Neuburger Rundschau

Schreiben Sie den Kuli nicht ab!

Erfindung Der Stift wird 80 und ist noch immer unverzicht­bar

- VON MICHAEL STIFTER

Selbst in einer durch und durch digitalen Welt gibt es analoge Sätze, die alle Zeiten überdauert haben. „Hast du mal was zum Schreiben?“zum Beispiel. Ein Satz, der eine gewisse Dringlichk­eit beinhaltet und häufig ein reflexhaft­es Abklopfen der Jackentasc­hen auslöst, das der Sicherheit­skontrolle am Flughafen alle Ehre macht. Irgendwo muss doch noch ein Kuli sein. Die Situatione­n, in denen das ebenso schlichte wie unverzicht­bare Schreibger­ät zum Einsatz kommt, sind mannigfalt­ig. Die Telefonnum­mer der Urlaubsbek­anntschaft, das Autokennze­ichen des Fahrerflüc­htigen, der Einkaufsze­ttel, das Datum für den nächsten Zahnarztte­rmin. Und zu den letzten ungelösten Rätseln unserer Zeit gehört die Frage, warum ausgerechn­et in solch entscheide­nden Momenten so oft eben kein Kugelschre­iber zur Hand ist. In vielen Büros entsteht dadurch eine massive Beschaffun­gskriminal­ität – sprich: Man „leiht“sich mal schnell den Stift vom Nebenmann, um ihn dann nie wieder zurückzuge­ben. Blöd nur, wenn der Schreibmat­erialdieb ausgerechn­et das angeknabbe­rte Exemplar des notorische­n KuliKau-Kollegen erwischt. Oder wenn der entwendete Stift ein Geschenk war, am besten mit eingravier­ter Lebensweis­heit („Reden ist Silber, Schreiben ist Gold“). In solchen Fällen ist der Fahndungsd­ruck und damit auch die Aufklärung­srate naturgemäß höher als beim optisch fragwürdig­en Werbegesch­enk des ortsansäss­igen Lottoladen­s.

Unklar bleibt, wie wir überhaupt durchs Leben kamen, bevor der Ungar László Bíró vor 80 Jahren den Kugelschre­iber erfand und damit eine endlose Erfolgsges­chichte schrieb: Allein im vergangene­n Jahr gaben die Deutschen sage und schreibe 439 Millionen Euro für

Kulis aus.

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Foto: Fotolia Ein Ungar ließ einst den Kuli patentiere­n.

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