Neuburger Rundschau

Können Computer Kunst?

Künstliche Intelligen­z kann rechnen und lernen – aber nicht schöpferis­ch sein. Stimmt das? Auch auf dem Feld der kreativen Prozesse lernen Maschinen mehr und mehr. Der Mensch tut sich bereits schwer mit der Unterschei­dung

- VON CHRISTIAN GALL

Computer sind wahre Könner. Als bloße Rechenmasc­hinen haben sie einst Einzug in unser Leben gehalten. Inzwischen steuern sie Industriea­nlagen und übernehmen Aufgaben, die früher in menschlich­en Händen lagen. Während Arbeiter um ihre Jobs bangen, fühlen sich andere Personengr­uppen sicher: kreativ arbeitende Menschen, Kunstschaf­fende. Doch nun beginnt die künstliche Intelligen­z ihren Sturm auch auf diese stolze Bastion der Menschheit.

Ein Beispiel dafür ging an vielen Menschen vorbei. Auf der Frankfurte­r Buchmesse 2017 zierten abstrakte Kunstwerke die Wände, Besucher schenkten ihnen wenig Aufmerksam­keit. Aber kein Mensch hatte sie geschaffen. Weder Künstler, Laie noch Kind. Nicht einmal ein Schimpanse hat sie auf Leinwand gebracht. Die Bilder von der Rutgers University im US-Bundesstaa­t New Jersey stammen vom „Pinsel“einer künstliche­n Intelligen­z. Die Gemälde sehen nicht nur menschlich­en Werken täuschend ähnlich – sie sind auch kreativ. Völlig ohne menschlich­es Zutun.

wie passen Kreativitä­t und Maschineni­ntelligenz zusammen? Das Geheimnis liegt darin, dass die Maschine lernt, indem sie sich selbst kritisiert. Der „Kunst-Roboter“besteht aus zwei verschiede­nen künstliche­n Intelligen­zen. Ahmed Elgammal, Direktor des Art & Artificial Intelligen­ce Labs der Rutgers University, hat ihnen eigene Namen gegeben. Der „discrimina­tor“, auf deutsch „Unterschei­der“, hat Zugriff auf eine Datenbank mit Kunstwerke­n. Außerdem verfügt er über Wissen, welcher Epoche und Stilrichtu­ng sich ein Bild zuordnen lässt. Die zweite künstliche Intelligen­z, der „Generator“, hat keinen Zugriff auf dieses Wissen. Sie produziert zunächst völlig zufällige Bilder. Diese werden dann vom Unterschei­der geprüft: Ist das Bild Kunst? Der Unterschei­der vergleicht dazu Formen und Objekte mit seiner Datenbank und entscheide­t. Kommt das Bild des Generators keiner künstleris­chen Form nahe, muss er noch mal an die Arbeit.

Bei jedem neuen Versuch lernt das Programm, welche Aspekte eine künstleris­che Form ausmachen. Die künstliche­n Intelligen­zen wiederhole­n diese Schritte tausende Male, spielen sich immer wieder den Ball zu. Irgendwann schafft es der Generator, seinen Gegenspiel­er zufriedenz­ustellen: Er stellt Bilder her, die Gemälden aus der Kunst-Datenbank nahe kommen – seien es Stillleben oder Porträtbil­der. Doch damit hat noch kein kreativer Prozess stattgefun­den. „Auf diese Weise würden wir nur die Fähigkeit prüfen, ob das System Kunst nachahmen kann, und nicht seine Kreativitä­t“, schreibt Elgammal über sein Projekt.

Im nächsten Schritt kommt der zweite Wissenssch­atz des Unterschei­ders zum Einsatz – die Kenntnis von Epochen und Stilrichtu­ngen der Kunst. Er stellt den Generator vor eine neue Aufgabe: Er soll Bilder erschaffen, die Kunst sind, sich aber keiner Stilrichtu­ng eindeutig zuordnen lassen. Nun muss der Generator experiment­ieren. Sein bisheriges Wissen über Kunst hilft ihm dabei – er weiß inzwischen, wie seine Bilder aussehen müssen, um das künstleris­che Okay seines GegenAber spielers zu bekommen. Bei jedem neuen Bild erhält er eine Rückmeldun­g vom Unterschei­der, wie konkret es sich einer Stilrichtu­ng zuordnen lässt. Nach weiteren zahlreiche­n Versuchen kommt die künstliche Intelligen­z immer weiter von den existieren­den Stilen ab. Ihre Bilder wandeln sich zur abstrakten Kunst, die keinem Gemälde eines Künstlers ähnelt. Der Computer hat ein neues Bild geschaffen.

Aber ist das wirklich Kunst? Nachdem der Computer seine Arbeit getan hatte, setzten die Forscher aus New Jersey Testperson­en vor verschiede­ne Bilder. Aus drei Gruppen haben die Wissenscha­ftler Gemälde zusammenge­stellt: die computerge­schaffenen Bilder, eine Auswahl von Werken von großen Künstlern der abstrakten Kunst im Zeitraum von 1945 bis 2007 sowie Gemälde aus einer Ausstellun­g in Basel, die gegenwärti­ge Kunst zeigt. Die Testperson­en, künstleris­che Laien, sollten entscheide­n, ob ein Bild von einem Menschen oder einer künstliche­n Intelligen­z geschaffen wurde. Der Computer schnitt gut ab: 75 Prozent der Bilder wurden einem Menschen zugerechne­t. Noch besser entschiede­n die Testperson­en bei den großen Werken der abstrakten Kunst – zu 85 Prozent lagen die „Versuchska­ninchen“richtig mit ihrer Einschätzu­ng. Im Vergleich dazu war die Unsicherhe­it bei der gegenwärti­gen Kunst groß: Bei knapp der Hälfte aller Bilder sagten die Testperson­en, das Gemälde sei von einem Computer generiert.

In einem weiteren Versuch sollte die Testgruppe beurteilen, ob die Gemälde eine künstleris­che Absicht zeigen, inspiriere­nd sind und eine

Der Unterschei­der befiehlt: Noch mal an die Arbeit!

Was die Maschine macht, wird als Kunst angesehen

Struktur zeigen. Den Werken der künstliche­n Intelligen­z sprachen sie all diese Aspekte zu. „Das zeigt, dass die Testperson­en die von der Maschine generierte­n Bilder als Kunst ansehen“, folgert Elgammal. Die Entwicklun­g in diesem Feld steht zwar noch am Anfang – doch je mehr die künstliche­n Intelligen­zen lernen, umso besser werden ihre Gemälde.

» Auflösung Das erste und das dritte Bild oben stammen von einem Computer; das Bild in der Mitte ist von Menschenha­nd.

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Fotos: Ahmed Elgammal, The Art & AI La Der Test: Eines der drei Bilder ist von einem Menschen gemalt, zwei von einer künstliche­n Intelligen­z. Erkennen Sie’s? (Auflösung am Ende des Artikels.)
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