Soll Alkohol teurer werden?
In Schottland wurde nun ein Mindestpreis eingeführt. Experten halten das für eine gute Methode, um den Konsum etwa von Bier, Wein und Schnaps einzudämmen
Heidelberg In Schottland gibt es seit dem 1. Mai einen Mindestpreis für Alkohol. 57 Cent pro zehn Milliliter reinen Alkohols müssen die Schotten jetzt bezahlen. Nun gibt es auch in Deutschland Stimmen, die einen höheren Preis für Alkohol fordern – aus gesundheitlichen Gründen.
Für Professor Karl Mann beispielsweise ist ein höherer Preis die wichtigste Vorgehensweise, um Suchterkrankungen vorzubeugen. Mann forscht seit mehr als 30 Jahren zu Suchterkrankungen und hatte an der Universität Heidelberg den deutschlandweit ersten Lehrstuhl zur Suchtforschung inne. Der Zusammenhang zwischen Konsum und Preis sei in Studien hundertfach belegt, sagte Mann in einem Gespräch mit unserer Zeitung.
Anders als in anderen EU-Ländern sei Alkohol in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten im- billiger geworden, sagt Mann. Ein Grund dafür ist, dass die entsprechende Steuer hierzulande nicht angehoben wurde. Auch Zahlen des Europäischen Statistikamts Eurostat belegen dies. Das Preisniveau für Alkohol blieb in den vergangenen zehn Jahren weitgehend konstant. 2016 kostete Alkohol hierzulande in etwa soviel wie in Tschechien oder in der Slowakei.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), äußerte sich gegenüber der Funke-Mediengruppe skeptisch über die schottische Lösung. Billigalkoholika zum Discountpreis hätten zwar „nichts mehr mit Genuss zu tun“, sondern zielten auf Masse. Gerade Jüngere mit wenig Einkommen würden dadurch zum „Saufen“animiert. Dies zu ändern sei aber nicht nur Sache der Politik.
Professor Mann fordert trotzdem die Politik dringend zum Handeln auf. Ins gleiche Horn stößt die Münchner Medizinerin Gabriele Koller, die ebenfalls zum Thema Sucht forscht. Auch sie sieht Handlungsbedarf seitens der Politik. Laut Drogenbericht der Bundesregierung gehe zwar der Alkoholkonsum in Deutschland stetig zurück, ist aber im Vergleich zu anderen Ländern relativ hoch. Rund 74 000 Menschen sterben pro Jahr an den Folgen von Alkohol, sagt Koller. Zu bedenken seien auch die Verkehrsunfälle, die unter Alkoholeinfluss passieren. Die Kinder, die in einem Haushalt mit einem abhängigen Elternteil aufwachsen und die Gewalttaten, die unter Alkoholkonsum begangen werden.
Dass politisches Handeln durchaus etwas bewirken kann, zeigt ein Blick nach Frankreich. Dort wurde in den vergangenen Jahren der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von 17 Litern reinen Alkohols pro Jahr auf deutsches Niveau gesenkt, sagt Mann. Hierzulande stagmer niert der Durchschnittsverbrauch bei elf Litern. Neben einer Preiserhöhung wäre nach Einschätzung des Experten ein Werbeverbot, wie es in anderen EU-Ländern existiert, eine sinnvolle zweite Vorgehensweise.
Auch in Skandinavien, wo Alkohol deutlich teurer ist und zum Teil nur in speziellen Läden verkauft werden darf, sei der durchschnittliche Alkoholkonsum deutlich geringer. Dort liegt er bei etwa sieben Litern pro Jahr und Person. Außerdem leiden die Menschen dort seltener an Folgeerkrankungen wie Fettleber, sagt Mann.
Der Professor weist aber auch darauf hin, dass Preiserhöhungen und Werbeverbote Suchtkranke nicht beeinflussen: „Alkoholiker besorgen sich ihren Schnaps, egal, was er kostet.“Bei den Einsteigern hingegen, insbesondere Jugendlichen, würden diese Maßnahmen aber durchaus etwas bewirken.