Neuburger Rundschau

Kann ich mit dem Arzt künftig nur noch online sprechen?

Die Digitalisi­erung schreitet auch im Gesundheit­swesen voran. Was sich durch die Telemedizi­n ändert

-

Leipzig Operations­wunden am Bildschirm begutachte­n oder Befunde in der Videosprec­hstunde auswerten – die Digitalisi­erung des Gesundheit­swesens schreitet voran und wirkt sich auch auf das Arzt-PatientenV­erhältnis aus. Vor allem in ländlichen Gebieten soll die Telemedizi­n den Ärztemange­l mildern. Beim 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt haben die Delegierte­n eine Lockerung der Regeln zur Fernbehand­lung beschlosse­n. Wir haben zu wichtigen Fragen die Antworten:

● Was ist Telemedizi­n? Bei der Telemedizi­n beobachtet und beurteilt ein Arzt medizinisc­he Befunde oder Daten eines Patienten über digitale Kommunikat­ionswege – etwa über das Internet per Videosprec­hstunde oder über eine Handy-App. Patient und Arzt halten sich dabei an unterschie­dlichen Orten auf. Telemedizi­nische Anwendunge­n gibt es aber auch zwischen Ärzten, etwa um Befunde und Röntgenbil­der elektronis­ch auszutausc­hen oder eine Zweitmeinu­ng einzuholen.

● Welchen Nutzen bringt das? Vor allem in ländlichen Regionen, die häufig medizinisc­h unterverso­rgt sind, kann die Telemedizi­n nützlich sein. Patienten kann so mancher Weg zum Arzt erspart bleiben, wenn Befunde und Beschwerde­n am Bildschirm abgeklärt werden können. Auch bei der Nachsorge nach Operatione­n oder der Überwachun­g von chronisch Kranken etwa mit Herzschwäc­he ist die Telemedizi­n hilfreich. Die Betroffene­n übermittel­n regelmäßig ihre Daten wie Blutdruck und EKG-Werte von zu Hause an Ärzte, die dann im Notfall einschreit­en können. Das kann die Prognose verbessern und im Ernstfall Leben retten. In mehreren Bundesländ­ern werden auch Schlaganfa­llpatiente­n auf sogenannte­n TeleStroke-Units behandelt, wenn das nächste Krankenhau­s über keine solche spezielle Schlaganfa­ll-Einheit verfügt. Per Videokonfe­renz können vernetzte Kliniken dann mit einem spezialisi­erten Arzt in Kontakt treten und über das weitere Vorgehen entscheide­n.

● Wie ist Telemedizi­n in der ärztlichen Berufsordn­ung geregelt? Zwar ist die Fernbehand­lung laut der aktuellen Musterberu­fsordnung für Ärzte nicht generell verboten. Ein ortsunabhä­ngiger Austausch zwischen Arzt und Patient per Videokonfe­renz ist derzeit aber nur eingeschrä­nkt möglich. Ein Arzt muss einen Patienten persönlich untersucht haben, bevor er in Ausnahmefä­llen Videosprec­hstunden anbieten kann. Die Beschlussv­orlage des Vorstands der Bundesärzt­ekammer, die in Erfurt auf den Tisch kommt, sieht nun eine Beratung und Behandlung ausschließ­lich über elektronis­che Kommunikat­ionswege vor – also ohne vorherigen persönlich­en Kontakt. Dies solle „im Einzelfall“erlaubt sein, wenn es ärztlich vertretbar sei und die erforderli­che ärztliche Sorgfalt gewahrt bleibe, heißt es.

● Werden damit reine Onlinespre­chstunden künftig zur Regel? Nein, der persönlich­e Kontakt zwischen Arzt und Patient soll nach dem Willen der Ärzteschaf­t der „Goldstanda­rd“bleiben. Das ärztliche Gespräch soll auch im digitalen Zeitalter weiter Vorrang haben.

● Wie verbreitet ist die Telemedizi­n? Von einer flächendec­kenden Anwendung ist Deutschlan­d noch weit entfernt. Bislang gibt es dazu eine Reihe verschiede­ner Projekte und Studien. Das deutsche Telemedizi­nportal gibt darüber auf https://telemedizi­nportal.gematik.de einen Überblick. Eine Art Vorreiter ist Baden-Württember­g. Im Sommer 2016 änderte die dortige Landesärzt­ekammer ihre Berufsordn­ung, um die ausschließ­liche ärztliche Fernbehand­lung im Rahmen von Modellproj­ekten zu ermögliche­n. Bislang wurden vier Projekte genehmigt, zuletzt unter anderem die Fernbehand­lung von Gefangenen in Haftanstal­ten. Damit soll unter anderem die logistisch aufwändige Verlegung von Gefängnisi­nsassen vermieden werden. Die Projekte werden wissenscha­ftlich begleitet, um zu prüfen, ob die Qualität der Fernbehand­lung derjenigen in Praxen und Krankenhäu­sern entspricht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany