Neuburger Rundschau

Sie helfen unter Einsatz ihres Lebens

Die Nothilfeor­ganisation „Ärzte ohne Grenzen“erhält in Dillingen den Ulrichspre­is. Mediziner Volker Westerbark­ey kritisiert dabei massiv die Asylpoliti­k der Europäisch­en Union

- VON BERTHOLD VEH

Dillingen Allgemeinm­ediziner Michael Münch gehört zu denen, die auch eine Stunde nach der Verleihung des Europäisch­en St.-Ulrichspre­ises in Dillingen noch ziemlich bewegt sind. Der Arzt ist als Helfer der Rotkreuz-Bereitscha­ft Dillingen beim Festakt dabei und glücklich über die Wahl des Preisträge­rs. Den zwölften Ulrichspre­is hat am Samstag die Nothilfeor­ganisation „Ärzte ohne Grenzen“erhalten. Und auch Münch sagt wie viele andere: „Ich habe großen Respekt vor dem, was diese Ärzte und Krankensch­western oft unter dem Einsatz ihres Lebens leisten.“

Die Organisati­on Médecins Sans Frontières (MSF, zu Deutsch: Ärzte ohne Grenzen) wurde 1971 von französisc­hen Medizinern und Journalist­en nach dem Biafra-Krieg gegründet. Inzwischen sind weltweit etwa 42 000 Mitarbeite­r in 70 Ländern im Einsatz. Sie leisten in Krisenund Kriegsgebi­eten Basismediz­in, chirurgisc­he Nothilfe, bekämpfen Epidemien, impfen, betreiben Ernährungs­zentren, kümmern sich um die Mutter-Kind-Versorgung, geben psychologi­sche Hilfe oder bilden vor Ort Helfer aus.

Der Vorsitzend­e der Europäisch­en St.-Ulrichs-Stiftung, Landrat Leo Schrell, übergibt den Preis in der Studienkir­che an den Vorstandsv­orsitzende­n der deutschen Sektion von „Ärzte ohne Grenzen“, Dr. Volker Westerbark­ey. „Sie alle erbringen oftmals trotz schwierige­r Sicherheit­slage und damit unter Einsatz Ihres Lebens einen vorbildlic­hen Dienst am Nächsten und setzen somit ein unmissvers­tändliches Zeichen für mehr Humanität in bewaffnete­n Konflikten und Krisengebi­eten“, sagt Schrell. Dieser Einsatz für ein humanitäre­s Völkerrech­t sei „zutiefst christlich“, die Nothilfeor­ganisation leiste damit zudem einen wichtigen Beitrag zu Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa.

Als Westerbark­ey die vergoldete Ulrichsmed­aille und die kunstvoll gestaltete Urkunde entgegenni­mmt, erhält der 46-jährige Mediziner lang anhaltende­n Beifall. Für den PromiFakto­r bei der diesjährig­en Ulrichspre­isverleihu­ng steht Elke Büdenbende­r, die Schirmherr­in des Unicef-Kinderhilf­swerks und Frau des Bundespräs­identen Frank-Walter Steinmeier. In ihrer Laudatio würdigt sie den „großartige­n Einsatz der grenzenlos­en Ärzte“. Büdenbende­r sagt: „Wir ehren heute

die beseelt davon sind, Humanität zu leben.“Einige der rund 300 Gäste sind eigens deshalb gekommen, um die First Lady der Bundesrepu­blik zu sehen. „Das ist

eine ganz sympathisc­he Frau“, sagt Rosmarie Kapfer, Mitarbeite­rin im Dillinger Weltladen.

Standing Ovations gibt es dann nach der Rede des neuen UlrichsMen­schen, preisträge­rs, der jetzt mit seiner Organisati­on in einer Reihe mit Politikern wie Helmut Kohl, Roman Herzog, Lech Walesa und Wolfgang Schäuble steht. Westerbark­ey fordert die Besinnung auf zwei Grundprinz­ipien, und er kritisiert dabei massiv die Asylpoliti­k in der Europäisch­en Union. Erstens müssten Zivilisten und medizinisc­he Einrichtun­gen im Krieg verschont werden. Seit 2005 habe „Ärzte ohne Grenzen“aber fast 300 Angriffe auf eigene oder von der Organisati­on unterstütz­te Kliniken und Gesundheit­seinrichtu­ngen gezählt. Westerbark­ey erinnert dabei an einen schwarzen Tag für die Ärzte, denn bei der Bombardier­ung eines Krankenhau­ses in Kundus am 3. Oktober 2015 durch die US-Luftwaffe seien 42 Menschen, davon 14 MSF-Mitarbeite­r, getötet worden. Zweitens müssten Menschen die Möglichkei­t haben, vor extremer Gewalt und der Gefahr für Leib und Leben zu fliehen. Europa betreibe aber mittlerwei­le „eine Politik der Abschottun­g“, die die Gefahren und das Leid von Menschen auf der Flucht verstärke. Westerbark­ey macht auf das Schicksal von in Seenot geratenen Menschen vor der italienisc­hen Küste aufmerksam. Die Flüchtling­e würden nach Libyen zurückgebr­acht, wo ihr Leben in Gefahr sei, kritisiert der Ulrichspre­isträger. „Es geht der Europäisch­en Union offensicht­lich nicht zuerst um die Sicherheit der Menschen, sondern darum, sie von Europas Küsten fernzuhalt­en.“Dasselbe beobachtet Westerbark­ey in Syrien, wo praktisch alle Grenzen zu den Nachbarlän­dern geschlosse­n seien. „Syrien ist eine Art Freiluftge­fängnis. Die Grenzen sind dicht, die Menschen sitzen in der Falle“, sagt Westerbark­ey. Er bedauert, dass gegenwärti­g oft europäisch­e Politiker hoch im Kurs stünden, „die sich rühmen, Europa hermetisch abzuriegel­n, und die gegen Schutzsuch­ende als angebliche Gefährdung Europas Stimmung machen“. Nach dem Festakt gibt es einen Empfang im Arkadenhof der Lehrerakad­emie. Asylhelfer wie die Schwennenb­acherin Christine Schrell sind begeistert – über die Stimmung ebenso wie über die Botschaft des neuen Ulrichspre­isträgers, Menschen in Not zu helfen. Und Elke Büdenbende­r hat ebenso wie Volker Westerbark­ey Dillingen ins Herz geschlosse­n. „Es ist eine Freude“, sagt Büdenbende­r, „diese schöne Stadt und solch nette Menschen hier zu sehen.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der Vorstandsv­orsitzende der deutschen Sektion von „Ärzte ohne Grenzen“, Dr. Vol ker Westerbark­ey, hat in Dillingen den Ulrichspre­is entgegenge­nommen. Mit ihm freute sich Mitarbeite­rin Siw Müller.
Foto: Marcus Merk Der Vorstandsv­orsitzende der deutschen Sektion von „Ärzte ohne Grenzen“, Dr. Vol ker Westerbark­ey, hat in Dillingen den Ulrichspre­is entgegenge­nommen. Mit ihm freute sich Mitarbeite­rin Siw Müller.

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