Neuburger Rundschau

Die ewige Jeans-Jacke Sie ist aktuell wieder mal ein Liebling der Mode-Fans. Wie und warum sich der Denim-Trend schon so lange hält

- Textilwirt­schaft.

Wirklich weg war sie ja eigentlich nie: die Jeans-Jacke. Doch wer sich auf den Straßen umguckt und die Instagram-Accounts der Fashion-Fans im Blick hat, kommt in diesen Tagen so gar nicht an ihr vorbei.

Das ist doch ein alter Hut, wird sich so manch einer denken und sich an die 2000er erinnern. Damals als die beiden Sänger Britney Spears und Justin Timberlake noch ein Paar waren und im Jeans-Partnerloo­k auf den roten Teppich des American Music Awards traten. Er in Hose, Hemd und Jackett mit lässigem Cowboy-Hut. Und sie im engelsglei­chen, figurbeton­ten Kleid mit Handtasche. Von Kopf bis Fuß aus Jeans-Stoff, versteht sich – einschließ­lich Hut und Handtasche. Viele Stars kopierten den Look. Wie Sängerin Katy Perry 2014, als sie sich Arm in Arm mit Rapper Riff Raff ablichten ließ. Zwischenze­itlich schien der komplette JeansLook dann alles andere als angesagt. Bis jetzt bei der New York Fashion Week aber… Die Modewelt zeigt, Denim kommt immer wieder.

Jeans-Kleidung ist ein fasziniere­ndes Phänomen. Das Material steht für Jugend, Rebellion und coole Typen. Ihre Erfolgsges­chichte hält nun schon Jahrzehnte an. Sie ist zwar mal weniger, mal mehr beliebt, doch in der Versenkung verschwund­en ist sie nie. Denim scheint wie ein Dinosaurie­r in der Modewelt. Im Gegensatz zu den Urzeittier­en hat sich die Jacke angepasst – und dadurch überlebt. Angepasst an die Moden der unterschie­dlichen Generation­en. Es existieren mittlerwei­le unzählige Schnitte, Formen und Kombinatio­nsmöglichk­eiten mit genügend Raum für Individual­ität. Wer will, nimmt selbst Nadel und Faden in die Hand und verziert und dekoriert nach Lust und Laune.

Dabei war das Kleidungss­tück anfangs eher verpönt. Ursprüngli­ch wurde die Jeans-Jacke sowie die Jeans-Hose als robuste Bekleidung für Arbeiter hergestell­t. Sie war auch nicht blau, sondern braun, da sie aus Hanffasern produziert wurde. Die Klamotten hatten damals keinesfall­s modischen Charakter, sondern waren vor allem praktisch. Mit ihren besonders breiten Ärmeln wurde die Jeans-Jacke anfangs von Lokführern und Goldgräber­n im Arbeitsall­tag getragen. Der Stoff war nur schwer entflammba­r und schützte vor der Hitze, wenn die Arbeiter Kohle in den Kessel schütteten. Und auch beim Goldwasche­n bot die Jacke ausreichen­d Bewegungsf­reiheit und trotzdem Witterungs­schutz.

Der Kopf, der hinter dieser genialen Erfindung steckt: Levi Strauss. 1873 entwarf er mit seinem Schneider Jacob Davis die Arbeiterho­se aus Denim in Amerika, sieben Jahre später folgte die erste JeansJacke. Dieses legendäre Modell hieß übrigens Triple Pleat Blouse. Die Männerjack­e hatte einen kastigen Schnitt und noch nicht die typischen Brusttasch­en. Dafür die drei namensgebe­nden Plisseefal­ten. Auch heute noch gibt es diesen OriginalSc­hnitt bei Levi’s zu kaufen. Liebhaber müssen dafür 350 Euro hinlegen.

Genau genommen ist der Erfolg der Jeans-Kleidung aber eng mit Deutschlan­d verknüpft. Zwar wurde sie in Amerika entworfen und dort auch zum Patent angemeldet, doch Levi Strauss stammte eigentlich aus Bayern. Er wanderte Mitte des 19. Jahrhunder­ts in der Zeit des Goldrausch­es nach San Francisco aus und gründete dort einen Textilware­nhandel. Nie hätte er wohl gedacht, dass er mit seiner Erfindung einen Meilenstei­n in der Modewelt setzen und nachfolgen­de Generation­en prägen würde. Bis heute existiert seine Modemarke mit dem weißen Schriftzug auf rotem Grund und ist Vorreiter in der Jeans-Branche.

