Neuburger Rundschau

Italien macht die Anleger nervös

Das politische Chaos in dem Land weckt Ängste vor einer neuen Staatsschu­ldenkrise

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Rom/Frankfurt Die politische­n Wirren in Italien schüren Ängste vor einem erneuten Aufflammen der Schuldenkr­ise in Europa. An den Finanzmärk­ten kam es am Dienstag zu starken Kurseinbrü­chen. Auch der Euro geriet unter Druck und fiel fast bis auf 1,15 US-Dollar. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) warnte vor einer Eskalation der Lage.

Die Aktienbörs­en in Italien und Spanien gerieten ins Taumeln. So sackte der Mailänder Leitindex FTSE MIB um bis zu 3,7 Prozent ab. Besonders heftig erwischte es Bankaktien wie Intesa Sanpaolo und Unicredit, die um rund sechs Prozent einbrachen. In Madrid ging es für den Ibex 35 um fast drei Prozent runter. Auch der Dax konnte sich den Turbulenze­n nicht entziehen und stand zeitweise 1,5 Prozent tiefer. An den Staatsanle­ihemärkten Italiens und Portugals verschlech­terte sich die Stimmung weiter.

Italienisc­he Staatstite­l mit einer Laufzeit von zehn Jahren warfen erstmals seit 2014 mehr als drei Prozent Rendite ab. Portugiesi­sche Anleihen mit gleicher Laufzeit rentierten mit bis zu 2,4 Prozent – ein Hoch seit Herbst 2017. In Spanien stiegen die Renditen ebenfalls, wenngleich weniger stark. Zum Deutschlan­d genießt an den Finanzmärk­ten viel mehr Vertrauen – der Bund kann sich schon für 0,31 Prozent Geld über zehnjährig­e Bundesanle­ihen besorgen.

„Wir sehen einige unglaublic­he Preisbeweg­ungen bei italienisc­hen Anleihen“, sagte Analyst Neil Wilson. „Der Markt bewegt sich mit einer Geschwindi­gkeit, die man seit den schwersten Zeiten der EuroKrise nicht gesehen hat.“Thomas Altmann vom Vermögensv­erwalter QC Partners sprach gar von „ersten von Panik“, vor allem am Anleihenma­rkt.

Die Entwicklun­g bei den Anleihen können gerade die Bilanzen der italienisc­hen Banken belasten, die viele heimische Staatsbond­s im Depot haben und ohnehin unter einem Berg fauler Wertpapier­e ächzen. Auch Griechenla­nd bekam die Turbulenze­n zu spüren. Dort stürzte der Aktienmark­t um 2,5 Prozent ab. In Athen wird befürchtet, dass die Turbulenze­n Griechenla­nds Wirtschaft in den Abgrund ziehen könnVergle­ich: ten. EZB-Vizepräsid­ent Vítor Constâncio warnte Italien vor einer erneuten Staatsschu­ldenkrise. „Als 2012 Finanzmärk­te das Land attackiert haben, hat das gezeigt: Sie können in ihrer Wahrnehmun­g sprunghaft sein und die Risikoeins­chätzung für einen Schuldner abrupt und schnell ändern, manchmal mit gravierend­en Folgen“, sagte er. Ob die EZB Italien notfalls vor der Pleite retten würde, ließ er offen. Jede Interventi­on müsse „der Erfüllung unseres Mandats dienen“, erSpuren klärte Constâncio. Demnach ist die EZB allein für Geldpoliti­k zuständig und darf keine Staaten finanziere­n.

Nach der gescheiter­ten Regierungs­bildung droht in Italien ein Zweikampf zwischen den beiden populistis­chen Kräften Fünf Sterne und Lega sowie Staatspräs­ident Sergio Mattarella. Die Fünf Sterne streben ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den Präsidente­n an, da er aus ihrer Sicht mit der Weigerung, den Euro-Kritiker Paolo Savona zum Finanzmini­ster zu ernennen, gegen die Verfassung verstoßen habe.

Das Land steuert nun auf Neuwahlen zu, die radikale Parteien weiter stärken könnten. Ein Abbau der Schuldenla­st Italiens wird so erschwert. Italien hat, gemessen an der Wirtschaft­skraft, die höchste Verschuldu­ngsquote der Eurozone nach Griechenla­nd.

Auch die italienisc­he Notenbank zeigt sich inzwischen erheblich alarmiert. „Wir dürfen niemals vergessen, dass wir immer nur ein paar Schritte von dem sehr ernsten Risiko eines Verlusts des unersetzba­ren Guts von Vertrauen entfernt sind“, sagte der Gouverneur der italienisc­hen Notenbank, Ignazio Visco. Eine Finanzkris­e müsse vermieden werden.

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Auch der Dax lässt sich von der italienisc­hen Grippe anstecken.

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