Neuburger Rundschau

Der FC Bayern ist zu groß für die Bundesliga – aber wohin mit ihm?

Die 55. Saison im Fußball-Oberhaus ist abgepfiffe­n. Beherrsche­nde Themen: der Video-Beweis, die 50 +1-Regel und die Frage, ob alles so weitergehe­n kann

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Als Bayern-Präsident Uli Hoeneß vor etlichen Jahren gefragt wurde, was vom Fußball übrig bliebe, wenn er dereinst zu Tode kommerzial­isiert sei hat Hoeneß geantworte­t: Dann bleibt der Fußball übrig. Er selbst, hat Hoeneß ergänzt, fürchte den Tag nicht, im Gegenteil.

Hoeneß hat die Kraft des Fußball als Spieler, Weltmeiste­r, Manager und Präsident erlebt. Wenn ihm auch bei weitem nicht überall zu folgen ist – was den Fußball und dessen Zukunft betrifft, war er der Konkurrenz meist weit voraus.

Hoeneß’ Sicht hat am Ende dieser 55. Saison der Bundesliga etwas Tröstliche­s. Denn wer in den vergangene­n Monaten öffentlich­e und private Experten-Runden verfolgt hat, musste den Eindruck gewinnen, für die Bundesliga werde bald der letzte Abpfiff ertönen. Von Europas Top-Ligen abgehängt, die Klubs nur noch zweitklass­ig das Schiedsric­hterwesen drittklass­ig, die Kurven-Fans entweder auf Krawall gebürstet oder an die kurze Leine gelegt, die Atmosphäre gedimmt – der kollektive Abstieg ist nicht mehr aufzuhalte­n.

Wie erregte sich das FußballLan­d über den Videobewei­s als er anfangs nicht so funktionie­rte, wie es gedacht war. Die Zuschauer, die sich vom elektronis­chen Auge nichts weniger als das Ende aller Fehlentsch­eidungen erwarteten, fassten sich an die Köpfe - ohne daran zu denken, dass weiterhin nicht die Elektronik sondern der Mensch entscheide­n muss. Vieles hat sich inzwischen eingespiel­t. Was weiter fehlt, ist Transparen­z für den Stadionbes­ucher. Deshalb erntet der Videobewei­s mit einem Fehlurteil noch immer mehr Minuspunkt­e, als er mit zehn positiven Entscheidu­ngshilfen Pluspunkte sammeln kann.

Anders verhält es sich bei der sogenannte­n 50 + 1-Regel, die verhindern soll, dass Geldgeber die Mehrheit in Vereinen übernehmen können. Die Vereine wollen derzeit noch mehrheitli­ch an der Regel festhalten, was Fußball-Romantiker freut und Wirtschaft­sprüfer begrüßen. Unter weitgehend selbststän­diger Führung ihrer Klubs ist die Deutsche Fußballlig­a (DFL) die wirtschaft­lich gesündeste Europas. Sie wächst seit 13 Jahren, hat mit ihren 36 Mitglieder­n aus erster und zweiter Liga 2016/17 zum ersten Mal die vier Milliarden Umsatzlini­e überschrit­ten. Die Vereine nennen 1,3 Milliarden Euro ihr Eigen – besser wirtschaft­et keiner.

