Immer auf der Spur des Duftes
Mit der Liebe zu ätherischen Ölen und dem Namen einer Göttin als Beschützerin der Natur beginnt der Aufstieg einer Weltfirma. Heute exportiert Primavera in mehr als 30 Länder – und setzt auf Nachhaltigkeit
Oy Mittelberg Die Geschichte dieser Firma ist eine Liebesgeschichte. Sie beginnt damit, dass sich Mitbegründerin Ute Leube vor etwa 34 Jahren „Hals über Kopf“verliebte – in ätherische Öle. In München war das, als die medizinisch-technische Assistentin und studierte Agrarwissenschaftlerin einen Naturkostladen betrieb und bei einem Seminar mit ätherischen Ölen in Kontakt kam. Daraus wurde eine Beziehung fürs Leben. „Es war Inspiration pur“, sagt Leube. Ähnlich war es bei Mitbegründer Kurt L. Nübling. Er lernte ätherische Öle auf seinen Reisen nach Indien kennen und war fasziniert von den vielfältigen Duftbotschaften der Pflanzenwelt. Das war vor mehr als 30 Jahren der Start für ein Unternehmen, das heute als führender Hersteller von ätherischen Ölen sowie Bio-Naturkosmetik in über 30 Länder exportiert und mit 200 Mitarbeitern als „Leuchtturm im Allgäu“gilt.
„Willkommen im Naturparadies“heißt es am Ortsanfang von Oy-Mittelberg, einer Gemeinde im Allgäuer Voralpenland, die mit dem Slogan „Seele trifft Natur“wirbt. Keinen besseren Ort, sagen die Unternehmensmitgründer, hätten sie sich als Standort für ihre Firma vorstellen können. Denn wer ins „Naturparadies“kommt, blickt in die Berge, auf Wiesen und Seen, wandelt in einem Duftgarten – und ist der Natur nah. Hier sei die Produktion eine Herzensangelegenheit, hier komme es nicht so sehr auf Zahlen (sehr wohl aber auf Arbeitsplätze) an. Hier will Primavera (benannt nach der Frühlingsgöttin, der Beschützerin der Natur) seinen Leitspruch „Liebeserklärung an Mensch und Natur“nicht nur leben, sondern weitergeben. Das nennen die Firmengründer ihr Herzensanliegen. Und das mache auch den langjährigen Erfolg aus. Ein Erfolg, der jeglichen Kompromiss ausschließt.
Denn die Produkte, die Primavera bekannt machten und mittlerweile auch in Kliniken und Pflegeheimen zur Therapie angewandt werden, müssen höchsten Ansprüchen genügen. Das war es schließlich, was Leube vor mehr als 30 Jahren im Auge hatte. „Gekocht, geputzt und äußerlich angewandt haben wir sie“, lacht die 66-Jährige. Doch sie und Nübling wollten genau wissen, wa-
ätherische Öle so viel bewirken. So machten sie sich auf die Spuren des Duftes. Auf ihrer Suche nach dem „ultimativen Duft“, dem „pursten und reinsten Öl“, landete Leube im Allgäu. Die ersten 15 Ölsorten, die in Frankreich bei einem Bio-Produzenten bestellt wurden, füllten die Jungunternehmer in kleine Fläschchen und etikettierten sie im Auto auf ihrer Fahrt zu einem Kongress nach Idar-Oberstein. Als ihr Tisch nach einem Vortrag über Aromatherapie gestürmt wurde und plötzlich 200 Händler beliefert werden wollten, wurde es eng. Allein 500 Flaschen Orangenöl im Jahr be-
stellt ein Großhändler. Auf einen Schlag hatte man Mühe, mit den Bestellungen nachzukommen. Leube sagt: „Heute sind es fünf Tonnen im Jahr, die wir verkaufen.“
Am Anfang habe man darauf bestanden, die Öle nur jenen zu verkaufen, die über die Anwendung Bescheid wissen. Irgendwann wurde dann die Akademie für Seminare und Fortbildungen gegründet – mit heute weit über 3000 Teilnehmern pro Jahr.
