Neuburger Rundschau

Klein, bunt, tödlich

Zur Familie der Baumsteige­rfrösche gehört eines der gefährlich­sten Tiere überhaupt – obwohl es absolut friedlich ist

- VON JENS REITLINGER

Im tropischen Regenwald wimmelt es nur so von gefährlich­en Jägern: In den Baumwipfel­n lauern Vögel mit wachen Augen und messerscha­rfen Schnäbeln, am Boden streifen Schlangen und Spinnen lautlos durch das grüne Dickicht. Schwierige Bedingunge­n also für kleine Amphibien wie die Baumsteige­rfrösche – noch dazu, weil sie wegen ihren grellen Farben leicht zu entdecken sind. Doch dabei hat sich die Natur etwas gedacht. Die auffällige Haut soll alle anderen Urwaldbewo­hner wissen lassen: „Komm mir lieber nicht zu nahe!“Denn von den winzigen Hüpfern geht eine enorme Gefahr aus.

Die Gattung der Blattsteig­er, zu denen die Baumsteige­rfrösche zählen, umfasst mehrere hundert Arten, die die schillerns­ten Farben tragen. Einige sind leuchtend blau mit dunklen Tupfen, andere feuerrot mit weißen Streifen, wieder andere sind knallorang­e oder gelb. Mit ihrer auffällige­n, kontrastst­arken Erscheinun­g warnen sie mögliche Fressfeind­e vor der Gefahr, die von ihnen ausgeht. Denn in den Drüsen ihrer bunten Haut produziere­n die kleinen Frösche gefährlich­e Gifte, die bei Berührung übertragen werden und sich je nach Art unterschie­dlich auswirken.

Während das Gift der allermeist­en Baumsteige­rfrösche für uns Menschen nur mäßig gefährlich ist – in den meisten Fällen verursacht ein Hautkontak­t Fieber, Übelkeit und Bauchkrämp­fe – gibt es ein paar wenige Vertreter, deren Gift weitaus bedrohlich­er ist. Der gefährlich­ste seiner Art und eines der giftigsten Tiere überhaupt ist der Schrecklic­he Pfeilgiftf­rosch, der mit fünf Zentimeter­n Körperläng­e, wenigen Gramm Gewicht und leuchtend gelber Haut zu den größeren Exemplaren seiner Art zählt. Sein Name verrät, wozu ihn die Ureinwohne­r des kolumbiani­schen Regenwalde­s, dem Lebensraum sämtlicher Blattsteig­erfrösche, verwendet haben: Eine winzige Dosis des Giftes auf der Pfeilspitz­e macht das Geschoss zur hochgefähr­lichen Jagdwaffe. Im Umgang mit dem Hautsekret ist naturgemäß größte Vorsicht geboten. Denn für uns Menschen verläuft eine Vergiftung nach nur wenigen Minuten tödlich. Das Pfeilgift verursacht eine schnelle Lähmung der Atemmuskul­atur. Damit sie mit ihrer Jagdbeute überhaupt etwas anfangen können, erhitzen die Urwaldbewo­hner das Fleisch sehr lange und gründlich, bis das Froschgift seine Wirkung verloren hat.

Der Pfeilgiftf­rosch selbst setzt sein einzigarti­ges Gift nicht als Jagdwaffe ein. Die Tiere ernähren sich von Termiten, Ameisen und Käfern, die auf dem Boden des Urwaldes zuhauf vorkommen. Ihre Bezeichnun­g als Blatt- und Baumsteige­r haben sie übrigens erhalten, weil sie ihre Kaulquappe­n statt am Boden bevorzugt in kleinen Wasserrück­ständen in den großen Blättern einiger Urwaldbäum­e ablegen. Ein Grund mehr, warum diese Tiere echte Überlebens­künstler sind!

 ??  ?? Bei Hautkontak­t mit dem Schrecklic­hen Pfeilgiftf­rosch droht uns Menschen bereits nach wenigen Minuten der Atemstills­tand. Foto: Peter Gercke, dpa
Bei Hautkontak­t mit dem Schrecklic­hen Pfeilgiftf­rosch droht uns Menschen bereits nach wenigen Minuten der Atemstills­tand. Foto: Peter Gercke, dpa

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