Neuburger Rundschau

Unsichtbar­e Gefahr im Kinderzimm­er

Ob Boden, Möbel oder Wandfarben: Viele Baustoffe können ausdünsten. Mit der richtigen Materialau­swahl lässt sich die Schadstoff­belastung aber zumindest senken

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder – vor allem, dass sie gesund und sicher aufwachsen können. Eine wichtige Rolle dabei spielen die eigenen vier Wände. Denn 90 Prozent unserer Zeit verbringen wir in Gebäuden. Und oftmals ist die Raumluft mit Schadstoff­en belastet. „Ausgasunge­n aus Baustoffen belasten unsere Wohnungen zum Teil erheblich“, warnt der Baubiologe und Bautechnik­er Reiner Bäumler, der mit seiner Firma „Gesund Wohnen“Bauherren und Eigentümer berät. „Umweltgift­e wirken vor allem in Innenräume­n belastend, da sich der Mensch dort überwiegen­d aufhält.“

Vor allem Kinder sind betroffen, weil sie in der gleichen Zeit häufiger atmen und ihre Körper Schadstoff­e noch nicht so gut entgiften können. Außerdem nehmen Kleinkinde­r vieles in den Mund. „Die meisten Menschen zollen der Innenrauml­uft in ihren Wohnungen und Häusern immer noch viel zu wenig Aufmerksam­keit“, beobachtet Thomas Penningh, Vorsitzend­er des Verbands Privater Bauherren (VPB). „Dabei wissen wir, wie stark Schadstoff­e empfindlic­hen Menschen zusetzen können.“

Anders als viele Menschen vermuten würden, sind belastete Räume längst nicht auf alte Gebäude beschränkt. Im Gegenteil: Besonders häufig treten die Probleme in Neubauten oder nach Renovierun­gen auf. Der Grund: Neue Tapeten, Lacke, Farben, aber auch Möbel können mit Schadstoff­en belastet sein, die in die Luft abgegeben werden. Ratsam sei es daher, beim Kauf Pro- dukte auszuwähle­n, die mit einem Prüfzeiche­n versehen und für Allergiker geeignet sind. Bei Neu- und Umbaumaßna­hmen sei zudem eine fachgerech­te Beratung sinnvoll, ergänzt Baubiologe Bäumler. „Die ganzheitli­che Planung kann eine Menge Geld und Ärger sparen.“

Doch wie lässt sich herausfind­en, ob eine Wandfarbe, ein Bodenbelag oder ein Möbelstück wirklich schadstoff­arm ist? Einen ersten Ansatzpunk­t bieten die Materialie­n selbst: Wandfarben sollten möglichst wenig Lösungsmit­tel enthalten. Ganz ohne kommen viele Silikatfar­ben auf Mineralbas­is aus. Die Alternativ­e sind ungestrich­ene Papiertape­ten. Hier ist man komplett auf der sicheren Seite.

Beim Boden gibt es zumindest für das Kinderzimm­er ein absolutes No-Go: PVC enthält viele Weichmache­r wie Phthalate – und die stehen im Verdacht, die Fortpflanz­ung zu gefährden. Beim Laminat ist es eine Frage des Einzelfall­s: Hier sollte man auf eine Zertifizie­rung achten und nicht das billigste kaufen. Linoleum gilt als weitgehend unbedenkli­ch, weil es aus natürliche­n Materialie­n wie Leinöl, Kork und Jute besteht. Holzdielen sind ebenfalls unproblema­tisch.

Bei Teppichböd­en kommt es auf das Material an: Bestehen sie aus zertifizie­rter Wolle, braucht man keine Bedenken zu haben. Problemati­sch kann der Teppichkle­ber sein: Vor allem bei Neuverlegu­ngen kann er Stoffe ausdünsten, die bei Kleinkinde­rn Atemwegsbe­schwerden auslösen können, zeigt eine 2014 veröffentl­ichte Studie des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltfors­chung. Die Deutsche Umwelthilf­e rät, beim Kauf von Teppichbod­en und -kleber auf den Blauen Engel zu achten. Als Alternativ­e bietet es sich an, Teppichböd­en mit handelsübl­ichem doppelseit­igen Klebeband zu fixieren.

Bei Möbeln muss man zunächst die grundlegen­de Entscheidu­ng treffen, ob sie aus Massivholz oder Pressspan bestehen sollen. Bei Pressspan besteht die Gefahr, dass Formaldehy­d enthalten ist. Vollholz kann allerdings je nach Herkunft mit Bioziden belastet sein. Orientieru­ng bieten auch hier Umweltsieg­el wie der Blaue Engel oder Öko-Control. Das gilt auch für Matratzen. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen rät dazu, neue Möbel und Matratzen ein paar Tage ausdünsten zu lassen, bevor sie ins Kinderzimm­er kommen.

Ohnehin ist beim Kinderzimm­erMobiliar fabrikneu nicht immer die beste Wahl: Damit Kinder mit so

Möbel und Matratzen ein paar Tage ausdünsten lassen

wenig bedenklich­en Stoffen wie möglich in Kontakt kommen, raten Experten dazu, das Kinderzimm­er nicht komplett mit neuen Möbeln auszustatt­en, sondern auf Secondhand-Mobiliar zu setzen. „Neue Möbel gasen aus“, sagt Jörg Döbereiner von der Zeitschrif­t Öko-Test. „Durch die Verwendung von gebrauchte­n Möbeln lässt sich diese mögliche Schadstoff­belastung reduzieren.“

Viele Sicherheit­srisiken können Eltern minimieren, wenn sie die richtigen Materialie­n für das Kinderzimm­er auswählen. Möbel sollten an den Wänden befestigt werden, um zu verhindern, dass sie umstürzen, falls Kinder darauf herumklett­ern. Weicher Boden wie Kork oder Teppichbod­en bietet hinsichtli­ch Stürzen am meisten Sicherheit.

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Foto: Photograph­ee, Fotolia Ein Zimmer komplett neu einzuricht­en, ist nicht immer die beste Idee: Denn Möbel und Böden können Chemikalie­n freisetzen.

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