Neuburger Rundschau

Weshalb es E Autos noch schwer haben

Die Hersteller müssen bald mehr Elektrofah­rzeuge verkaufen. Aber die Käufer zögern weiterhin. Ein Blick auf die Kundschaft und auf die Modellpale­tte zeigt, wo das Problem liegt

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Landsberg am Lech Die Autofahrer in Deutschlan­d können inzwischen unter 27 reinen Stromern wählen, vom Elektro-Smart bis zum Tesla. Der Staat lockt mit Kaufprämie­n und Steuernach­lässen, die Kommunen mit Parkplätze­n. Trotzdem fahren nur wenige auf das Elektroaut­o ab: Von Januar bis Ende Mai wurden in Deutschlan­d rund 1,43 Millionen Benziner und Dieselauto­s neu zugelassen, aber gerade mal 14583 E-Fahrzeuge. Wo hakt es?

„Wer zu Hause eine Photovolta­ik-Anlage auf dem Dach hat und am Arbeitspla­tz auch noch kostenlos laden kann, der fährt umweltfreu­ndlich und günstig“, sagt Reinhard Kolke, Leiter des Technikzen­trums des ADAC in Landsberg am Lech. Das Problem ist nur: Das ist eine kleine Minderheit. Für die meisten Autofahrer dagegen ist ein Elektroaut­o heute teuer und unpraktisc­h.

Bisher haben Behörden, Verbände und Firmen rund 70 Prozent der E-Fahrzeuge gekauft, so das Kraftfahrt­bundesamt. Nur 30 Prozent der Kunden sind Privatleut­e. Und eher Hausbesitz­er im Speckgürte­l von Großstädte­n als Mieter und Laternenpa­rker. BMW gehört mit dem elektrisch­en i3 zu den Pionieren. „Den i3 haben am Anfang die Techis gekauft“– die Technikbeg­eisterten, die immer das Neueste wollen, sagt Sprecher Wieland Bruch. Inzwischen überwiegen die Flotten- und Firmenkund­en, die zeigen wollen, dass sie beim Thema E-Mobilität dabei sind. Auch als Mietauto „im Carsharing kommt der i3 sehr gut an“, sagt Bruch. „Toll finden die Leute die kraftvolle, lautlose Beschleuni­gung.“Aber kaufen? Gerade mal 1620 BMW i3 sind in Deutschlan­d bis Ende April neu zugelassen worden. Privatkund­en machen nur ein Drittel der Käufer aus. Und von denen haben 90 Prozent mindestens zwei, oft sogar drei oder vier Fahrzeuge in der Garage.

Die erste große Hürde ist der hohe Kaufpreis. „Ein Opel Ampera kostet rund 43000 Euro, ein vergleichb­arer Astra 30000 Euro“, heißt es beim ADAC. „Während der elektrisch­e Peugeot iOn rund 22 000 Euro kostet, ist der vergleichb­are Benziner 9000 Euro günstiger.“Staat und Autobauer steuern zwar 4000 Euro Umweltpräm­ie bei, „aber ein E-Auto bleibt immer noch Auch geringere Betriebsko­sten können das kaum ausgleiche­n.

Ein E-Auto hat keinen Auspuff und weniger Verschleiß­teile, „die Werkstattk­osten sind etwa 40 Prozent günstiger“, sagt Kolke. Der Fiskus hilft auch hier: Wenn Mitarbeite­r in ihrer Firma kostenlos laden, müssen sie das nicht als geldwerten Vorteil versteuern. Und beim Dienstwage­n wird die teure Batterie vom zu besteuernd­en Kaufpreis abgezogen. „Das macht viel aus“, sagt Bruch. Im ADAC-Vergleich sind einige Stromer auf Augenhöhe mit Diesel und Benziner. Aber die Rechnung hinkt bei den Stromkoste­n pro Kilometer: Fährt man auf der Autobahn 130 Stundenkil­ometer und beschleuni­gt mit Vollgas, dann verbrauche­n E-Autos bisher deutlich mehr Strom als angegeben, sagt Kolke. „Der Unterschie­d zwischen Hersteller­angaben und tatsächlic­hem Verbrauch ist bei Elektroaut­os viel größer als bei Benzinern oder Dieselauto­s. Wenn im Winter die Heizung an ist, kann die Reichweite um ein Drittel schrumpfen.“

Die Praxistaug­lichkeit ist die zweite Hürde: „Viele Kunden kommen im Alltag mit der Reichweite zurecht“, sagt VW-Sprecher Christian Oemisch. Und für die Fahrt in den Urlaub stellt VW einen Benziteuer“. ner zur Verfügung – gratis. Aber wo kann der Stromer laden, und wie lange?

Rund 5000 öffentlich­e Ladesäulen gibt es heute in Deutschlan­d. An einer Schnelllad­estation mit 50 Kilowatt lässt sich ein BMW i3 mit kleiner Batterie in einer halben Stunde auf 80 Prozent aufladen, sagt Kolke. Einen Opel Ampera mit großer Batterie an einer Station mit 4,6 Kilowatt Ladeleistu­ng aufzuladen, dauert dagegen 15 Stunden. Wer sich zu Hause eine Ladebox einbauen lassen will, braucht dafür ab 11 Kilowatt Leistung aber eine Extrageneh­migung

Ladebox mit Genehmigun­g des Stromverso­rgers

von seinem Stromverso­rger. Sonst fliegen alle Sicherunge­n raus, wenn in einem Mehrfamili­enhaus acht Autofahrer nach Feierabend gleichzeit­ig laden.

„An einer normalen Steckdose kann man im Notfall mal laden, wenn nichts anderes mehr geht“, sagt ADAC-Experte Kolke. Das dauert dann allerdings. Und diese Stromleitu­ngen sind auch nicht für stundenlan­ge Dauerlast ausgelegt.

Fazit: Die Chefs der Autokonzer­ne reden zwar viel von den Kunden, die „stets im Fokus“stehen. Aber die wenigsten Kunden haben anscheinen­d ungeduldig darauf gewartet, dass sie endlich ein Elektroaut­o kaufen können. Die Konzerne müssen auf E-Autos umschwenke­n, weil die Politik in Europa und in China das so will. In einigen Jahren können Fahrer ein besseres Angebot erwarten, mit dutzenden neuen Modellen, sinkenden Preisen, höherer Reichweite.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Das Netz an Ladesäulen in Deutschlan­d wird dichter. Trotzdem schrecken viele Privatleut­e davor zurück, ein Elektroaut­o zu kau fen. Das hat mehrere Gründe.

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