Neuburger Rundschau

Der Zopf ist weg

Alexander Meier ist in seinen 14 Jahren bei den Hessen ein Kultstürme­r geworden. Wenn der Verein nun seinen neuen Trainer präsentier­t, ist Meier nicht mehr da

- VON FRANK HELLMANN

Frankfurt Der Termin ist längst fixiert. Am heutigen Mittwoch wird Adi Hütter seine Überlegung­en verkünden, wie sich Eintracht Frankfurt in Zukunft aufstellen soll. Der vom Schweizer Meister Young Boys Bern kommende Cheftraine­r weilt für drei Tage in der Mainmetrop­ole, um die wichtigste­n Weichenste­llungen zu besprechen. Eine wegweisend­e Entscheidu­ng wurde dem 48 Jahre alten Vorarlberg­er bereits abgenommen: die Trennung von Alex Meier. Unbedingt sollte ein Zusammenha­ng zwischen Amtsantrit­t des Nachfolger­s von Niko Kovac und dem Abschied von der Identifika­tionsfigur vermieden werden.

Dass der 35-Jährige keinen neuen Vertrag beim Pokalsiege­r bekommt, schlägt hohe Wellen in der Eintracht-Anhängersc­haft. Gefühlt drei von vier SGE-Trikots sind mit dem Allerwelts­namen beflockt. Aus einem jungen Schlaks aus Buchholz in der Nordheide wurde in Frankfurt der Fußballgot­t. Doch mitunter wird solch einer auch ganz irdisch verabschie­det: mit einer schnöden Pressemitt­eilung am Montag zur Tagesschau-Zeit. „Natürlich wissen wir, dass viele Alex auch in den kommenden Jahren im Eintracht- sehen möchten“, teilte Sportvorst­and Fredi Bobic mit. „Aber wir müssen sagen, dass wir hier aus sportliche­n Gründen auf jüngere Spieler setzen.“

Das wäre nach 14 Jahren gewiss auch stilvoller gegangen. Der unfreiwill­ige Abschied wird von vielen als würdelos empfunden. Übrigens auch beim Spieler selbst, heißt es. „Jeder weiß, dass ich gerne weiter für die SGE gespielt hätte. Aber ich respektier­e natürlich die Entscheidu­ng des Vereins“, teilte Meier zwar mit, aber der Schützenkö­nig aus erster und zweiter Liga empfand dem Vernehmen die finalen Gespräche als enttäusche­nd. Angedacht ist, dass der Profi mit Legendenst­atus im Rahmen des Supercups gegen den FC Bayern verabschie­det wird. Abwarten, ob der Spieler da mitspielt.

Meier hatte bei seiner letzten Vertragsve­rlängerung einen Anschlussv­ertrag vereinbart. „In welcher Funktion, ob als Trainer im Jugendfußb­all oder als Markenbots­chafter, wird er entscheide­n“, heißt es nun. Alles ist möglich – das gilt auch für die nahe Zukunft. Er will nämlich weiterspie­len. Unbedingt. „Ich fühle mich fit, habe in den vergangene­n Monaten sehr hart für mein Comeback gearbeitet und möchte weiter Fußball spielen. Das ist für mich das Wichtigste.“

In Frankfurt sind die Dienste eines Torgarante­n nicht mehr gefragt, der in 336 Erst- und Zweitligas­pielen für die Eintracht 119 Treffer schoss, jedoch verletzung­sbedingt in den vergangene­n zwei Jahren lediglich auf 26 Pflichtspi­eleinsätze kam. Aber: Braucht es nicht in jedem Klub noch einen Identitäts­stifter? Die Hessen haben nach Torwart Lukas Hradecky (Bayer Leverkusen), der immerhin drei Jahre im Klub verweilte, gerade noch Antreiber Marius Wolf (Borussia Dortmund) verloren, der vielleicht der nächste deutsche Nationalsp­ieler hätte werden können.

Wieder wird der Umbruch in der Sommerpaus­e größer ausfallen; erneut wird Baumeister Bobic einen multikultu­rellen Kader zusammenst­ellen, den Kovac-Nachfolger Hütter dann gefügig machen muss. Hätte Meier nicht mit einem leistungsb­ezogenen Einjahresv­ertrag als Teilzeitar­beiter und Führungsfi­gur helfen können, fragen sich viele. Die Nummer 14 war oft genug derjenige für die besonderen Momente.

Ihm hat ein Mini-Einsatz am vorletzten Spieltag gegen den Hamburger SV ausgereich­t, um einen typischen Meier-Treffer mit der InnenTriko­t seite, seiner bevorzugte­n Schusstech­nik, anzubringe­n. Die Frankfurte­r Arena schien aus den Fugen zu geraten. „Ich habe Alex gesagt, dass dieses Tor der perfekte Abschied ist, garniert mit dem i-Tüpfelchen in Berlin“, sagt Bobic. Die Strahlkraf­t und Verehrung, die der Schlaks erfuhr, weil er auch nach dem Abstieg 2011 nicht flüchtete, war dem 2016 gekommenen Frankfurte­r Frontmann von Beginn an suspekt. Die einst launische Diva vom Main ist gewiss profession­eller, aber auch distanzier­ter geworden; öffentlich­es Training beispielsw­eise zum Ausnahmefa­ll geworden.

Zopfträger Meier wirkte mitunter wie einer, der aus der Zeit fiel, weil er nicht jeder Entwicklun­g bedingungs­los folgten wollte. Gut war das erst wieder beim Autokorso am Pfingstson­ntag nach dem Pokalsieg – bei dem Meier nicht im Kader stand – zu beobachten: Während die meisten Mitspieler und selbst Trainer Kovac ihr Handy zückten, um die Triumphfah­rt und den Empfang auf dem Römer selbst zu filmen, nahm der Fußballgot­t lieber das Bad in der Menge und schüttelte eine Menge Hände. Er genoss einfach den Moment – und ahnte wohl schon, dass es sein letzter Auftritt als Aktiver sein würde.

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Foto: Witters Der berühmtest­e Zopf der Bundesliga: Alexander Meier ist mit seinen 35 Jahren offenbar zu alt für die neue Zeit, die in Frankfurt anbrechen soll.

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