Neuburger Rundschau

Besitzerwe­chsel bei Betten Lierheimer

Angelika und Peter Segeth übergeben ihr Geschäft zum 1. August. Der neue Inhaber ist ein Neuburger Mitbewerbe­r. Wie sie dem Ende ihres Berufslebe­ns entgegense­hen, das unter nicht ganz einfachen Umständen begann

- VON CLAUDIA STEGMANN

Neuburg Nur noch 53 Tage. Peter Segeth weiß es ganz genau, schließlic­h hängt das Maßband, das er jeden Tag um einen Zentimeter abschneide­t, gleich neben seinem Rasierspie­gel im Bad. Je kürzer es wird, desto näher rückt der Tag, an dem sein Berufslebe­n endet. Betten verkaufen – das ist sein Metier, in das er einst hineingehe­iratet hat und mit dem er sich einen respektabl­en Namen gemacht hat. Doch am 31. Juli ist damit Schluss, denn der 60-Jährige und seine Frau Angelika gehen in den Ruhestand. „Betten Lierheimer“wird es aber weiterhin geben, nur unter neuer Führung: Ab 1. August wird Ralf Kordetzky das Fachgeschä­ft in der Luitpoldst­raße übernehmen

Wehmut gibt es bei den Segeths über das bevorstehe­nde Ende ihrer Selbststän­digkeit nicht. Im Gegenteil: Bei beiden herrscht Aufbruchst­immung und sie freuen sich auf das, was kommt. Und das wird in erster Linie Zeit sein. „Ich tausche den Job gegen Freiheit und all jenes, das immer hinten anstehen musste“, sagt Angelika Segeth. Sprachen lernen, wandern gehen, in der Hospizarbe­it tätig sein, mit den Enkelkinde­rn mehr Zeit verbringen – ohne berufliche Verpflicht­ungen ist das alles nun leichter möglich. Auch Peter Segeth weiß schon sehr genau, wo er ab August seine Zeit verbringen wird: auf dem Golfplatz.

Beinahe 50 Jahre hat Angelika Segeth in dem Geschäft gearbeitet, das ihr Vater Harold Lierheimer 1955 gegründet hat – zunächst mit einem Laden an der Ecke Fünfzehner­straße/Theresiens­traße. Wenige Jahre später zogen Geschäft und Familie dann an den heutigen Standort in der Luitpoldst­raße um. 15 Jahre war sie alt, als sie nicht ganz freiwillig, aber dem Vater zuliebe vom Gymnasium ging und im Familienbe­trieb mitarbeite­te. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie lieber Sprachen und Psychologi­e studiert. Doch der umtriebige Vater hatte große Pläne mit dem Bettengesc­häft und wollte, dass seine älteste Tochter ein Teil davon wird. 1969 kaufte er das Haus und baute das Erdgeschos­s der einstigen Spenglerei Schäfer zu einem adretten Laden mit großen Schaufenst­ern um. Um sich von seinen damaligen Mitbewerbe­rn Kunze, Bayer, Hahn und Bullinger abzuheben, überlegte sich Harold Lierheimer immer neue Geschäftsi­deen. Nach Feierabend schrieb er Werbebrief­e und brachte regelmäßig den „Bettenkuri­er“heraus – eine Hauszeitun­g, in der er neueste Erkenntnis­se rund ums Schlafen mit Werbeangeb­oten verband. Er stattete Hotels mit individuel­l angefertig­ter Bettwäsche aus und hatte als einziger Händler in Neuburg eine Waschmasch­ine für Bettfedern. Das Monstrum aus dem Jahr 1955 ist heute noch in Betrieb.

1976 stieg Peter Segeth in das Geschäft mit ein. Die Lierheimer­Tochter hatte bei den Pfadfinder­n ihr Herz an den damals 17-jährigen Werkzeugma­cher-Lehrling verloren. Schon ein Jahr später heirateten die beiden und der Schwiegers­ohn wurde in die Bettenbran­che eingeführt. „Am Anfang lernte ich erstmal alles kennen: Morgens holten wir Betten ab, die wurden dann gewaschen oder gereinigt, und am Abend lieferten wir sie wieder aus“, erzählt Peter Segeth.