Qualität, und zwar „höchste Qualität“mache den Erfolg von Primavera aus. Die Nase sei wichtig. Doch „sie reicht nicht“, sagt Leube. Exrum
terne Labors überprüfen anfangs die Zusammensetzung der Öle. Heute wird jeder Wareneingang im hauseigenen Labor auf Herz und Nieren analysiert. Und da sagt Primaveras Firmenphilosophie: Die Rohstoffe, also die Pflanzen, dürfen dort wachsen, wo sie wollen. Primavera hat derzeit 13 Partnerschaften, wo kontrolliert biologisch angebaut oder wild gesammelt und schließlich destilliert wird. Gemäß dem Grundsatz „von der Flasche bis aufs Feld“soll nämlich der Weg des Öls genau nachverfolgt werden können. Zum Beispiel nach Bhutan.
Seit vier Jahren pflegt Primavera
mit dem „Land des Donnerdrachen“am Rande des Himalajas eine Partnerschaft. Dort wächst das Lemongrass, das für das gleichnamige Öl verwendet wird. Wie wichtig die Zusammenarbeit für sein Land ist, das Umweltschutz und Bio-Anbau als tragende Säulen des angestrebten „Bruttonationalglücks“hat, erklärte in Oy-Mittelberg kürzlich der Landschaftsminister aus Bhutan, Lyonpo Yeshey Dorji.
Unter der Obhut von Bio Bhutan, dem Partnerprojekt von Primavera, ernten die Bauern das aromatische Gras von Hand und destillieren daraus das ätherische Öl. Seit 2010 wird auch Seife auf diese Art hergestellt. 80 Familien, sagt der Minister, hätten so zusätzliches Einkommen, etwa 2800 Dollar verdiene ein Arbeiter im Jahr. Den Familien werde damit geholfen, unabhängig zu sein, sich ernähren zu können. Dorji war bei seinem Besuch im Allgäu von Primavera so angetan, dass er die Kooperation ausbauen will. So machen sich die beiden 66-jährigen Unternehmer Nübling und Leube demnächst selbst auf den Weg, um neben dem duftenden Lemongrass vielleicht auch anderes aufzuspüren.
Die ersten biologischen Öle jedoch bezog Primavera von einem Produzenten in Frankreich. Persönlich und vor Ort wollte man sich vom Anbau und von der Gewinnung sowie pflanzengerechter Herstellung überzeugen. So entwickelten sich ökologische Anbauprojekte, als „Herzstück der Primavera-Qualitätsarbeit“.
Ob Zitrusöle aus Sizilien, Kräuteröle aus dem Piemont und aus Nepal oder Myrthe, Thymian und vor allem Rosen aus Afghanistan und der Türkei – alles werde exklusiv für Primavera hergestellt. Und Leube und Nübling wollen Menschen, die es anderswo schlechter haben, helfen, wirtschaftlich unabhängig zu
20 Waggons Rosen für einen Liter Öl
sein. Auch das gehört zur Philosophie ihres Unternehmens.
So haben die 10 000 Fachhandelskunden wie Apotheken, Reformhäuser und Naturkostläden sowie die Endkunden dann auch Verständnis dafür, dass es PrimaveraProdukte nicht zum Schnäppchenpreis gibt. Den Shop in Oy-Mittelberg besuchen jährlich etwa 30 000 Kunden.
Pro Monat werden bei Primavera etwa 300000 Fläschchen mit ätherischem Öl (5 ml und 10 ml) abgefüllt. Eines der edelsten und teuersten: das Rosenöl. Aus dem traditionellen Rosen-Anbaugebiet, der Türkei, kommt es hauptsächlich. Für einen Tropfen Rosenöl benötigt man 30 frische Blüten. In einem Liter stecken 20 Eisenbahnwaggons mit mehreren Millionen Rosen. Dementsprechend muss für ein Fläschchen mit einem Milliliter einiges hingeblättert werden – nämlich etwa 36 Euro. Der Primavera-Erfolg geht weiter. So wurde aus einer „Hals über Kopf“-Verliebtheit von Ute Leube und Kurt L. Nübling in ätherische Öle die Firmenliebe eines Lebens zu Mensch und Natur.