische Auseinandersetzung damit erlaubt, wie der öffentliche Gesundheitsdienst sich dem Nationalsozialismus angepasst hat. Donhauser betont in seinen Veröffentlichungen und Vorträgen an wissenschaftlichen Institutionen nachdrücklich, dass sich der öffentliche Gesundheitsdienst mit seinen handelnden Personen stets seiner verantwortungsvollen Rolle als staatliche Behörde gegenüber den Menschen bewusst sein muss.
Mit der Johann-Peter-FrankMedaille, der höchsten Auszeichnung, des BVÖGD, werden jährlich anlässlich des wissenschaftlichen Kongresses des Verbands wichtige Persönlichkeiten für das öffentliche Gesundheitswesen ausgezeichnet. Johann Peter Frank, 1745 im pfälzischen Rodalben geboren, gilt als Begründer der öffentlichen Hygiene und als Wegbereiter eines sozialmedizinisch geprägten öffentlichen Gesundheitsdienstes.