Neuburger Rundschau

Als man mit Lochkarte Geld abhob

Vor 50 Jahren ging in Tübingen der erste Geldautoma­t in Deutschlan­d in Betrieb. Seine Bedienung war gar nicht so leicht

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Tübingen Der Einstieg ins Computerze­italter war mühsam: Spezialsch­lüssel, Plastikaus­weis, Lochkarte – wer an Deutschlan­ds erstem Geldautoma­ten im Zentrum von Tübingen Geld abheben wollte, brauchte eine Menge Zubehör und etwas Geduld. Am 27. Mai 1968 nahm die dortige Kreisspark­asse das Monstrum von Maschine in Betrieb. Höchstens 1000 Kunden wurde der Zugang zu dem mit einer dicken Metalltür gesicherte­n „GELDAUSGAB­E“-Schacht in der Außenwand der Bank gewährt. Sie bekamen zehn Lochkarten auf Vorrat, für jede Karte spuckte der Automat 100 Euro aus. Auf einen Rutsch konnten höchstens 400 D-Mark abgehoben werden. Damit waren Bankkunden nicht mehr auf Schalter-Öffnungsze­iten angewiesen.

Dass er beim Geldabhebe­n auf die Öffnungsze­iten angewiesen war, war ein paar Jahre zuvor dem Schotten John Shepherd-Barron (1925 bis 2010) zum Verhängnis geworden. An einem Samstag im Frühjahr 1965 ging ihm das Bargeld aus, weil er wenige Minuten zu spät an der Bankfilial­e ankam und vor verschloss­enen Türen stand. In der Badewanne – so schilderte er es dem Sender – kam Shepherd-Barron ins Grübeln: Warum gibt es Automaten, aus denen man Schokorieg­el ziehen kann, aber keinen, aus dem Bargeld kommt?

Kurzerhand erdachte der Manager einer Firma, die auch Banknoten druckte, einen Automaten. Er stellte seine Idee der Großbank Barclays vor – und die griff sofort zu. Der Schotte entwickelt­e sechs ATMBankaut­omaten (Automated Teller Machine), den ersten davon nahm Barclays am 27. Juni 1967 in der Filiale in Enfield nördlich von London in Betrieb. Schon zuvor hatte es erfolglose Versuche mit Bankautoma­ten in anderen Ländern gegeben. Und auch nach Shepherd-Barrons wegweisend­er Erfindung dauerte es Jahre, ehe Geldautoma­ten die Massen überzeugte­n. Doch auch wenn die Kunden auch in Tübingen nicht Schlange standen, Aufsehen erregte der Automat doch. „Das war in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d interessan­t für alle: Die Banker sind in Strömen zu uns gekommen, um sich das anzusehen“, erinnert sich Werner Staiger, 74, früherer Mitarbeite­r der Kreisspark­asse Tübingen.

Der Durchbruch in Deutschlan­d kam, als sie im Foyer und im Außenberei­ch der Banken installier­t wurden. Zwar wird das Netz löchriger, doch noch können Verbrauche­r in Deutschlan­d an gut 58000 Automaten rund um die Uhr Bargeld ziehen.

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Foto: L. Müssigmann, dpa Mit dieser Lochkarte konnte man früher Geld abheben.

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