Zwei Leben voller Drogen
Was sind das für Menschen, die einen Mann überfallen und ihn fast umbringen? Die zwei Angeklagten haben Psychiatern einen Blick in ihr Inneres erlaubt
Ingolstadt Was ist das für ein Mann, der einen anderen, gleichaltrigen Mann, den er kaum kennt, fast umbringt, weil er an Marihuana kommen will? Und wie tickt ein ebenfalls 27-Jähriger, der den Plan mit ausheckte, den Mann zu überfallen? Zwei Psychiater haben gestern dem Landgericht, vor dem die zwei Männer – einer wegen versuchten Mordes – angeklagt sind, den Lebensweg und die Pläne der beiden geschildert.
Da ist der mutmaßliche Haupttäter, der im vergangenen Jahr am Abend des Fronleichnamstags im Ingolstädter Süden einen Drogendealer mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte. Geplant war ein Überfall auf den Mann, doch als der seine Tasche, in der der Angeklagte die Drogen im Wert von knapp 3000 Euro vermutete, nicht freiwillig hergeben wollte, stach er mit dem Messer zu. Ein Stich ging in die Lunge, ein anderer durchtrennte eine Hauptarterie an der Hand. Allein dadurch hätte der Mann verbluten können. Noch heute hat er wenig Kraft in der Hand, kann sie nicht ganz schließen, wie er dem Gericht demonstrierte. Der Angreifer flüchtete und konnte gut eine Woche später in seiner Münchner Wohnung von einem Sondereinsatzkommando festgenommen werden. Noch nie zuvor war der Mann mit kriminellen Machenschaften aufgefallen, hatte einen festen Job, Frau und Kind. Auch wenn er davon erzählt hatte, dass sein Vater ihn immer unter Druck gesetzt habe, ihm zuerst seinen Traum, Fußballprofi zu werden, zerstört hatte, und ihm dann auch noch eine Lehre und seine erste Freundin verboten hatte, schien er sein Leben im Griff zu haben. Doch auf diesem Leben lag ein Schatten. Denn mit 19 Jahren hatte er begonnen, Drogen zu nehmen. Cannabis vor allen Dingen, aber auch Ecstasy und Kokain. Genau diese Drogenkarriere ist es, die er mit seinem befreundeten Mitangeklagten, bei dem er sogar Trauzeuge war, gemeinsam hat. Schon mit 14 Jahren, so hatte er es dem Arzt erzählt, hatte er zum ersten Mal gekifft. Zwei Jahre später konnte er sich ein Leben ohne Drogen schon nicht mehr vorstellen. Trotzdem schaffte er eine Schreinerlehre, heiratete, bekam Kinder. Doch immer wieder rastete er auch aus. Er mischte bei Schlägereien mit, wie auf einem Rockfest in Oberhausen oder auf dem Neuburger Volksfest. Zuletzt war er dann auch arbeitslos.
In den Monaten vor der Tat ähneln sich die Leben der beiden Freunde auf der Anklagebank immer mehr. Beide stecken mitten in den Trennungen von ihren Ehefrauen, beide versuchen, ihren Kummer mit immer mehr Drogen zu betäuben. Doch das ging ins Geld. Konnten sie ihren Konsum noch einigermaßen finanzieren, als sie arbeiteten und in einer Familie lebten, wurde das immer schwerer. Dann heckten sie den verhängnisvollen Plan aus, an der Ingolstädter Mercystraße, einer Parallelstraße zur Münchner Straße, einen Dealer zu überfallen. Sie hatten die Hoffnung, so an die Drogen zu kommen. Das Messer, so hieß es, sollte nur zur Abschreckung dienen. Doch dann lief der Überfall aus dem Ruder und endete in einem Blutbad.
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.