Petersens Mondfahrt
Die WM schien für den Stürmer unerreichbar – nun steht er im Kader. Der 29-Jährige gilt zwar als erster Streichkandidat, doch Bierhoff ist überzeugt von ihm
Eppan Auf dem Pressepodium im DFB-Medienzelt präsentierte sich Nils Petersen als Premierengast so reif und reflektiert, als gehöre er schon seit Jahren zum Nationalteam. Auf dem Trainingsplatz tut sich der 29 Jahre alte Angreifer des SC Freiburg dagegen noch schwer, sich gegen die international erfahreneren Mannschaftskollegen in Szene zu setzen. „Die Trainingsqualität ist eine andere. Ich muss hier jeden Tag an die Grenze gehen“, berichtete Petersen am Freitag in Südtirol.
„Total heiß“sei er: „Ich habe die Hoffnung, auf dem Niveau mitzuschwimmen.“Mit Freiburgs leisem 15-Tore-Mann Petersen anstelle des Münchner Lautsprechers Sandro Wagner hatte Joachim Löw bei der Bekanntgabe des vorläufigen WMKaders für eine echte Überraschung gesorgt. Timo Werner, Mario Gomez, Nils Petersen – diese Mittelstürmermischung könnte in Russland zum Einsatz kommen. Außenseiter Petersen ist bewusst, dass er im noch 27-köpfigen WM-Aufgebot zu den ersten Streichkandidaten zählt. „Die frohe Botschaft kam schon aus dem Nichts“, sagte er am Freitag in Eppan. Den Urlaub hatte er bereits gebucht, seine Freundin musste ihn stornieren. Und seinem Vater Andreas, der Trainer beim Nordost-Regionalligisten Germania Halberstadt ist, hatte er sogar erst verzögert von seinem Nominierungsglück berichtet. „Mein Vater wäre so euphorisiert gewesen, der hätte das gleich rausposaunt.“
Die unverhoffte WM-Chance geht Petersen mit seinem Lebensmotto an: „Man denkt im Leben, dass man vieles schaffen und erreichen kann.“Das nächste Etappenziel des Spätberufenen lautet, nicht zu den vier Spielern zu gehören, die Löw noch aussortieren muss. „Vielleicht kann ich der Überraschungsmoment sein, den keiner kennt.“
„Das war keine spontane Entscheidung oder ein Geistesblitz von Jogi Löw“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff zur Berufung von Petersen in den noch erweiterten Kader. „Ich traue ihm wirklich viel zu, weil er fußballerisch gut ist. Und er wie Timo Werner und Mario Gomez die Gabe, im Sechzehner aus wenigen Möglichkeiten Tore zu erzielen“, äußerte Löw. Er traut Petersen noch einen Leistungssprung zu. Der Angreifer besitzt zudem eine überragende Qualität: Er ist ein Edeljoker. Mit 20 Toren nach Einwechslungen ist er die Nummer 1 der Bundesliga. „Vielleicht hat mich dieser Titel hierhin gebracht“, sinnierte Petersen. Und vielleicht trägt sie ihn bis nach Russland. „Manch- mal reichen ein paar Minuten, um entscheidend zu sein.“
Er weiß, dass er sich hinten anstellen muss. Der Leipziger Timo Werner habe eine „Wahnsinnsschnelligkeit“und sei von den Gegnern kaum zu stoppen. Und Mario Gomez, an dem er schon als Jungprofi beim FC Bayern nicht vorbeiziehen konnte, besitze eine „wahnsinnige Erfahrung“, die sich in 73 Länderspielen und 31 Toren widerspiegelt. Gomez zeichne seine „Brehat cher-Qualität“aus. LänderspielDebütant Petersen ist schlau, reif – und ein idealer Teamplayer. Löw schätzt diese Qualitäten. „Ich will mir einen Eindruck verschaffen von Nils Petersen, den ich vorher nicht bei der Mannschaft hatte. Für mich ist es wichtig, zu sehen, wie passt er sich auf diesem Niveau an“, sagte der Bundestrainer. Die Auflösung der Frage folgt spätestens am 4. Juni. An diesem Tag muss Löw die 23 WM-Tickets ausstellen. Bardonecchia Eine unglaubliche Vorstellung von Chris Froome hat die Gesamtwertung des 101. Giro d’Italia auf der Königsetappe auf den Kopf gestellt. Der als Vierter zur 19. Etappe nach Bardonecchia gestartete Brite fuhr am Freitag auf der Königsetappe über 185 Kilometer und vier hammerharte Alpenpässe ins Rosa Trikot. Der bisherige Spitzenreiter Simon Yates fiel ins Bodenlose und verlor im Ziel über 38 Minuten auf den auch mit Misstrauen begleiteten Tagessieger Froome. Ein solcher Rückstand für einen Spitzenreiter hat historische Ausmaße.
Froome, dem wegen der weiter schwelenden Salbutamol-Affäre noch eine Doping-Sperre droht, feierte seinen zweiten Tagessieg. Der viermalige Tourde-France-Sieger, der mit zwei Stürzen und großen Zeitverlusten in den Giro gestartet war, fuhr das Rennen seines Lebens.
80 Kilometer vor dem Ziel auf dem Weg zum höchsten GiroPunkt, den Colle delle Finestre (2178 Meter), hatte der umstrittene Brite attackiert. Von da an versuchte Froome das Unmögliche, durch eine unerbittliche Geschwindigkeit berghoch und halsbrecherische Abfahrten doch noch ins Rosa Trikot zu fahren.
Sogar die acht Kilometer lange Schotterpiste auf den steilen Finestre-Anstieg konnte seinen unglaublichen Elan nicht stoppen. Vorjahressieger Tom Dumoulin, am Start noch 2:54 Minuten vor Froome, hatte im Ziel 3:23 Minuten auf den Sky-Kapitän verloren.
Hinzu kamen zehn Sekunden Zeitbonifikation für Froome, der vor der letzten Alpen-Etappe am Samstag 40 Sekunden vor Dumoulin an der Spitze liegt.