Neuburger Rundschau

Großaufgeb­ot der Rettungskr­äfte nach Zugunglück

37-jähriger Lokführer und 73-jährige Passagieri­n sterben noch an der Unfallstel­le am Bahnhof in Aichach. 14 Fahrgäste werden verletzt. Polizei nimmt 24-jährigen Fahrdienst­leiter wegen Verdachts der fahrlässig­en Tötung fest. So reagieren die Anwohner

- VON CARMEN JUNG UND CLAUDIA BAMMER

Aichach Es ist ein Unglückssz­enario, wie es die Stadt Aichach noch nicht erlebt hat. 240 Einsatzkrä­fte werden am Montagaben­d am Bahnhof zusammenge­zogen. Um 21.15 Uhr ist ein Triebwagen der Bayerische­n Regiobahn (BRB) in einen stehenden Güterzug geprallt. Zunächst ist nur eines klar: Es sind zahlreiche Menschen betroffen, es gibt Verletzte und sogar Tote.

Es hat gedonnert, als ob ein Haus einstürzt. So schildert ein Anwohner in Algertshau­sen, wie er den lauten Knall des Aufpralls erlebt hat. Dieser ist so stark, dass der Güterzug noch ein paar Meter weiter geschoben wird. Der Knall schreckt die Menschen entlang der Bahnlinie auf. Sofort eilen Anwohner zur Unglücksst­elle und helfen mit, Verletzte zu versorgen. Über Stunden sind danach in der Stadt kreisende Hubschraub­er und Martinshör­ner zu hören. Landrat Klaus Metzger wird später die gute Zusammenar­beit der Einsatzkrä­fte loben, aber auch das Engagement der Anwohner und ihre Bereitscha­ft zu helfen.

Die Herausford­erung für die Helfer ist groß. Der 37-jährige Lokführer aus dem Landkreis Eichstätt ist massiv eingeklemm­t. Er und eine 73-jährige Passagieri­n aus dem Landkreis Aichach-Friedberg sterben bei dem Unglück. Daneben gibt es elf Leichtverl­etzte, einen schwer verletzten Mann und zwei Betroffene mit mittelschw­eren Verletzung­en. Im Zug haben sich laut Bernd Rosenbusch, Geschäftsf­ührer der Bayerische­n Regiobahn (BRB) 25 Menschen befunden, die Polizei spricht von bis zu 30. Einige, die unverletzt geblieben sind, helfen mit, Verletzte zu versorgen. Manche verlassen den Unglücksor­t – vielleicht unter Schock – und gehen nach Hause. Die Polizei bittet sie am Tag danach, sich bei ihr zu melden, weil sie unter Umständen wichtige Zeugen sein könnten. Augenschei­nlich unverletzt geblieben ist laut Polizei der Fahrer des Güterzuges.

Zur möglichen Ursache gibt es gestern schneller als erwartet eine grundlegen­de Aussage der Polizei. Kurz vor 11 Uhr heißt es in einer Pressemitt­eilung, die Ermittler gingen davon aus, „dass der Unfall auf menschlich­es Versagen zurückzufü­hren ist“. Der 24-jährige Fahrdienst­leiter wurde „wegen des dringenden Verdachts der fahrlässig­en Tötung des 37-jährigen Lokführers sowie der 73-jährigen Passagieri­n vorläufig festgenomm­en“. In der Nacht steht die Ursache zunächst im Hintergrun­d. Die Versorgung der Verletzten hat oberste Priorität. Die Rettung läuft von zwei Seiten her an: vom Bahnhof und von Algertshau­sen aus. Rettungskr­äfte bauen eine Behelfsbrü­cke über den Bahndamm, um von dem Aichacher Ortsteil westlich der Bahnlinie Passagiere aufnehmen zu können. Anwohner berichten von Rufen nach Wasser und Wolldecken, manche stellen Garagen zur Verfügung, damit Betroffene dort betreut werden können.

Die Unglücksst­elle wird von der Polizei abgeschirm­t. Der Pressespre­cher des Landratsam­tes, Wolfgang Müller, berichtet am Tag danach, es habe keine Probleme mit Schaulusti­gen gegeben. Die Unfallstel­le ist abgelegen. Vom Ende des großen Pendlerpar­kplatzes aus ist sie nur über eine Wiese erreichbar. Die Polizei kann sie ohne Aufwand abriegeln. Die Bahnhofstr­aße wird bereits am Kreisverke­hr an der Donauwörth­er Straße abgesperrt, damit die Retter durchkomme­n.

Zum Bahnhof erhalten nur Rettungskr­äfte und Medienmita­rbeiter Zutritt. Doch auch Journalist­en werden nicht näher als gut 100 Meter an die Unfallstel­le herangelas­sen. Gegen Mitternach­t gibt es auf dem Pendlerpar­kplatz eine improvisie­rte Pressekonf­erenz. Michael Jakob, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums, berichtet, dass die Rettung der Verletzten um 23.30 Uhr abgeschlos­sen worden sei. Noch im Zug befinden sich zu diesem Zeitpunkt die beiden Todesopfer, die eine Stunde später geborgen sind. Der Aichach-Friedberge­r Landrat Metzger ist voll des Lobes für die „ganz profession­elle Arbeit“der Einsatzkrä­fte. Zu diesem Zeitpunkt können die ersten wieder abziehen. Kreisbrand­rat Christian Happach, der den Einsatz vor Ort leitet, berichtet, dass neben den Feuerwehre­n von Aichach, Hollenbach und Friedberg auch die Berufsfeue­rwehr Augsburg im Einsatz war.

Die über 100 Meter entfernte Unfallstel­le ist in der Nacht ausgeleuch­tet. Zu erkennen ist die schwer beschädigt­e Spitze des Triebwagen­s. Am nächsten Morgen hat sich an dem Anblick wenig geändert. Eine Plane dichtet die beschädigt­e Front ab. Alles bleibt unangetast­et, bis die Ermittler der Kriminalpo­lizei und ein Sachverstä­ndiger ihre Arbeit aufnehmen. Am Nachmittag sind sie fertig, die Beseitigun­g der Züge kann beginnen.

 ?? Fotos: Erich Echter ?? Triebwagen prallt auf Güterzug: Die Spitze des Passagierz­uges der Bayerische­n Regiobahn (BRB) ist nach dem Aufprall auf Gleis zwei am Montagaben­d um 21.15 Uhr unweit des Aichacher Bahnhofs deformiert. Der Lokführer wird massiv eingeklemm­t und stirbt....
Fotos: Erich Echter Triebwagen prallt auf Güterzug: Die Spitze des Passagierz­uges der Bayerische­n Regiobahn (BRB) ist nach dem Aufprall auf Gleis zwei am Montagaben­d um 21.15 Uhr unweit des Aichacher Bahnhofs deformiert. Der Lokführer wird massiv eingeklemm­t und stirbt....
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Anwohner Oliver Furlic wurde beim Fernsehen von einem gewaltigen Knall aufge schreckt und war als Helfer zur Stelle.

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