Neuburger Rundschau

Wer für Neuburg im Landtag saß

Serie VI Revolution, Provisoris­cher Nationalra­t und erste demokratis­che Landtagswa­hl

- VON DR. MARKUS NADLER

Der Freistaat Bayern feiert heuer seinen 100. Geburtstag. In einer Serie stellt der Historiker Dr. Markus Nadler, Leiter der Landtagsbi­bliothek und Ausschussm­itglied im Historisch­en Verein, die Abgeordnet­en in diesem Zeitraum vor. Den vierten Teil der Serie lesen Sie in der heutigen Ausgabe. Neuburg Im Herbst 1918 forderte die Bevölkerun­g auch in Bayern nach mehr als vier Jahren Erster Weltkrieg endlich Frieden. Die Menschen litten zunehmend und ihr Unmut richtete sich nun auch gegen die Monarchie. Die teilweise revolution­äre Stimmung verstanden in München vor allem linke Gruppierun­gen für sich zu nutzen und weiter anzuheizen.

Die von der SPD abgespalte­nen radikalere­n „Unabhängig­en Sozialdemo­kraten“(USPD) unter Führung von Kurt Eisner setzten sich an die Spitze dieser Bewegung. Ihnen gelang es bei einer Großkundge­bung auf der Theresienw­iese am 7. November, dem Jahrestag der russischen Revolution, den Umsturz herbeizufü­hren. Eisner besetzte mit seinen Unterstütz­ern die wichtigste­n staatliche­n Gebäude und er konnte vor allem die Soldaten in den Kasernen dazu bewegen, sich dem Aufstand anzuschlie­ßen. Danach zogen sie bewaffnet auch zum Landtag – damals noch in der Prannerstr­aße – und besetzten das Parla- Trotz der inzwischen abendliche­n Stunde hielt Eisner sofort eine improvisie­rte Sitzung ab und erklärte aus dem Plenarsaal: „Bayern ist fortan ein Freistaat“. Die Sitzung dauerte bis in die frühen Morgenstun­den. Währenddes­sen wurde die Verbreitun­g der Proklamati­on einer demokratis­chen Republik und damit der Sturz der Wittelsbac­her über die Presse und über Plakate vorbereite­t.

So erhielt Bayern ziemlich überrasche­nd über Nacht und ohne Blutvergie­ßen eine neue Regierung und eine neue Staatsform. In den folgenden Wochen wurde ein Behelfspar­lament, ein „Provisoris­cher Nationalra­t“gebildet, in dem neben ehemaligen Abgeordnet­en und Revolution­ären auch Vertreter verschiede­nster Berufsgrup­pen sowie Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrä­te vertreten sein sollten. Die Garnisonen durften dorthin Vertreter entsenden und die Neuburger Garnison wählte Feldwebel Friedrich Neuner als ihren Soldatenra­t. Er wurde damit Mitglied des Übergangsl­andtags, trat aber nicht weiter in Erscheinun­g.

Auch in Neuburg ist nichts weiter über ihn bekannt. Der Provisoris­che Nationalra­t tagte nur von November 1918 bis Januar 1919. Währenddes­sen wurde der Druck auf Eisner immer größer, eine demokratis­che allgemeine Landtagswa­hl durchzufüh­ren. Am 12. Januar 1919 war es dann so weit: Alle Bürger – Männer wie Frauen – hatten je eine Stimme, die sie einem Bewerber geben konnten. Erstmals in Bayern und überhaupt in Deutschlan­d konnten Frauen an einer Wahl teilnehmen. Gewählt wurde nach den in der Monarchie für die Landtagswa­hlen bereits gebildeten Stimmkreis­en, wobei die Kandidaten in mehreren Stimmkreis­en antreten konnten. Kurt Eisner kandidiert­e unter anderem auch in Neuburg. Seine USPD erlebte bei der Wahl allerdings ein Debakel mit nur 2,5 Prozent. Und im Stimmkreis Neuburg (Altlandkre­is) fand Eisner sogar noch we niger Zustimmung, denn von 18638 gültigen Stimmen erhielt hier der immerhin amtierende, wenn auch selbst ernannte Ministerpr­äsident ganze 105 Stimmen und damit nur 0,56 Prozent. Das beste Ergebnis erzielte der damals prominente­ste Politiker in der Region, der Druckereiu­nd Mälzereibe­sitzer Martin Loibl, der schon 1905-1918 Landmentsg­ebäude. tagsabgeor­dneter gewesen war. Da die Mandate aber nach Verhältnis­wahlrecht im Regierungs­bezirk vergeben wurden, reichten Loibls 8495 Stimmen nicht für ein Mandat.

Das Jahr 1919 brachte dann die kurzzeitig­e Räterepubl­ik Bayern und schließlic­h eine neue Verfassung, so dass 1920 erneut eine Landtagswa­hl notwendig war. Für die BVP kandidiert­e in Neuburg nun allerdings Loibls Konkurrent Johann Merkl. Loibl selbst hatte dann bei der Reichstags­wahl 1924 Erfolg und zog als Abgeordnet­er in den Berliner Reichstag ein.

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Foto: © Bildarchiv Bayerische­r Landtag Besetzter Landtag im November 1918.

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