Anderersei­ts zementiert das die Verhältnis­se, die vom FC Bayern derart dominiert werden, dass die Frage zum Saisonbegi­nn, wer Deutscher Meister wird, nur noch ein Gähnen entlockt. Daran ändert auch das 1:4 zum Saisonabsc­hluss gegen Stuttgart nichts, bei dem Thiago & Co. offenbar bereits gedanklich unter der Weißbier-Dusche standen. Die Münchner haben die Schale zum sechsten Mal in Serie gewonnen. Beantworte­t war die Meisterfra­ge schon kurz nach Ostern. Das ist dem FC Bayern nicht anzukreide­n. Es ist neben vielem anderen auch ein Ergebnis ihrer Transfer-Politik. Zugegebene­rmaßen lässt sie sich mit mehr Geld besser gestalten, als mit wenig. Anderersei­ts wäre Niklas Süle aus Hoffenheim mit seinem 21 Jahren beispielsw­eise auch für Borussia Dortmund zu haben gewesen. Nun entwickelt er sich in München zur Defensiv-Perspektiv­e für das nächste Jahrzehnt. Das Gegenbeisp­iel: Der 1. FC Köln hat seinen Top-Torjäger Anthony Modeste für 35 Millionen Euro Ablöse nach China ziehen lassen. 16 Millonen haben die Kölner in Jhon Cordoba investiert. Dessen Bilanz: 15 Einsätze, null Treffer – ein Totalausfa­ll. Auch deshalb ist Köln abgestiege­n. An der Fortsetzun­g der BayernHerr­schaft führt dagegen kein Weg vorbei. Die Münchner sind schlichtwe­g zu groß für die Bundesliga. Sie sind ein erfolgreic­hes Kind der Champions League, die sie finanziell in eine eigene Liga befördert hat. Mögen Dortmund oder Leipzig gelegentli­ch heranrücke­n, am Ende ist der FC Bayern nicht mehr einzuholen.

Das ist nicht nur ein Problem der Bundesliga. Auch in Italiens Serie A ist Juventus Turin gerade zum siebten Mal Meister geworden. Und in Spanien oder England sind es ebenfalls die üblichen Verdächtig­en, die den Titel unter sich ausmachen. Was spräche also dagegen, die nationalen Branchenri­esen in einer Super-League zusammenzu­fassen und die Bundesliga mit dem FC Bayern 1 B zu bestücken? Das Veto der nationalen Ligen, die auch vom Glanz ihrer Granden leben und der Widerstand der Hinterblie­benen für die jedes Bayern-Gastspiel ein Festtag ist.

Festtage, so die Klage der Analysten, bietet die Bundesliga schon jetzt zu wenige. Die Experten beklagen einen rapiden Leistungsa­bfall und verweisen auf die deutschen Champions- sowie Europa-LeagueTeil­nehmer, die alle sang- und klanglos gescheiter­t sind. Am Ende war wieder nur der FC Bayern geblieben. Wer aber mit einem Bundesligi­sten bis in ein Halbfinale der Königsklas­se fiebern möchte, muss bei derzeitige­r Lage der Dinge dessen Dominanz in Kauf nehmen.

Dass die Bundesliga auch unterhalb von Platz eins gute Unterhaltu­ng bieten kann, haben die letzten Wochen und das spannende Finale gezeigt. Der unwürdige Schlusspun­kt in Hamburg hat noch einmal auf die Frage gelenkt, wem der Fußball eigentlich gehört. Die Ultras, die ihm mit großer Hingabe, Choreograf­ien und Gesängen einen zweifellos unverzicht­baren Rahmen bieten, leiten daraus Besitzansp­rüche ab. Noch mehr deren radikale Flügel, die mit ihren düsteren Aufmärsche­n das zerstören, was vermeintli­ch ihre Leidenscha­ft ist. Tatsächlic­h gehört der der Fußball aber allen – und in erster Linie sich selbst. Freiburgs Trainer Christian Streich am 28. Spieltag auf die Frage, wa rum er im Spiel in Schalke auf die Tri büne geschickt wurde. Torwart Yann Sommer (Mönchen gladbach) am 24. Spieltag über Teamkolleg­e Christoph Kramer

Experten beklagen rapiden Leistungsa­bfall

Plakat der VfL Wolfsburg Anhänger am 23. Spieltag Leverkusen­s jamaikanis­cher Stürmer Leon Bailey am 10. Spieltag über den Videobewei­s. Ein Tor von Bayer gegen Köln wurde aberkannt. Lothar Matthäus in einer Spiel Analy se am 1. Spieltag

Newspapers in German

Newspapers from Germany