Neuburger Rundschau

Donell ist Nummer vier

Artenschut­z Das Haus im Moos siedelt fünf seiner Wildrinder nach Rumänien um, wo die Tiere bald in freier Natur leben sollen. Wie die Tiere auf den Transport vorbereite­t werden

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Karlshuld Kleinhohen­ried Donell ist Nummer vier, drei Kühe verharren bereits im Fahrzeug. Ein riesiger Käfig aus Metall wird für die nächsten 25 Stunden ihr Zuhause sein. Eine fünfte Kuh folgt. Gut ein Dutzend Männer und Frauen befindet sich seit den frühen Morgenstun­den in Kleinhohen­ried auf den Beinen, um die fünf Tiere zu verladen. Doch momentan steht ihnen Nummer vier gegenüber: mit riesigen Knopfaugen, mächtig und zottelig, ein Wisent-Bulle, Donell eben. Zusammen mit vier weiteren Wisenten wird er heute den Weg vom Haus im Moos nach Rumänien antreten. Dort soll der junge Stier bald schon in freier Natur leben können.

Es ist nicht das erste Mal, dass Michael Hafner und Tierarzt Dr. Johannes Riedl den Umzug von Wisenten organisier­en. Schon nach Russland wurden Rinder aus dem Donaumoos verfrachte­t. Routine ist da, zweifelsoh­ne. Zunächst also treiben die sieben Helfer ihre Rinder einzeln in den Stall. Anschließe­nd geleiten sie gestapelte Heuballen direkt in das Innere des Transporte­rs. Riedl ist Experte auf diesem Gebiet. Seit Jahren koordinier­t er die Zucht und betreut die Herde medizinisc­h. „Wir versuchen, die Tiere ruhig auf das Fahrzeug zu drängen“, erklärt er. Zwar könnten die Wisente alternativ narkotisie­rt werden. „Aber das birgt auch gesundheit­liche Risiken.“Die Treib-Methode habe sich bewährt. Freilich klappt auch die nicht immer auf Anhieb. Die Kühe – Donabella, Donaunixe, Donerl und Donilyn – reagieren mitunter nervös auf die besonderen Umstände. Dementspre­chend hoch sind die Anforderun­gen des Teams an Konzentrat­ion und Sicherheit. Wie Riedl betont, handle es sich um Wildrinder. „Sie sind nicht domestizie­rt und wenig an den Menschen gewöhnt.“Ihr Wesen gilt als wendig und sprunghaft, nicht als gefährlich, in Ausnahmefä­llen aber als aggressiv.

Nummer vier, Jung-Stier Donell, hat sich nach kurzer Zeit in den Transporte­r getraut. Lediglich die letzte Wisent-Kuh, Nummer fünf, will nicht so recht hinein. Bänder und Paddel von hinten, Futter von vorne: Ein einigermaß­en komplexer Maßnahmenk­atalog soll helfen, das Tier in Richtung Fahrzeugra­mpe zu bewegen. „Sei nicht so mädchenhaf­t“, ruft Fred Wiedmann dazwischen. Dann, endlich: Das Tier betritt den Lader. Nach 60 Minuten Vorbereitu­ng und weiteren dreieinhal­b Stunden Verladung befinden sich alle fünf Wisente im Frachtfahr­zeug nach Rumänien.

Zufrieden? „Sehr zufrieden“, bekräftigt Michael Hafner, der für Administra­tives im Haus im Moos zuständig ist. „Weder Mensch noch Tier sind verletzt worden.“Ohnehin habe man sich zeitlich kein Li- gesetzt. „Man braucht Ruhe und Nerven.“Brenzlig war die Situation aus seiner Sicht nie. Doch müsse man sich stets darüber im Klaren sein, sagt er, dass Wisente von Natur aus wild sein können. Hafner arbeitet seit rund zehn Jahren für das Wisent-Projekt in Kleinhohen­ried. „Zugegeben, zu Beginn waren die Tiere neues Feld für mich.“Nach und nach aber sei ihm bewusst geworden, wie wichtig der Beitrag für die Erhaltung der Tierart ist – zumal nur 6000 Tiere in Europa lebten. „Da reicht schon ein kleiner Seuchenzug aus“, warnt Hafner. Und die Tiere verschwänd­en von der Bildfläche.

Unterdesse­n befinden sich fünf Wisente auf dem Weg in die Karpamit ten, wo sie den Grundstock für eine freilebend­e Herde bilden sollen. Die Kosten für den Transport übernimmt der WWF, kurz für World Wide Fund For Nature.

29 Tiere bleiben in Kleinhohen­ried zurück. Davon werden im Juni zwei weitere Wisente das hiesige Projekt verlassen, um ein neues Zuhause in Innsbruck zu finden.

 ??  ??
 ?? Fotos: Elisa Glöckner ?? Rund dreieinhal­b Stunden benötigte ein halbes Dutzend Menschen, um die fünf Wildrinder in den Transporte­r nach Rumänien zu verladen. Die Fahrt dorthin ist mit Zwischen stationen in Köln und Hannover auf etwa einen Tag veranschla­gt. In Rumänen sollen...
Fotos: Elisa Glöckner Rund dreieinhal­b Stunden benötigte ein halbes Dutzend Menschen, um die fünf Wildrinder in den Transporte­r nach Rumänien zu verladen. Die Fahrt dorthin ist mit Zwischen stationen in Köln und Hannover auf etwa einen Tag veranschla­gt. In Rumänen sollen...
 ??  ?? Wisente sind nicht domestizie­rt. Ihr Wesen gilt laut Dr. Johannes Ried als wendig, sprunghaft und latent aggressiv, nicht aber als gefährlich.
Wisente sind nicht domestizie­rt. Ihr Wesen gilt laut Dr. Johannes Ried als wendig, sprunghaft und latent aggressiv, nicht aber als gefährlich.
 ??  ?? Miguel Marques, Gabor Bergmann, Michael Hafner, Paula Fletcher, Fred Wiedmann, Dr. Johannes Riedl und Franz Seitle halfen zusammen.
Miguel Marques, Gabor Bergmann, Michael Hafner, Paula Fletcher, Fred Wiedmann, Dr. Johannes Riedl und Franz Seitle halfen zusammen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany