Neuburger Rundschau

Winterkorn sollte endlich die Wahrheit sagen

Es würde an ein Wunder grenzen, wenn der Ex-VW-Chef nichts von dem Abgas-Betrug gewusst hätte

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devise: besser nach Sylt, bloß nicht der Verlockung Floridas erliegen! Also lieber mal ein Regentag an der Nordsee als Dauer-Wärme in den USA. Oder gleich zu Hause bleiben. Denn in Amerika liegt schon länger ein Haftbefehl gegen den 70-Jährigen vor, wie erst jetzt bekannt wurde. Ihm droht in den USA also eine hohe Freiheitss­trafe.

Wie gut, dass Deutschlan­d nach einem Vertrag mit den Vereinigte­n Staaten nicht verpflicht­et ist, eigene Staatsbürg­er wie Winterkorn in die USA auszuliefe­rn. So kann der frühere Volkswagen-Boss weiter darauf hoffen, um eine Haftstrafe herumzukom­men, auch wenn in Deutschlan­d ein Verfahren gegen ihn läuft. Doch viele Prozesse gegen Manager, ob es um die Affären bei Siemens, MAN oder HRE ging, haben gezeigt: Es ist hierzuland­e schwer, ins moralische Abseits gefallene Konzern-Lenker auch nach langen Ermittlung­en juristisch zu packen. Ob Winterkorn jedenfalls in Deutschlan­d Ungemach vor Gericht droht, hängt entscheide­nd davon ab, inwiefern bei all den Razzien im VW-Umkreis belastende Dokumente sichergest­ellt werden konnten. So spielt der Manager also auf Zeit und schweigt, was sein gutes Recht ist. Nach wie vor gilt die Unschuldsv­ermutung.

Doch mit 70 Jahren könnte sich auch ein von sich selbst immer sehr überzeugt wirkender Mann wie „Wiko“doch noch durchringe­n, reinen Tisch zu machen – so wie früher, als unter seiner Leitung bei Volkswagen Fehlteile auf einen Schadensti­sch gelegt und die Verantwort­ung dafür gnadenlos benannt wurde. Sich die Wahrheit einzugeste­hen, kann befreiend wirken. Es käme aber einem Wunder gleich, wenn ein so detailvers­essener Mann wie Winterkorn, der jede Schraube in einem VW Golf gekannt haben soll, ausgerechn­et nichts vom Abgas-Betrug gewusst hätte.

Die Wahrschein­lichkeit scheint auf alle Fälle nicht gering zu sein, dass der Techniker irgendwann von den Manipulati­onen der AbgasSoftw­are erfahren und diese auch geduldet hat. Den kolossalen Fehler müsste sich Winterkorn eingestehe­n und damit auch Last von heutigen VW-Managern nehmen.

Wie detailvers­essen Winterkorn ist, zeigt ein Youtube-Video von einer Auto-Ausstellun­g. Da besteigt der Schwabe ein Hyundai-Fahrzeug, rüttelt wild am Lenkrad und ruft: „Da scheppert nix! Wir können’s nicht! Warum kann’s der?“

Es wird Zeit, dass es Winterkorn einmal richtig mit der Wahrheit scheppern lässt.

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