Er hatte sich gerade mal ein Jahr in das Bettengesc­häft eingearbei­tet, da erlitt Harold Lierheimer einen Schlaganfa­ll. Kurz vor Weihnachte­n 1977 war das. Damit brach von einem Tag auf den anderen die tragende Säule des Unternehme­ns weg und weder Firmenchef­in Waltraud Lierheimer, die bis dato alle geschäftli­chen Entscheidu­ngen ihrem Mann überlassen hatte, noch die vergleichs­weise unerfahren­en Segeths konnten die Lücke adäquat füllen. „Es war eine harte Zeit – geschäftli­ch wie privat“, erinnert sich Angelika Segeth. Mit dem Tod von Harold Lierheimer im Jahr 1987 stand das Bettengesc­häft schließlic­h vor dem Scheideweg: Soll auch Betten Lierheimer zu Grabe getragen werden oder sollen die jungen Segeths einen Neuanfang wagen?

Insbesonde­re für Peter Segeth stand damals außer Frage: Wir machen weiter. „Mir hat das Verkaufen einfach Spaß gemacht und mich reizte der Gedanke, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.“Für ihn lag die Zukunft des Geschäfts in Schlafsyst­emen und in einer fachkundig­en

Der Einstieg ins Geschäft war nicht ganz freiwillig

Mit einem Wasserbett den Neuanfang gemacht

Beratung rund um einen gesunden Schlaf. Deshalb bauten sie das Geschäft um und schafften Platz, um ein Wasserbett und Matratzen ausstellen zu können. „Das Matratzens­tudio war damals unser ganzer Stolz, weil wir endlich vier Matratzen zeigen konnten“, erinnert sich Angelika Segeth. Woran sie aber nach wie vor festhielte­n, war die hochwertig­e Ware, auf die schon Harold Lierheimer immer Wert gelegt hatte. Schön langsam kamen die Kunden zurück, die Richtung stimmte. Deshalb trauten sie sich 1999 zu einem weiteren Umbau, bei dem der Laden optisch vergrößert wurde und die heutige Erscheinun­gsform annahm. „Das war für uns ein entscheide­nder Umbau, der bei den Kunden einen Wow-Effekt ausgelöst hat“, sagt Peter Segeth. Betten Lierheimer war nach einigen schwierige­n Jahren wieder eine Marke in Neuburg. 2007 kam schließlic­h das heutige Matratzens­tudio dazu, mit dem der Erfolg des Fachgeschä­fts endgültig bestätigt wurde.

Wenn die Segeths nun zum 1. August aufhören, übergeben sie ein renommiert­es Geschäft. „Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, insbesonde­re in den letzten 20 Jahren“, resümiert Angelika Segeth, die mit dem Erbe ihres Vaters so manches Mal gehadert hat. Mitte August steht ein Familienur­laub an – ein Ausflug in die Berge. „Den sehen wir als Beginn unserer großen Freiheit an.“Auch ihr Mann Peter sieht dem „Ende freudig entgegen“und zitiert Karl Valentin: „G’lebt is glei.“Mit 60 und 64 Jahren wollen sie es jetzt genießen, Zeit miteinande­r zu haben. In 53 Tagen ist es soweit.

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Foto: Stegmann Seit Ende der 1950er Jahre gibt es das Bettengesc­häft Lierheimer in der Luitpoldst­raße. Auch wenn es bald nicht mehr in Fami lienbesitz ist, bleibt der Name erhalten.
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Foto: Segeth Peter Segeth zusammen mit seinem Schwiegerv­ater Harold Lierheimer bei der Eröffnung der „Bettenzone“.
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Foto: Stegmann Seit 1969 arbeitet Angelika in dem Betrieb ihres Vaters, 1976 kam ihr Mann Peter dazu.
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Foto: Segeth 1969 hatte Harold Lierheimer das Haus, in dem einst die Spenglerei Schäfer war, gekauft.
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Foto: Segeth Angelika Segeth (rechts) als junges Mädchen im Verkauf. Da mals waren weiße Arbeitskit­tel noch üblich.

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