Ein Neuburger, der Geschichte schrieb
Die Verfassung des Königreichs Bayern wird heute 200 Jahre alt. Welche Rolle dabei ein Neuburger Beamter spielte
Neuburg Mit Glockengeläut und Kanonendonner wurde am 26. Mai 1818 eine neue Verfassung für das Königreich Bayern verkündet. Ein Herold verlas an sieben Plätzen der Residenzstadt München am Vorabend des Geburtstags von König Max I. Joseph dessen Entschluss: Bayern sollte eine Volksvertretung mit Entscheidungsbefugnis über Steuern und Gesetze erhalten. Den Bürgern wurde erstmals das Wahlrecht zugestanden, wenn auch nur ein Zensuswahlrecht, das eine Minderheit der Besitzenden bevorzugte und Frauen noch ausschloss. Die damals gewährte Verfassung blieb bis zur Revolution vom November 1918 gültig.
Zustande gekommen war die Verfassung von 1818 auch aus Sorge um die bayerische Eigenständigkeit. Nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und seinem anschließenden Sturz trafen sich die alliierten Sieger in Wien, um über die neue Ordnung Europas zu beraten. In den deutschen Ländern regte sich der Wunsch nach einem geeinten Staat oder einer Bundesverfassung. unter seinem leitenden Minister Graf Montgelas gingen diese Überlegungen jedoch zu weit. Man fürchtete um die bayerische Souveränität und beeilte sich, mit einer eigenen Verfassung jeglichen Bestrebungen aus Wien zuvorzukommen. So wurde rasch eine Verfassungskommission einberufen. Das 1806 zum Königreich erhobene Bayern hatte zwar bereits eine Verfassung, die „Konstitution“von 1808. Diese war jedoch wegen der Napoleonischen Kriege und der umfassenden Gebietsveränderungen nur teilweise umgesetzt worden. So konnte die Verfassungskommission von 1814 bis 1815 bald einen neuen Entwurf vorlegen. Da die deutschen Bundespläne jedoch nicht vorankamen, verlor Montgelas das Interesse an dem Verfassungsentwurf bald wieder und die Pläne landeten in der Schublade. Erst nach seinem Sturz wurde das Projekt wieder aufgegriffen.
Die Absetzung des bis dahin beinahe allmächtigen Ministers betrieb vor allem Kronprinz Ludwig mit Unterstützung Feldmarschall Wredes. In einem regelrechten Komplott überredeten sie im Februar 1817 König Max I. Joseph, seinen wichtigsten Minister zu entlassen.
Verschiedenste Vorwürfe wurden dabei ins Feld geführt. Unter anderem das Versagen der Regierung Montgelas in der großen Hungersnot der Jahre 1816 und 1817. Ungewöhnlich schlechtes Wetter hatte zu zwei katastrophalen Missernten hintereinander geführt. Grund für die Wetterkapriolen – man sprach 1816 vom „Jahr ohne Sommer“– war ein Vulkanausbruch auf IndoBayern nesien, wie wir heute wissen. Die Menschen damals konnten sich die Misere nicht erklären, spürten aber massiv die Folgen, nämlich Nahrungsknappheit, Preissteigerungen und Hunger. Und sie sahen, dass die Regierung nicht helfen konnte oder wollte, da doch gleichzeitig Spekulanten an der Not noch verdienten. Eine katastrophale Wirkung hatten dabei Gerüchte, dass Montgelas selbst und Mitglieder des Königshauses, nämlich die in Stepperg wohnende Kurfürstinwitwe Marie Leopoldine an Spekulationsgeschäften beteiligt seien.
Auch dieser Umstand begünstigte den Sturz Montgelas. Sein Nachfolger als Innenminister wurde Friedrich Graf von Thürheim, ein Freund Wredes, der von 1799 bis 1803 Vizepräsident der Neuburgischen Landesdirektion gewesen war und hier in seinem Haus am Frauenplatz B 1 beim Oberen Tor gewohnt hatte. Er war bereits bei der Verfassungskommission 1814-15 beteiligt und arbeitete nun auch bei deren Fortsetzung mit. Und so trägt die Verfassungsurkunde von 1818 neben der Unterschrift des Königs auch die des ehemaligen Neuburger Beamten Thürheim.