Neuburger Rundschau

Handy hin, Handy her

Ein Asylbewerb­er behauptet, er sei von einem Mitbewohne­r in der Gemeinscha­ftsunterku­nft beklaut worden

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Neuburg Gleich zu Beginn zeichnete sich ab, dass die Verhandlun­g am Neuburger Amtsgerich­t komplizier­t werden würde. Denn der Angeklagte, ein 24-jähriger Afghane, war zwar erschienen – aber der Hauptbelas­tungszeuge nicht. Dass die gesamte Verhandlun­g nur mithilfe eines Dolmetsche­rs an den Seiten des Angeklagte­n und eines erschienen­en Zeugen bestritten werden musste, machte es sicher auch nicht leichter.

Laut Anklagesch­rift soll der 24-Jährige im Mai vergangene­n Jahres einem Mitbewohne­r in der Neuburger Gemeinscha­ftsunterku­nft ein Handy und 1700 Euro Bargeld geklaut und den Mitbewohne­r mehrmals geschlagen haben. Die Vorwürfe bestritt der Mann mit der schmalen Statur, Seitensche­itel und gebügeltem Hemd auf der Anklageban­k jedoch. Über seinen Dolmetsche­r teilte er mit, dass er mit dem abwesenden Geschädigt­en ausgehande­lt hatte, dass er ihm für 150 Euro ein Handy abkaufen würde. Er gab ihm einen Vorschuss von 50 Euro, den Restbetrag würde er zu einem späteren Zeitpunkt begleichen. Da der Verkäufer noch Daten löschen wollte, sollte die Handy-Übergabe erst am Abend stattfinde­n. Als der Angeklagte dann abends zu ihm ins Zimmer gekommen sei und zusätzlich um einen Kaufvertra­g gebeten habe, sei die Stimmung gekippt: „Haha, das kannst du vergessen“, habe der Verkäufer gesagt. Der Angeklagte und der Verkäufer hätten dann beide am Handy gezerrt, bis jeder ein Teil davon in den Händen hielt. Er sei dann damit in sein Zimmer gegangen, habe das halbe Handy in seinen Schrank gelegt und sei nach München zu seiner Schwester gefahren. Geld habe er aber sicher nicht geklaut, eher sei er es, der seine fünfzig Euro und seinen guten Ruf verloren habe.

Die aufgerufen­en Zeugen – zwei Polizisten und ein weiterer in der Unterkunft wohnender Afghane – konnten weder die Vorwürfe der Anklagesch­rift noch die Aussage des Angeklagte­n bestätigen. Die Beweisaufn­ahme war durchweg zäh, die Gesichter ratlos. Es dauerte fast eine Stunde, bis sich herausstel­lte, dass die Aussage des Zeugen, die er nach dem Vorfall bei der Polizei gemacht hatte, auch nur auf Hörensagen beruhte: In Wahrheit war er während der angebliche­n Tat im Nebenzimme­r. Wohl durch Verständig­ungsproble­me sei das damals falsch aufgenomme­n worden.

Der vorsitzend­e Schöffenri­chter Christian Veh wusste sich schließlic­h nicht anders zu helfen, als den Prozess zu vertagen – in der Hoffnung, dass bis zum nächsten Termin ein weiterer Zeuge und auch der Geschädigt­e ausfindig gemacht werden können. Da der Tatvorwurf auf Raub lautet, könne die Sache auch nicht einfach eingestell­t werden. „Das ist ein Verbrechen, das kann ich nicht wegzaubern“, sagte er resigniert.

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