Das Wunder von Rödenhof
Ein junger Schatzsucher findet in Rödenhof einen alten Ehering aus Gold. Die Gravur führt zu einem Ehepaar aus Heinrichsheim, das den Ring seit 45 Jahren vermisst. Eine unglaubliche Geschichte
Ein junger Schatzsucher findet in Rödenhof einen alten Ehering. Die Gravur führt zu einem Paar aus Heinrichsheim, das den Ring seit 45 Jahren vermisst. »
Neuburg/Rödenhof Es gibt Geschichten, die gibt es eigentlich gar nicht – zumindest nicht in echt. Höchstens in Hollywood. Nicht aber in Heinrichsheim, Marienheim und Rödenhof – drei Orte, die das Schicksal auf unglaubliche Weise miteinander verbunden hat. Es ist die wahre Geschichte einer filmreifen Schatzsuche, die mit dem Fund eines goldenen Eherings beginnt und in einem Happy End mündet, das kein Drehbuch hätte schöner fassen können. Aber der Reihe nach.
Alles begann vor vier Wochen mit einem Anruf. Eine Freundin hatte sich bei der Familie Szepessy von Negyes gemeldet, weil sie im Garten ihres Hauses in Marienheim einen Pool bauen will. Die Familien sind seit Langem befreundet, daher kannte die Freundin das große Grundstück in Rödenhof, auf dem die Szepessys wohnen. Sie fragte, ob sie einige Ladungen Erdreich bei ihnen abladen dürfe. Wie das unter Freunden so ist, man hilft sich, kurz darauf rollten die Lastwagen an. Zwölf an der Zahl – im Garten der Szepessys wuchs ein stattlicher Erdhaufen. Hausherr Nicolas Szepessy von Negyes wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, welch ein Schatz unter der Erde schlummern sollte.
Seit Nicolas Szepessy acht Jahre alt ist, ist er ein leidenschaftlicher Sondengänger. Die Begeisterung für die „Schatzsuche“mit einem piepsenden Metalldetektor hat er indirekt von seinem Vater, einem ehemaligen Piloten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 in Neuburg. Der hatte einen Kollegen, der einen Sohn und der wiederum eine Sonde. Mit ihr haben die beiden Buben regelmäßig zusammen Felder und Wälder durchkämmt, immer auf der Suche nach mehr oder weniger großen Geheimnissen im Boden. Gefunden haben sie Überbleibsel aus dem Krieg, Munition, alte Münzen, Knöpfe und Heiligenanhänger. Die Faszination „Sondeln“– wie das Sondengehen von Eingeweihten genannt wird – ist bis heute geblieben.
Inzwischen ist Nicolas Szepessy selbst Vater zweier Kinder und das Fieber der „Schatzsuche“ist auf seinen 13-jährigen Sohn Maximilian übergesprungen. Immer wenn die Zeit es zulässt, ziehen die beiden sondenschwingend über benachbartes Ackerland – nie ohne Erlaubnis der Eigentümer, das ist eine der Regeln, an die sich verantwortungsbewusste Sondengänger halten. „Streng genommen sind wir keine Schatzsucher, sondern Heimatforscher“, betont Szepessy. Wer nicht in Wäldern oder an Stellen sucht, wo sich Bodendenkmäler verstecken, dürfe in Bayern ungestört seinem Hobby nachgehen, erklärt der Vater.
Die größte Entdeckung der Familiengeschichte sollte allerdings nicht er, sondern sein Sohn Maximilian machen. Und zwar nicht irgendwo draußen auf dem Feld, sondern in einem unscheinbaren Erdhaufen im heimischen Garten. Der Tipp immerhin kam von seinem Vater. Er könne doch mal die Erde durchleuchten, die sich seit einigen Tagen auf ihrem Grundstück türmt. Der Sohn, brav wie er ist, machte sich auf den Weg und keine zehn Minuten später schlug die Sonde an: Piep, piep, piiiiiep! Am hellen Klang erkannte Maximilian sofort: Er war auf Edelmetall gestoßen. Mit einem goldenen Ring, den er Minuten später in den Händen hielt, hat er aber nicht gerechnet – und dann noch einer mit einer geheimnisvollen Gravur. 19.11.66 und der Name Herwig stand im Ringinneren. Was das wohl bedeuten könnte?
Maximilian überlegte kurz, und ging zu seinen Eltern. Denen war sofort klar: Es muss sich um einen Ehering handeln. Doch wer war die Besitzerin, wo lebte sie und wie konnte sie ausfindig gemacht werden? Fragen, auf die es zunächst keine Antwort gab. Erneut musste das Telefon herhalten, diesmal klingelte es am anderen Ende der Leitung. In Marienheim hob die Freundin der Szepessys ab. Ob sie jemanden kenne, der Herwig heiße, oder gar dessen Ehefrau, die eventuell bei ihnen im Garten einen Ring verloren haben könnte? Kurzes Zögern. Ja klar, Herwig Richter, der Großonkel und seine Ehrfrau Erika!
Erika und Herwig Richter hatten 1966 geheiratet und sind zu Herwigs Eltern nach Marienheim in eine Doppelhaushälfte gezogen. Wieder und wieder wurde umgebaut, 1973 war der Ring plötzlich verschwunden. Ob bei Pflasterarbeiten oder im Garten, konnte Erika Richter nie genau sagen, nur eines wusste sie gewiss: „Der Ring liegt in Marienheim“, erzählt sie bei der emotionalen Übergabe in Rödenhof. Dort lag er 45 Jahre. Zwischenzeitlich sind die beiden nach Neuburg und dann nach Heinrichsheim umgezogen und haben schon ihr zweites Paar Eheringe verloren. In dem Haus in Marienheim wohnt seit zehn Jahren ihre Großnichte. Als diese Erika Richter von dem geplanten Pool erzählte, hatte sie zu ihrem Mann spaßeshalber noch gesagt: „Vielleicht finden sie beim Buddeln ja meinen Ring.“Daran geglaubt habe sie nie.
Erst recht nicht an diese Odyssee: Mit Baggern ausgebuddelt, von einem Laster nach Rödenhof gekarrt, vor Büschen abgeworfen, von einem jungen Schatzsucher mit Metalldetektor gefunden und über Umwege zurück in ihre Hände gelangt – glänzend und ohne eine Schramme. „Das ist schier unglaublich“, sagt Erika Richter, die im vergangenen Jahr mit ihrem Ehemann, beide inzwischen 71 Jahre alt, Goldene Hochzeit gefeiert hat. Es ist der Stoff, aus dem die ganz großen Geschichten sind: ein Schatz, eine Lovestory und ein Happy End. „Solche Geschichten schreibt das Leben“, sagt Nicolas Szepessy. Der Vater ist stolz auf seinen Sohn, den er offenbar zu einem ehrlichen Finder erzogen hat. Anstelle den Ring zu Geld zu machen, macht der Ring nun Menschen glücklich. Über seinen Finderlohn hat sich der 13-Jährige trotzdem gefreut.