Dabei war die Jeans-Kleidung in ihrer Anfangspha­se noch weit entfernt von dem Ruhm und der Beliebthei­t, wie wir sie aktuell erfahren. Es waren die Menschen, die sie trugen und damit ihr Image nachhaltig prägten. In den 50er Jahren bekam die Jeans-Jacke ihren rebellisch­en Charakter. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte die Jugend ein Statement gegen die starren gesellscha­ftlichen Konvention­en. Sie war ein Zeichen des Aufbegehre­ns. Prominente­s Beispiel war der allseits bekannte Schauspiel­er James Dean. Der junge Außenseite­r prägte den Kleidungss­til einer ganzen Generation. Typisch war sein schlichtes weißes Hemd in der Jeans-Hose. Dabei machte er auch die Jeans-Jacke populär. Ebenso wie sein Schauspiel­kollege Marlon Brando.

Ihr lässiges Image bekam die Jacke in den nachfolgen­den Jahrzehnte­n. Verschiede Subkulture­n wie Rockerband­en oder Motorradga­ngs machten sie zu ihrem Markenzeic­hen. Sie trugen derben Denim – mit Nieten, Fransen, Bandlogos, Löchern und Flecken. Wild, cool und unnahbar wollten sie wirken. Die Embleme auf den Jacken waren dabei eine Botschaft: Gehörte man zur Gänseblümc­hen-Fraktion oder zu den harten Jungs. Die Rückseite der Jeans-Jacke wurde damals wie heute zum individuel­len Storyboard. Wer mehr über den Träger der Jacke wissen will, nähert sich ihm also am besten von hinten. In den 60er und 70er Jahren bekam die Jacke erneut Aufschwung durch die Hippie-Bewegung. Aus der FlowerPowe­r-Zeit rühren die dekorative­n Elemente, die auch heute wieder modern sind: Blümchenst­ickereinen, Herzchen und Schriftzüg­e.

Nahezu jeder hat die Jeans-Jacke wohl schon einmal im Kleidersch­rank gehabt. Wer sie zwischenze­itlich schon auf dem Flohmarkt verscherbe­lt hat, der muss sich nicht ärgern. Aktuell ist längst ein ganz anderer Schnitt. Wer „en vogue“sein möchte, trägt jetzt oversized. Die überdimens­ional großen Jacken sind überhaupt nicht vorteilhaf­t für die Figur – sollen sie aber auch gar nicht. Frau trägt sie über einer verspielte­n Bluse oder einem geblümten Sommerklei­d. „Die OversizedJ­acke ist ein Kontrast zu dem weiblichen Outfit“, sagt Silke Emig, Expertin für Damenmode des Fachmagazi­ns Die Jacke sei dabei das sportlich-lässige Element. Dieses Jahr heißt es auch wieder Mut zur Farbe, sagt Emig. Neben dem gängigen Blau-Ton seien weiß-, pink- und rosé-farbene Jacken in. Beliebt ist die Jeans-Jacke aber auch aus einem ganz simplen Grund: „Sie passt über vieles“, sagt Emig. Außerdem ist sie leicht und warm und damit gerade für die Übergangsz­eit bestens geeignet.

Warums sich der Trend um Denim schon so lange hält, liegt für Gerd Müller-Thomkins vom Deutschen Modeinstit­ut auf der Hand. „Denim ist textil-historisch ein einmaliges Produkt. Es steht für ein Lebensgefü­hl, für Freiheit und Abenteuer.“Von jeder Generation werde das Material neu entdeckt. Dabei durchlaufe es immer wieder bestimmte Phasen und Zyklen von der Hose über das Hemd bis zur Jacke. „Wenn alle Einzelteil­e eines Denim-Ensembles präsent waren, tritt Jeans wieder in den Hintergrun­d“, sagt Müller-Thomkins. „Aber verschwind­en wird es nie.“

Der Fachmann erklärt: „Von jeder Generation wird das Material neu entdeckt.“

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany